nicotine (bittersüße vodkaküsse)

4 - freak on a leash

N

"Du kiffst nicht so oft, oder?"
"Ne. Einmal in der Woche. Höchstens."
"Besser so. Ich persönlich verstehe gar nicht mehr, wie man sowas aufheben kann. Dafür kiffe ich viel zu viel."
"Bist du süchtig?"
Ich legte meinen Zeigefinger auf meine Lippen und passte ihr den Joint.
Sie hatte ja keine Ahnung, nach was ich allem süchtig war.
Alkohol, Gras, Selbstverletzung...
Früher noch Ecstasy, Speed und Kotzen nach dem Essen.
Von der verkackten Bulimie wegzukommen, war von allem am schwierigsten.
Da war ich 13 Und das dritte Mal in einer Klinik.
"An was denkst du?", fragte sie.
"Du siehst so besorgt aus."
"Ach, nichts wichtiges."
Sie gab mir den Joint zurück und ich nahm erstmal einen tiefen Zug.
"Wie geht's dir eigentlich?"
"Gut, wieso?"
Schade.
Ich hätte mir so sehr gewünscht, mal jemanden zu finden, der mich versteht.
"Nur so. Sollte man jeden fragen."
"Stimmt. Wie geht's dir?"
"Ganz okay."
Ich lächelte leicht.
Natürlich nicht, aber ich wollte sie nicht gleich vergraulen. Das würde eh nichts ernstes werden, sie war aber echt süß.
Ich war unfassbar ruhig.
Am liebsten würde ich mir auch eine Xanny schmeißen, aber ich hatte schon LSD und Alkohol intus.
Das wäre zu viel.
Ich legte mich zu ihr und nahm sie in meine Arme.
Ich sah, wie sie rot wurde.
Schon wieder.
Sie war wirklich süß.

Zwei Stunden später wachte ich wieder auf.
Nüchtern.
"Noch einen rauchen?", fragte ich sie.
"Neman, echt nicht."
Shit.
Ich stand auf.
"Bin gleich wieder da."
Ich ging die Treppe runter zu dem Schrank in der Küche, wo alle meine Medikamente drin waren.
"Was machst du da?", fragte mein Vater.
"Ich brauch 'ne Xanny."
"Brauchst du die wirklich?"
"Es sind meine, also auch meine Entscheidung."
"Eigentlich nicht."
"Halt die Fresse, eigentlich wollte ich wieder abhauen. Jetzt weiß ich wieder warum."
Er seufzte und drückte den Joint aus.
"Es tut mir leid, ja? Ich will nur nicht, dass du so ein Benzo-Junkie wirst. Dann hast du keine Gefühle mehr."
"Ich hab' sowieso keine Gefühle mehr", sagte ich gleichgültig und nahm drei.
Auf dem Schwarzmarkt wurden die Dinger für viel zu teuer vertickt, deshalb vertickte ich meine Tabletten für viel billiger.
Und machte Umsatz.
Ich ging wieder hoch zu Lynn.
Auf dem Weg schob ich Paranoia, dass sie meine Sachen durchwühlte, aber sie lag mit ihrem Handy auf dem Bett.
"Was hast du gemacht?"
"N' Glas Wasser getrunken."
"Gut so. Ich dachte schon, du dröhnst dich schon wieder zu."
"Sicher, dass du keinen bauen willst?"
Ich grinste.
"Naja, ich hätte irgendwie schon Bock..."
"Dann?"
"Okay."
Jetzt hatte ich die Xannys umsonst genommen.
Naja, eigentlich nicht ganz umsonst.
Gleich würde ich high as fuck werden.
Und hoffentlich nicht schon wieder einschlafen.
"Euer ganzes Haus riecht nach Gras, mach doch mal 'ne Decke unter den Türspalt."
Ich wog ab.
"Mein Vater checkt das nicht, keine Sorge."
"Und Leute, die hier her kommen?"
"Hier kommt eigentlich niemand her. Wenn dann kommen wir zu den Leuten."
"Ach so. Wie wars bei deiner Tante?"
Shit. Sie hatte es immer noch nicht vergessen.
"Ganz gut, bisschen langweilig aber gab Torte."
Ich würde niemals Torte essen.
Ich wollte ja nicht fett werden oder so.
Ich wusste, dass solche Gedanken nicht gut waren und ich deshalb eigentlich wieder in eine Klinik gehörte, aber es war mir eigentlich scheißegal.
Hauptsache, ich konnte irgendwann sterben.

Es war jetzt 22 Uhr.
Lynn war immer noch high und lag an mich gekuschelt in meinem Bett.
Ich saß da und starrte Löcher in die Luft.
"Ich geh aufs Klo", flüsterte ich und ging in mein Badezimmer.
Den Trip hatte ich mir anders vorgestellt.
Die ganzen Lasten, die ich hatte, lagen schwer auf meinem Rücken in drückten meine Stimmung in den Minusbereich.
Ich spritzte mir etwas Wasser ins Gesicht.
Langsam löste ich den Verband von meinem Arm.
Dann holte ich einen Rasierer und schnitt mich.
Das tat unfassbar gut.
Es war nicht mal tief, aber der Druck ließ deutlich nach.
Ich atmete tief durch, machte alles sauber und wickelte sogar einen neuen Verband um meinen komplett zerstörten Arm.
Dann kehrte ich zurück zu Lynn.
Endlich war sie wieder eingeschlafen.
Ich ließ mich ins Bett fallen und tat die ganze Nacht kein Auge zu.