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{kleine, wichtige Anmerkung •ᴗ• →}

Leise höre ich Niall schniefen. "A-Aber... was hat denn all' das zu bedeuten?" Verzweifelt sieht er mich an, nachdem es einen Moment still war, als ich ihm die Nachricht gezeigt hatte. Auf meine Rückfrage, wo er sei und dass er doch bitte drangehen soll, weil ich mir wahnsinnige Sorgen um ihn mache, hat Harry nicht mehr geantwortet. "Hat-... Hat ihr Tod das alles hervorgerufen oder...?" Leise seufzend lasse ich den Kopf auf meine angewinkelten Knie sinken. Egal was mir als Ausrede durch den Kopf geistert, nichts wäre plausibel. Also entscheide ich, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann und von der Selbstverletzung hat er ja jetzt sowieso schon mitbekommen. 

"Er ist krank, Niall."

Komplett verwirrt starrt er mich an. "Er hat mir erzählt, dass er seit über 10 Jahren unter Depressionen leidet." flüstere ich und lasse die Tränen einfach auf mein Oberteil tropfen. Der Junge mir gegenüber macht große Augen. "Er-... er... was?" Ich nicke zaghaft und ziehe die Nase hoch. "Aber... wieso habe ich denn davon nie was mitbekommen? Also... klar, er wirkt manchmal ruhig und ab und an mal traurig, aber ich dachte immer das liegt an Grace..." Kopfschüttelnd lässt er seinen Blick ziellos durch den Raum wandern. "Er hat gelernt, damit umzugehen. Wenn du nicht willst, dass jemand mitbekommt, was in dir vorgeht, dann merkt er das auch nicht... hat er mal gesagt." Ich sehe, dass auch Niall wieder die Tränen kommen. "Aber du hast es trotzdem gesehen?" Schwer atme ich durch. "Ich merke es sofort, wenn es wieder schlimmer wird." Er wischt sich mit dem Ärmel durchs Gesicht. "Das schwankt?" Ich nicke. "Es gibt Tage, da geht es ihm deutlich besser oder sogar wirklich gut - gottseidank gab es in letzter Zeit sehr viele von diesen Tagen. Aber seit Montag..." 

Schnaufend beginnt Niall erneut mit dem Kopf zu schütteln. "10 Jahre..." murmelt er resigniert. "...wie hält man das aus? Da war er ja noch ein Kind, verdammt!" Plötzlich reißt er die Augen auf. "Das Theaterstück! Warte, war das-... war das etwa seine Geschichte?" Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht genau, aber ich weiß, dass er von Zuhause weggelaufen ist." Niall nickt zustimmend. "Er meinte mal, er hätte keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern und da er den Eindruck machte, dass er nicht darüber reden will, habe ich nicht weiter nachgefragt. Gott, ich dachte, er hätte vielleicht Scheiße gebaut, aber das..." Tief seufze ich noch einmal durch, bevor ich mich ächzend aufrichte. 

"Wo willst du hin?" fragt er nervös. "Ihn suchen. Ich kann hier nicht tatenlos rumsitzen, ohne zu wissen wo er ist. Nicht in der Verfassung, in der er momentan ist." Auch Niall richtet sich nun auf und folgt mir ins Zimmer. "Ich helfe dir, wir teilen uns auf." Ich nicke bloß und nehme sein Buch vom Bett, um es mitzunehmen. Falls ich nicht mehr weiter weiß, finde ich darin vielleicht einen Hinweis. Wer weiß.

Niall hat verkündet, den Unipark abzusuchen, während ich als erstes Richtung Feuertreppe laufe. Seit diese Angst da ist, dass die Selbstmordgedanken wieder stärker geworden sein könnten, fürchte ich, er könnte wieder hier oben sein. Dadurch, dass wir schon kurz nach 10 abends haben, sehe ich kaum etwas. Leise rufe ich seinen Namen, doch ich höre keine Reaktion. Mit der Taschenlampe meines Smartphones suche ich jeden Winkel des Dachs ab, doch keine Spur von ihm. Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich an die Kante trete, doch auch unten ist  - zu meiner Erleichterung - nur blanker Beton zu sehen. Auch wenn ich froh bin, dass er nicht hier oben ist, seufze ich leise auf. Allein das Unigelände ist so riesig, dass man hier tagelang suchen könnte, ohne jemanden zu finden, der sich an einem festen Ort aufhält. Und genauso gut, könnte er ja auch von Gebäude zu Gebäude laufen. 

Außerdem weiß ich ja nicht mal, ob er überhaupt noch hier auf dem Gelände ist. Was, wenn er in den angrenzenden Wald verschwunden oder mit dem Bus weggefahren ist? Es ist fast hoffnungslos und ich weiß nicht mal im Ansatz, wo ich anfangen soll. Aber das ist mir egal, ich muss ihn finden, selbst wenn ich tagelang nach ihm suche.

put a price on emotion || L.S.Donde viven las historias. Descúbrelo ahora