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"Uuuuh, aufregend!" raunt Niall mir zu und zappelt auf seinem Sitz hin und her. Vielleicht war es für meine eigene Aufregung nicht besonders clever, mich neben ihn zu setzen? Ich versuche ihn zu ignorieren und richte meinen Blick nach vorn, wo nun Sophia die Bühne betritt.

"Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich Euch! Anders als sonst möchte ich vorab kurz ein paar Worte loswerden. Denn, ebenfalls anders als sonst, präsentieren wir Euch heute keine Interpretation eines bekannten Stückes, sondern etwas, das wir selbst geschrieben, inszeniert und auf die Bühne gebracht haben. Es ist ein Musical, dass zum Nachdenken anregen sollte und ich hoffe, Ihr nehmt Eure eigene, kleine Message mit. Und nun wünsche ich Euch viel Spaß mit 'put a price on emotion'." Unter Applaus verlässt sie die Bühne, die daraufhin wieder komplett dunkel ist.

Dann kehrt Stille ein.

Ein Klavier setzt leise ein, flackerndes Blaulicht durchbricht die Dunkelheit auf der Bühne, eine Person liegt dort, regungslos auf dem Boden. Ich kneife die Augen zusammen um sie zu erkennen und mich durchfährt eine Gänsehaut, als ich ihn erkenne. 

Harry. 

Und noch bevor er das erste Wort gesungen hat, erkenne ich den Song. Er ist von James Arthur, eins der wohl ehrlichsten Lieder, dass er je geschrieben hat. Und plötzlich fürchte ich, die nächsten 45 Minuten könnten verdammt schmerzhaft werden. Für Alle in diesem Theater. Aber vor allem für mich, denn ich weiß Dinge über Harry, die sonst niemand weiß.

Der Song handelt von Angst, Depressionen, Panikattacken.

Und ich bin nicht sicher, ob ich das aushalte, ohne zu weinen. Denn bereits jetzt ist der Kloß in meinem Hals unerträglich. Ich atme noch einmal tief ein und wieder aus, soweit das imaginäre Seil um meine Brust es zulässt, bevor er zu singen beginnt.

»Laying in the silence, waiting for the sirens, signs, any signs I'm alive still.
I don't wanna lose it, I'm not getting through this.
Hey, should I pray? Should I pray? To myself? To a God? To a saviour who can unbreak the broken, unsay these spoken words, find hope in the hopeless.
Pull me out of the train wreck.
Unburn the ashes, unchain the reactions, I'm not ready to die, not yet
Pull me out of the train wreck.« 

Seine Stimme ist so... voller Schmerz, er klingt so unfassbar verzweifelt, dass ich anfangs nicht mal realisieren kann, wie gut der Gesang eigentlich ist. Obwohl er so verletzt klingt, ist sie kraftvoll, stark. Und das, obwohl er liegt und dadurch deutlich schwieriger die benötige Luft dafür bekommen müsste.

Als würde es ihn unfassbar viel Kraft kosten, richtet er sich während der zweiten Strophe auf und schleppt sich zur Vorderkante der Bühne. Er hält sich eine Hand ans Herz, krallt sich in sein Shirt und fällt zur Bridge auf die Knie, alles bricht aus ihm heraus, sein Blick ist verletzt, absolut verzweifelt schreit er nahezu die Wörter in die Menge.

»You can say what you like 'cause see, I would die for you!
I, I'm down on my knees and I need you to be my God, be my help, be a savior who can unbreak the broken...« 

Der letzte Refrain ist fast nur noch ein Schluchzen, gepaart mit verzweifelten Hilfeschreien, die zum Ende hin immer leiser werden, bevor er flackernd die Augen schließt und vorn über kippt. Das Klavier klingt leise aus und es wird erneut dunkel. 

Absolute Stille herrscht im Raum und niemand traut sich, auch nur ein Geräusch zu machen. Ich scheine nicht der Einzige zu sein, der Rotz und Wasser heult, denn vereinzelt ist ein Schniefen oder das Rascheln einer Taschentuchpackung zu hören. Ich traue mich nicht, mich umzusehen, mir ist bewusst, dass Liam und auch Niall mitbekommen müssen, wie aufgelöst ich bin. Kommentarlos nimmt letzterer meine Hand, legt sie mit seiner verschränkt in seinen Schoß und streicht mir sanft mit dem Daumen über den Handrücken.

put a price on emotion || L.S.Where stories live. Discover now