Das Ritual

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Alduin

Ich fliege so schnell wie noch nie in meinem Leben. Immer weiter und höher tragen mich meine Schwingen. Die Welt verschwindet und macht Platz für das Wolkenmeer. Welches sich weiss und glänzend unter mir ausbreitet. Die Zeit drängt. Ich weiss wohin ich ihre Leiche bringe, eine alte Festung, gut bewacht von den Draugrn und ihren Fürsten. Sie liegt im Südosten von Himmelsrand, Südlich von Rifton, auf einem Berg gelegen. Obwohl ich mich beeile, scheint die Zeit nur so zu verrinnen. Ich bin mehr als erleichtert, als ich endlich die Bögen der Burg sehe, die wie schwarze Wächter aus dem Nichts in den Himmel ragen. Wie die meisten Burgen und Tempel in Himmelsrand ist auch die Stützburg aus dunkelgrauem bis schwarzem Stein. Eine Mauer umgibt sie, doch sie ist nicht mehr intakt. Ich bleibe wenige Meter vom Boden entfernt in der Luft stehen. Raven, die Soldatin, springt von  meinem Rücken. Ich habe sie mitgenommen, nicht weil ich ihr vertraue oder sie wertschätze, nein, es gibt Dinge, die sie für mich tun muss. Vorsichtig nimmt sie mir Yelva ab, so dass ich landen kann. Gemeinsam gehen wir an der Wortmauer vorbei, zum grossen schwarzen Tor. Ich drücke die schwere Doppeltür auf. Der Raum dahinter ist riesig,  mit einer hohen Decke, durch deren Löcher das Licht hineinfällt. Raven legt Yelvas Körper auf den Altar. Ausser einer Truhe und einem schwarzen Sarkophag ist der Raum leer. Plötzlich fliegt mit einem lauten Knall der Deckel des Sarkophags zu Boden. Ein Draugrtodesfürst entsteigt ihm, seine glühenden Augen blicken mich an.
„Diese beiden Menschen stehen unter meinem Schutz. Sieh zu dass keiner deiner Männer ihnen Schaden zufügt.“
Der Fürst nickt und verschwindet mit klapperden Schritten. Gut so, ich habe wahrlich andere Sorgen.
„Versuch ein Feuer anzuzünden und warte hier. Ich beeile mich.“
„Kann ich sonst was tun?“, fragt Raven.
„Für das Ritual brauche ich Zutaten, aber es ist gefährlich alleine durch die Gänge zu streifen.“
„Sagt mir was ihr benötigt und ich werde es beschaffen.“
„Nun gut, Todesglockenblumen, Feuersalze, Hexenrabenfedern“, ich zähle alle weiteren Dinge auf und Raven machte sich Notizen. Dann verschwindet sie im Durchgang um die Zutaten zu suchen. Natürlich kann ich den Körper nicht unbewacht lassen. Ihm darf nichts geschehen. Ich rufe zwei Draugrtodesfürsten und befehle ihnen über Yelvas Körper zu wachen. Mit gemischten Gefühlen hebe ich ab und fliege zurück. Richtung Weisslauf.

Der Hals der Welt ragt hoch in den Himmel, seine Spitze durchdringt das Wolkenmeer. Ich lande auf einem Plateau. Paarthurnax  sitzt auf der Wortmauer und blickt mich an. Nicht gerade freundlich. Aber warum sollte er auch. Ich strecke meinen Hals.
„Ich benötige deine Hilfe.“
„Tatsächlich. Was schafft Alduin, der mächtigste aller Drachen, nicht alleine?“, fragt er spöttisch.
Die Wut kommt in mir hoch, aber ich schlucke sie hinunter. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt um diesem Drachen zu zeigen wo sein Platz ist.
„Ich habe vor das Ritual durchzuführen.“
„Das Ritual?“, fragt er ungläubig. Ich nicke und er fährt fort: „Was oder wer ist dir so wichtig geworden? Etwa diese Reiterin, von der überall die Rede ist?“
„Sie ist nicht meine Reiterin, sondern meine Schülerin.“
„Nun den, doch vergiss nicht alles hat seinen Preis?“
„Wie könnte ich das vergessen“, gebe ich trocken zurück.
Wir bereden die ganze Sache. Gehen Punkt für Punkt am Ende nochmals durch. Schliesslich fliegen wir los. Paarthurnax  fliegt voraus, ich folge ihm. Der Weg ist nicht lang, denn unser Ziel, ein Haus, liegt in den Ebenen von Weisslauf, über die wir bereits fliegen.  Wir landen, die Stadt nichts weiter als ein Umriss in der Ferne. Hier liegt eine dünne Schneeschicht auf den Wiesen und Bäumen. Ein Haus aus weisem Stein und Holzbalken, blickt auf die Ebene hinab. Hammerschläge, das Klirren von Metall auf Metall, sind zu hören. Wir gehen hinauf, langsam um den Mann nicht zu erschrecken. Kaum hat uns der Mann erblickt, legt er den Hammer beiseite und greift nach seinem Schwert. Der Blonde, etwa um die 25 Sommer, mit dem typischen Nordaussehen, wartet ab.
„Erik ein schöner Platz für ein Haus“, stellt Paarthurnax  fest.
„Du bist also der Dovahkiin?“, frage ich und mustere ihn neugierig. Er scheint keine grosse Gefahr für mich darzustellen. Wie die meisten Krieger ist er von grosser und breiter Statur, mit blonden Haaren, die ihm in die Stirn fallen und blauen Augen. Auf einen Menschen wirkt er vielleicht bedrohlich, doch auf mich sicher nicht.
„Ja das bin ich. Und du bist Alduin nehme ich an?“
„Der bin ich. Aber keine Angst ich bin nicht gekommen um die Welt zu zerstören oder dein Leben. Nein. Heute benötige ich deine Hilfe.“
Das Erstaunen ist Erik deutlich anzusehen.
„Was benötigst du?“, fragt er und ich höre einen Hauch Unsicherheit aus seiner Stimme heraus.
„Ich brauche einen Drachentöter.“
„Na da bist du bei mir richtig. Doch warum sollte ich dir helfen?“
„Meine Schülerin ist gestorben und ich möchte sie zurückholen. Für das Ritual muss der Drache durch die Hand eines Menschen sterben.“
„Warum ist sie gestorben?“
„Weil sie die Hoffnung aufgegeben hat.“
„Gut ich helfe dir, aber eine Hand wäscht die andere. Also was kannst du mir als Gegenleistung anbieten?“
Ah der Junge ist ein Feilscher.
„Gold, Schmuck, Edelsteine, Diener. Was das Herz des Drachenblut begehrt.“

Schlussendlich entscheidet er sich für nichts. Er will seinen Wunsch noch nicht einlösen und ich bin so grosszügig und gewähre es ihm. Nun da das Drachenblut eingewilligt hat, fliegt er mit Paarthurnax  davon. Ich würde sie bei der Stützburg wiedersehen, doch zuerst habe ich noch etwas zu erledigen.  Ich brauche einen Drachen, einen der den Tod sucht.
Denn was wäre ich für ein Anführer, wenn ich einer aus meiner eigene Sippe umbringen lasse, für das Leben eines Menschen. Ich suche nach einem alten Drachen. Ihnen ist die Lebensfreude am ehesten verloren gegangen. Ich finde schnell die ersten beiden, einen Jungen und einen Alten, die gemeinsam auf dem Aussichtspunkt der abgeschnittenen Zunge leben. Doch von ihnen kann ich keinen überzeugen. Ihre hämischen Kommentare verfolgen mich weiterhin. Und ja ihre Fragen sind verständlich. Bald würden die Gerüchte unter den Drachen gestreut werden. Alduin, der Mächtige, ist einem Menschen verfallen. Ist schwach, angreifbar. Ich sehe es schon kommen. Die ersten mutigen oder einfach nur dummen Drachen werden mich herausfordern. Fürs Erste lenke ich meine Gedanken wieder auf die mir bevorstehende Aufgabe. In der Nähe von Dämmerstern lande ich erneut.
„Alduin was verschafft mir die Ehre“, fragt der Alte. Er wird von allen so genannt, da er nach mir der älteste Drache überhaupt ist.
„Ich benötige deine Hilfe, doch was ich verlange ist hoch.“
„Dann sind die Gerüchte also wahr. Erstaunt? Mir ist so einiges zu Ohren gekommen. Ist es wahr? Hat sich eine Frau in dein Herz geschlichen?“
Ich schnaube.
„Nein so kann man es wohl nicht nennen. Die meiste Zeit geht sie mir mit ihrer Neugier und Frechheit auf die Nerven. Aber sie versteht mich und urteilt nicht voreilig. Dennoch ist sie nichts weiter als ein Mensch und dementsprechend schwach.“
„Verstehe“, sagt der Alte und es ist mir als würde ich Belustigung in seinen Augen erkennen, „Liebe ist manchmal schwer zu erkennen. Aber genug davon. Das Ritual ist äusserst komplex, eine falsche Zutat, ein falsches Wort und du verlierst sie für immer. Sollte es dir gelingen, dann wird sie anders sein. Möglicherweise wild und voller Hass. Niemand kann das im Vorneherein wissen.“
„Ich weiss, doch eine andere Möglichkeit habe ich nicht.“
„Ich bin wahrlich alt und meine Zeit neigt sich dem Ende zu. Als treuer Freund werde ich dir diesen Wunsch erfüllen, aber…“
„Was?“, frage ich ihn mit zusammengekniffenen Augen.
„Versprich mir, das du, egal was aus ihr wird, dieser Frau hilfst, ihr zur Seite stehst und sie nicht wie eine Dienerin behandelst. Ich weiss das ist nicht leicht, vor allem nicht für dich. Aber versuche es, vielleicht kann sie dir geben, wonach du dich seit so langer Zeit verzehrst.“
„Wohl kaum, aber trotzdem werde ich mein bestes geben. Du hast mein Wort.“
„Gut, dann bring mich zum Drachenblut.“
Gesagt getan. Während des Flugs schweigen wir, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken. Erst als die Burg in der Ferne auftaucht, breche ich das Schweigen.
„Nimm ihn ordentlich dran so dass er was lernt.“
„Keine Sorge er wird überleben. Vergiss nicht Alduin, um Anführer zu sein, zahlt man zum Teil einen hohen Preis. Doch die Wahl hat man immer.“
Damit fliegt er davon. Stürzt sich in den Kampf und in seinen Tod.

Erst als ich sehe wie der Alte zu Boden stürzt, nähere ich mich der Burg. Sehe gerade noch wie das Drachenblut zum letzten Hieb ausholt. Die Klinge gräbt sich tief in den Hals. Kurz darauf löst sich die Seele vom Körper des Drachen. Das weissgoldige Licht sammelt sich und schwebt durch die Luft, an Erik vorbei, der ihm ungläubig nachblickt, durch die Tür ins Innere der Burg. Dort gibt es nur jemand, der die Seele aufnehmen kann. Ich öffne die Tür und sehe wie der leblose Körper leuchtet. Das wird ja immer interessanter.
„Bring mir von seinen Knochen, Zähnen und Schuppen“, befehle ich Erik
Ich höre wie Erik zurück kommt. Es kracht. Ich höre sein erstauntes Keuchen und drehe mich um. Er hat vor lauter Schreck oder was auch immer, die Knochen fallen gelassen.
„Sie ist deine Schülerin?“, fragt er ungläubig und tritt zum Altar.
„Genau. Ist das ein Problem?“
„Ja ist es. Sie hat etwas Besseres verdient!“, braust er auf.
„Darüber diskutieren wir später. Jetzt heisst es an die Arbeit. Lasst uns keine Zeit verlieren. Raven, du hilfst mir. Nimm die Knochen von Erik. Erik du gehst nach draussen zu Paarthurnax. Keine Widerrede.“
Widerstrebend geht er nach draussen und schliesst die Tür.
Ein Kessel hängt über dem Feuer, die Zutaten liegen schön aufgereiht auf dem Altar. Gleich kann ich beginnen. Nur eine Sache muss erledigt werden.
„Raven was du heute siehst, musst du für dich behalten. Schwöre es!“
„Ich, Raven schwöre bei meinem Leben und den neun Göttlichen das was passiert niemandem zu verraten, es als Geheimnis zu befahren bis in mein Grab und darüber hinaus.“
„Gut dann lass uns beginnen. Lege ein Teil der Knochen und Schuppen ins Feuer. Fülle einen Becher mit meinem Blut und entferne drei meiner Schuppen.“
Raven kommt meinen Befehlen eifrig nach. Dunkelrotes Blut fliesst in den Becher. Meine Schuppen legt sie auf den Altar.

Nun kam der schwierige Teil für mich. Meine letzte Wandlung liegt Jahre zurück. Ich sammle mich, Atme tief ein und aus. Spreche die Worte. Ein Singsang, ein Mantra. Das Keuchen von Raven versichert mir, das es gelungen ist. Ich öffne die Augen und blicke an mir hinab. In meiner neuen Gestallt trete ich zu Yelvas leblosen Körper. Vorsichtig entkleide ich sie. Unterdessen verdünnt Raven mein Blut mit Wein. Sie reicht mir die Schüssel. Ich streue Feuersalze hinein, Lavendel, sowie zwei Schalen mit Vampirstaub. Zwei Blüten einer Todesglockenblume. Dann nehme ich den Reisszahn des Drachen. Vorsichtig schneide ich damit in die kalte Haut. Ein Schnitt auf der Stirn drei am Hals einer über Nase, hinab über die Lippen, das Kinn und zwischen den Brüsten hindurch bis zum Bauchnabel. Auch die Beine, Arme, Hände und Füsse werden mit Schnitten versehen. Dann schmiere ich die Blutpaste auf die Schnitte. Das Gleiche mache ich auch mit der Rückseite ihres Körpers. Als Nächstes, zermahle ich das Daedraherz, zusammen mit meinen Schuppen und den Knochen, die im Feuer gelegen hatten, zu einem feinen Pulver. In dem Kessel kocht Wasser, ich gebe das Pulver hinzu und tränke dann das magische Leichentuch darin. Lasse es ziehen und wende mich unterdessen wieder dem Körper zu. Das Dornherz lege ich auf die Stelle wo ihr Herz liegt. Die Hexenrabenfedern auf die Hände. Der Pilz Blutende Krone zu den Füssen. Raven steht still da und schwingt das Rauchgefäss. Schliesslich kehre ich zum Kessel zurück, wringe das Leichentuch aus und wickle Yelva darin ein. Ihren ganzen Körper. Auf das Tuch schreibe ich Wörter in der Drachensprache, als Farbe dient mir der Rest der Blutpaste. Dazu murmle ich die Wörter. Nun ist es beinahe geschafft. Ich schicke Raven hinaus zu den anderen. Dann verwandle ich mich zurück. Ich speie Eis, dann Feuer, solange bis es von alleine brennt. Ich wandle mich wieder. Lege meine Hände auf den brennenden Körper und singe. Das Feuer erlischt langsam, ich betrachte ihren Körper, gleich wie zuvor. Aber unter meinen Händen spüre ich wie sich ihr Brustkorp kaum merklich hebt und senkt.
Es hat geklappt.  Plötzlich schlägt sie die Augen auf. Ich Blick trifft meinen.

Liebe, Drachen, heisse Typen und IchWhere stories live. Discover now