Kapitel 17

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Grunzend wälzte ich mich herum. Die Kissen waren auf dem Boden gelandet, ich musste sie im Schlaf herausgeworfen haben. Die Decke war zu einem Strang zusammengrollt und lag über meiner Taille. 

Aber sie berührte meine Füße. 

Und meine Schulter. 

Was zur Hölle lag da auf mir? 

Nein, nein, nein. Ich wollte garnicht hinsehen. Ich wollte die Augen nicht öffnen. Vielleicht weil ich die Antwort schon wusste und sie nicht wahrhaben wollte. Ich wollte sie auf garkeinen Fall wahrhaben. Und trotzdem musste ich. 

Ich drehte langsam den Kopf. Der Fremde hatte seine Lederjacke ausgezogen. Er lag neben mir, näher an mir, als es mir lieb war. Und vor allem war es sein Arm, der auf meiner Seite ruhte. 

Oh, verdammt. 

Der Fremde schnaubte leise. Sein dunkles Haar war zerzaust, seine Wangen gerötet. Sein Shirt war ein wenig verrutscht, so das ein kleiner Teil seiner Brust frei lag, der von tiefschwarzen Tattoos überzogen war. 

Tattoos? Ernsthaft?

Augenblicklich schlug er die Augen auf. Wenn auch nicht sonderlich wach, aber er sah mich an. Und er bemerkte, wie wir dalagen. Er bemerkte es und änderte trotzdem nichts an einer Position. 

"Könntest du..."

Nach einem Augenblick des Schweigens zog er seinen Arm weg. 

"Wie hast du geschlafen?"

Seine Stimme war rauer und tiefer als je zuvor. Irgendwie verschlafen. Ich mochte diese Morgenstimme irgendwie. Ich hatte zuvor noch nie die Möglichkeit gehabt, so etwas zu hören. Ich hatte auch noch nie mit einem Mann in einem Bett geschlafen. Und wenn ich ehrlich war, hätte ich auf diese Erfahrung auch verzichten können. 

"Okay."

"Okay."

Ich warf die Decke beiseite und stand auf. Je schneller ich von diesem Typ wegkam, desto besser war es. Ich lief Richtung Badezimmer, schloss die Tür hinter mir und schälte mich aus meinen Klamotten. Ich trug noch immer das funkelnde Kleid vom Vorabend und das Makeup, dass eigentlich kaum mehr vorhanden war. Es wurde dringend Zeit für eine Dusche. 

Ich drehte das Wasser auf und stellte die Temperatur auf kalt. Normalerweise duschte ich immer mehr als heiß, aber heute war kein normaler Tag. Wahrscheinlich würde ich heute herausbekommen, wie es mit mir weitergehen sollte. 

Oder eben nicht, wenn man mich töten wollte. 

Aber selbst wenn das der Plan war, hätte man mich schon längst erledigen können. 

Das kalte Wasser brachte meine Muskeln auf eine seltsame Art und Weise dazu, sich zu entspannen. Ich konnte hören, wie jemand an der Türklinke rüttelte, doch ich ignorierte es gekonnt. Ich würde mir meine Zeit nehmen. 

Es tat gut das Haarspray aus meinem Haar rauszukriegen. Endlich waren die Locken wieder weich und glänzend, nicht mehr so hart und stumpf. Ich kämmte die letzten Knoten mit meinen Fingern heraus, schlüpfte wieder in mein Kleid und begutachtete mich im Spiegel. Ich sah ziemlich mies aus. 

Dunkle Schatten lagen unter meinen Augen, auch wenn ich etwas geschlafen hatte. Mein Haar hing in nassen Strähnen in mein Gesicht und begann schon wieder, sich leicht zu Wellen. Das tat es immer, wenn ich es nicht föhnte. 

Ungeschminkt wie ich war, wurden meine Augen nicht mehr so betont. Das einzige was weiterhin auffiel - wenn man hinsah - war das minimale Muttermal unter meinem rechten Wimpernkranz. Ich liebte es, ganz besonders, nachdem ich erfahren hatte, dass meine Mum auch ein Mal an dieser Stelle gehabt hatte. 

Ich hatte nie ein Foto von ihnen gesehen. Das einzige was mir geblieben war, waren die wenigen Erinnerungen, die ich noch an sie hatte, und die Wortfetzen, die ich mal von Gabriel aufgeschnappt hatte. 

Als ich fertig war, wartete der Fremde schon vor der Tür auf mich. Er trug noch immer dieselben Klamotten vom Vortag und hielt meine Schuhe in einer Hand. Mit einem stummen Kopfnicken reichte er sie mir und deutete mir damit, sie anzuziehen. Ich ließ mich auf einem der Sessel nieder und gehorchte seiner stillen Bitte. 

"Wollt ihr mich umbringen?", fragte ich emotionslos. 

Ich spürte seinen Blick auf meiner Haut, aber ich konnte ihn nicht deuten. Ob er nun entsetzt oder ertappt war, ich wusste es nicht. 

"Nein", murmelte er. 

Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm glauben konnte. Ich kannte ihn ja nichtmal. 

"Warum verrätst du mir deinen wahren Namen nicht?"

Er sah mich an. Sein Blick durchbohrte mich förmlich. Doch ich hielt ihm stur stand. Wenn das ein Machtkampf werden sollte, würde ich nicht zulassen, dass er gewann. 

"Ich habe dir meinen Namen verraten."

"Deinen Zweitnamen."

"Aber ich habe nicht gelogen."

Ich hob fragend eine Augenbraue.

"Mein Zweitname ist Alexander. Den Name hat mein Vater ausgesucht, er wollte etwas formelleres." 

"Warum? Wie heißt du richtig?"

"Jael."

Mir fuhr es wie eine Welle durch die Knochen. Die feinen Haare in meinem Nacken begannen sich aufzustellen, meine Hände zitterten. Ich krallte sie tief in das Leder meiner Tasche, doch es brachte nichts. Das Zittern fuhr durch meinen Ganzen Körper und schüttelte mich, als stünde ich kurz vorm Erfrieren. 

Mir wurde bewusst, warum er mir seinen Vornamen nicht hatte nennen wollen. 

Weil er genau wusste, dass ich dann Verdacht schöpfen würde. 

Auch wenn ich mir nicht sicher war, überkam mich eine schreckliche Panik. Es gab Legenden, Sagen über diesen Mann. Aber man hatte nie sicher beweisen können, dass er existierte. Vielleicht lag dies daran, dass er sich immer versteckt hatte. Oder nur unter seinesgleichen offenbart. Wenn es stimmte, war er gefährlich. Gefährlicher als alles, dass mir in meinem Leben je begegnet war und hätte können, wäre ich nicht auf die Erde gekommen. 

Wenn es stimmte, könnte er mich mit einem Wimpernschlag töten. Je nachdem welcher der Legenden, die sich um ihn ranken, man Glauben schenkte. 

Doch es war ganz gleich, für welche Variante man sich entschied. Der Kern war immer gleich. 


Wenn es stimmte, war er des Teufels Sohn. 

HolyWhere stories live. Discover now