2 - Berauschende Pflichtaufgabe

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Sonntag. Der Tag, an dem ich meinen Eltern am Frühstückstisch ausgesetzt war. Dieser unterschied sich von den meisten anderen. Sonntag bedeutete in unserer Familie das Beieinandersein. Morgens aßen wir zusammen und tauschten uns über Gott und die Welt aus.

Im Winter, wenn es noch zu kalt war, spielten wir drinnen Familienspiele und hofften, das Wetter würde sich schnellstens ändern. Im Sommer hingegen, wenn es unerträglich heiß draußen wurde, verbrachten wir den ganzen Tag im Wasser, um der Hitze zu entfliehen.

Diese Ereignisse passierten nur an Sonntagen, wenn die ganze Familie einmal zueinander fand. Das war immer eine schöne Abwechslung zu dem Alltag, wenn meine Eltern mit Ingenieurzeug und Autorinnenkram zu tun hatten.

Doch dieser Sonntag war anders. Beim Frühstück wechselten wir kaum ein Wort. Ich schwieg, weil ich immer noch auf meine Eltern wütend war und meine Eltern vermutlich, weil sie keinen Sinn darin sahen, mich aufzuheitern.

Die Situation war angespannt und sogar mehr als das. Ich wusste gar nicht mehr, wann wir uns das letzte Mal so still angeschaut hatten.

Um etwas den Kopf freizubekommen, war ich die Erste, die den Tisch ohne Erklärung verließ. Schnell stellte ich die Teller in die Spüle, was mir misstrauische Blicke von meiner Mom und meinem Dad einfing. Vermutlich wunderten sie sich, dass ich es so eilig hatte.

Mit einem Griff an der Tür und einem, mit dem ich mir mein Skateboard schnappte, das an der Wand neben der Tür lehnte, verschwand ich in die unerträgliche Hitze draußen. Mittlerweile war es mir gleichgültig, was meine Eltern von mir dachten. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie sich sonderlich darum Gedanken machten.

Sie waren sicherlich froh, dass ich freiwillig die neue Stadt erkunden wollte, auch wenn ich es eigentlich nur tat, um ihnen nicht mehr in die Augen schauen zu müssen.

Die Hitze stach mir durch die gesamte Haut. Ich war mir sicher, dass sich bereits Schweißperlen an meiner Stirn gesammelt hatten. Mein lockeres Hemd und meine kurze Hose wehten durch den Fahrtwind, der den Sommertag etwas erträglicher machte.

Eine seltsame Stadt war das. Außer dem Hafen schien alles symmetrisch angepasst zu sein. Selbst die Bäume, die vermutlich auf den Millimeter genau gegenüber voneinander eingepflanzt waren, hatten Zäune. Als würde es jemand wagen und einfach so einen der schmalen, grünen Bäume fällen.

Die Menschen, die ich beobachten konnte, schienen sich nicht sonderlich um mich zu scheren. Sie waren wohl viel mehr daran interessiert, die Kirche aufzusuchen. Sie war gigantisch und glich eher dem One World Trade Centre in New York.

Kein Auto fuhr durch die Straßen, die inmitten der riesengroßen Villen, von denen sie umgeben waren, fast schon verlassen wirkten.

Der Himmel war kristallblau und keine einzige Wolke ließ sich blicken. Eigentlich ein Wetter, das man von einem normalen Sommertag erwarten würde, wäre da nicht irgendwo ein beunruhigendes, leises Grummeln. Erst vernahm ich es noch eher beiläufig, doch dann schien es immer lauter zu werden und dichter zu kommen.

Sicherheitshalber bog ich in eine der Straßen ab, von der ich vermutete, dass sie mich nach Hause bringen würde. Doch ehrlich gesagt hatte ich nicht die leiseste Ahnung davon, wo ich überhaupt war. Ich hatte den totalen Überblick und meine Orientierung verloren.

Ein kleiner Regentropfen fiel auf meine Stirn herab. Ungläubig starrte ich kurz in den Himmel.

Binnen Sekunden waren dunkle Wolken aufgezogen. Auf hoher See würde das jetzt in etwa bedeuten, Leinen reinholen und so schnell wie möglich Festland aufsuchen, bevor das Unwetter das Boot erreichen konnte.

Irgendwie versuchte ich mit meinem Fuß das Skateboard schneller anzutreiben, um eher zu Quantum zu kommen, doch das erwies sich als fataler Fehler. Schon nach wenigen Sekunden rutschte ich weg und landete auf dem harten Asphalt. Mit einem kleinen Aua schlug ich auf und schaute hoch, während ich mir den Kopf rieb.

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