38 - Klarheit

51 4 7
                                    

"Jenny, Schatz. Tut mir leid. Ich muss dich leider jetzt wecken. Wir sind eingeladen."

Eingeladen? Wo und wieso?

Ich war auf einmal hellwach und setzte mich auf. Meine Mom stand mit verschränkten Fingern da und blickte auf meine zerzausten Haare. Schnell entwirrte ich sie, sodass sie sich wieder auf andere Dinge konzentrieren konnte. Ich wusste, wie sehr sie kleine Dinge hasste, die nicht perfekt waren. Sie gab es nur nicht offen zu, sondern fing die Sache erst still an zu mustern, bis diese sich vielleicht irgendwann in Luft auflösen würde.

"Was?", stieß ich heraus. Mein Herz pochte wie wild. Es kam mir noch so vor, als wär's ein Traum. So unecht. Als würde ich noch schlafen.

"Unsere Nachbarn haben uns zum Kaffee eingeladen, also damit meine ich, wir haben uns selbst irgendwie eingeladen. Kann man es so nennen, wenn sie es uns angeboten haben?" - Sie dachte eine Weile darüber nach und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Hoffentlich stand Luke nicht gerade halbnackt vor dem Fenster, verschlafen, um zu schauen, ob ich schon auf war.

"Na, jedenfalls", sagte sie und richtete den Blick wieder auf mich: "Mach dich bitte fertig. Wir essen gleich und dann werden wir rübergehen."

Damit verließ sie mich. Erst kurze Zeit später quälte ich mich aus dem Bett und suchte verschlafen im Kleiderschrank nach irgendetwas akzeptablem, was mir nicht gerade leichtfiel. In den letzten Wochen hatte ich meine Kleidung komplett auf den Kopf gestellt. Zeit, sie wieder auf die Füße zu stellen.

In meinem Augenwinkel machte ich auf einmal eine Bewegung aus. Sofort drehte ich mich zum Fenster um und dankte gleichzeitig Gott dafür, dass er Luke nicht einige Minuten zuvor auftauchen gelassen hatte.

Als er mich sah, winkte er kurz. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, was sehr ungewohnt wirkte. Normalerweise lagen sie immer perfekt.

Mein Handy kündigte eine neue Nachricht an. Ich schaute hinauf und musste dabei grinsen.

Hey Schöne.

Hey Stalker.

Du kannst froh sein, dass du es bist. Ich räume für dich freiwillig mein Zimmer auf.


Sag bloß! Beeil' dich lieber. Ich klingel gleich.


Bin schon fast fertig. Nur noch dieser Bereich.

Mit einer Handbewegung deutete er auf den gesamten Bereich hinter sich, der sein gesamtes Zimmer beanspruchte. Ich lachte auf und winkte zum Abschied, bevor ich die Treppen hinunter zum Frühstück schritt.

Die Stimmung von gestern war wie verflogen. Alle waren irgendwie im Stress. Mom schnitt mit einem viel zu großen, scharfen Messer, die man aus Thrillern kannte, kleine Snacktomaten auf. Dad holte sich bereits den Ketchup aus dem Kühlschrank und eine separate Schüssel, wahrscheinlich um sich eine Portion davon in den Mund zu schieben.

"Morgen", sagte ich und setzte mich an den Esstisch. Ich fragte extra nicht nach, wie sie geschlafen hatten. Zum einen war ihre Antwort immer dieselbe. - "Wie ein Stein." - Und zum anderen war ich immer noch wütend auf sie, dass sie einfach so über meinem Kopf hinweg über unsere Zukunft entschieden hatten.

Auch beim Essen wurde außer dem Wetter über jedes Thema geschwiegen.

Als wir bei unseren Nachbarn klingelten, war ich mir nicht sicher, ob wir zum Kaffeekränzchen oder zum Lunchen eingeladen waren. Es kam mir doch etwas zu früh für Kekse und Milch vor.

See the truth | ✓Where stories live. Discover now