1. Kapitel

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„Okay, das hätten wir", sagte Amanda mit ihrer kühlen Stimme und presste ihre schmalen Lippen aufeinander. „Du gehst heute noch den Text für das Casting morgen durch und schickst mir ein Video davon, dann sende ich es den Produzenten zusätzlich. Matt wird dir dabei helfen." Ich nickte seufzend. Ich wusste, dass sie es nur gut mit mir meinte, doch ich war fix und fertig. Ich hatte erst gestern den letzten Drehtag von love is in the air gehabt – einem affigen Teenie-Film mit üblichem Mädchenkram – und hatte mich nun endlich auf ein wenig Freizeit gefreut. Doch Amanda schickte mich von einem Casting zum nächsten. Ich liebte meinen Job und wollte schon immer Schauspielerin werden, doch nicht in Teenie-Filmen, die später nur schlechte Kritik einstecken mussten. „Zu klischeehaft", hieß es immer. 

„Okayokay, ich werde das mit Matt regeln", unterbrach ich Amanda. Verbissen wandte sie sich ab. „18 Uhr ist die Deadline, bis dahin will ich das Video haben!", murmelte sie mürrisch, setzte sich hinter ihren Schreibtisch und schlug die Beine übereinander.

„In Ordnung", antwortete ich und griff nach dem Skript, das auf ihrem Tisch lag. Ich wollte den Text nochmals wiederholen, bevor ich das Bewerbungsvideo mit Matt, einem unserer Produzenten, machte und wollte mich dementsprechend auf die Szenen vorbereiten.

Amanda war vor zwei Jahren auf mich aufmerksam geworden, als ich mich bei ihrer Schauspielagentur beworben hatte und sie bemühte sich jeden Tag aufs Neue, mir Rollen in verschiedenen Filmen zu vermitteln. Sie mochte manchmal verbissen und mürrisch wirken, doch sie hatte viel für mich getan. Ich griff nach meiner Jacke in der Garderobe und wollte gerade nach draußen gehen, als ich meinen Namen hörte.

„Lottie, warte!", rief Amanda aufgeregt. Neugierig wandte ich mich nochmals um und sah sie fragend an. „Ja?" „Ich habe gerade eben die Bestätigungsmail erhalten...", sagte Amanda, während sie mit gerunzelter Stirn die eben genannte Email las. „Du weißt, dass ich viel von dir halte, Lottie. Und naja... ich dachte, wir könnten deiner Karriere einen kleinen Schubs geben", murmelte sie geistesabwesend und immer noch auf den Computer starrend. Ihr Grinsen wurde immer breiter – langsam wurde ich nervös. 

Was hatte sie dieses Mal mit mir vor? Ich kannte ihre verrückten Ideen – sie war zwar manchmal sehr kühl, doch ich wusste genau wie kreativ Amanda werden konnte, wenn es um ihre Schützlinge ging. 

Nervös biss ich mir auf die Unterlippe und ließ mich wieder auf den schwarzen Ledersessel plumpsen, in dem ich bis vor Kurzem noch gesessen hatte. „Schieß los!", feuerte ich sie an, als sie immer noch nicht mit der Sprache rausrückte. Das nervöse Kribbeln in meinem Bauch wurde stärker und ich begann ungeduldig mit einer Haarsträhne zu spielen. 

Hatte ich eine Zusage für eine neue Rolle? Oder hatte sie mir ein Interview verschafft? Ich hasste Interviews – immer wieder gab ich irgendetwas Dummes von mir, wofür ich mich spätestens fünf Minuten nach dem Interview in Grund und Boden schämte. Sie grinste mich strahlend an. „Bitte sag nicht nein – es hat mich Stunden gekostet, das Treffen zu organisieren!", meinte sie verschmitzt und lächelte breit. Sie liebte es tatsächlich mich auf die Folter zu spannen. „Du wirst morgen zu der Adresse fahren, wir treffen uns um 11 Uhr dort", erklärte sie mir, kritzelte besagte Adresse in ihrer eleganten schlanken Schrift auf ein Blatt Papier und drückte es mir in die Hand. 

„Amanda!", sagte ich lachend. „Ich hab überhaupt keine Ahnung, was du mit mir vorhast!" Mein Gesicht musste ein riesengroßes Fragezeichen sein und sie rückte endlich mit der Sprache heraus. „Hör zu – du machst einen tollen Job, aber in unserer Branche gehört nicht nur Talent dazu. Künstler brauchen Aufträge, Beziehungen und einen riesigen Haufen Glück. Es ist einfach so!", sagte sie seufzend und lehnte sich in ihren Sessel zurück. 

Und auch wenn ich es nicht gern tat – ich musste ihr zustimmen. Ich hatte bereits so viele talentierte Menschen kennengelernt, die eine kleine Nebenrolle ergattert hatten und schlussendlich sogar aus dem Film geschnitten worden waren. Auch mir war das in meiner Anfangszeit passiert und es war ein furchtbares Gefühl. Mittlerweile durfte ich in einigen wirklich großen Produktionen mitwirken und hatte erst letzten Monat jeden Tag am Set von love is in the air verbracht. Es war zwar keine Hauptrolle, doch ich war mit meinem Part sehr zufrieden und dadurch kam ich meinem Ziel einen kleinen Schritt näher: als Schauspielerin auf meinen eigenen Füßen zu stehen, finanziell unabhängig zu sein und nur von meinem Job leben zu können.

Amanda war mir dabei eine riesengroße Hilfe – sie scheuchte mich von Casting zu Casting, verschickte meine Videos in die ganze Welt und stellte mich wichtigen Regisseuren und Produzenten vor. Meine Gedanken schweiften ab und ich tauchte in eine Welt voller Kameras ab, Requisiten, Kostüme, Drehbücher, ... Amandas helle, klare Stimme holte mich zurück zu ihr ins Büro. „Und zu diesem Glück möchte ich dir verhelfen!", fügte sie grinsend hinzu. Nun war ich noch verwirrter als zuvor. Was in aller Welt hatte Amanda mit mir vor?

„Wir werden uns morgen mit einem alten Bekannten von mir treffen, ich bin mir sicher du kennst einige Leute aus seinem Management. Und naja.. wie soll ich es sagen – wir sind keine Freunde, aber wir sind uns in einem einig: bei dir!", verriet sie mir. Nun war ich total verwirrt. „Ich versteh die Welt nicht mehr! Willst du mich nicht mehr vertreten? Soll ich Management wechseln oder hat dein Bekannter wichtige Kontakte oder-", begann ich aufgeregt, doch Amanda schnitt mir das Wort ab. 

Was in aller Welt war hier los? Ich hatte schon öfters mit anderen Künstlern zusammengearbeitet, die nicht dasselbe Management hatten, doch bisher hatte sich Amanda noch nie so merkwürdig verhalten... „Schwachsinn – du weißt, dass ich an dich glaube und dich nicht fallen lasse wie eine heiße Kartoffel", versicherte sie mir. 

Erleichtert atmete ich auf. Ich liebte es wirklich, mit ihr zusammen zu arbeiten. Noch nie hatte sie mich zu etwas gedrängt, was ich nicht wollte – die endgültige Entscheidung hatte sie immer mir überlassen. Ich wusste, wie dankbar ich dafür sein konnte, nicht alle Künstler hatten dieses Glück. Manche wurden von ihrem Management regelrecht tyrannisiert.

„Ich glaube ich habe den perfekten Freund für dich und unser Partner findet, du bist die perfekte Freundin. Wir haben morgen einen Termin beim Management von Harry Edward Styles". Mit diesen Worten strahlte sie mich an, während mir die Kinnlade nach unten klappte. 

CluelessWhere stories live. Discover now