22. Kapitel

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Mein Herz pochte rasend schnell, als ich mich leise die Treppe hinunterschlich. Alles war schon dunkel und auch die letzten Schüler hatten sich in ihren Gemeinschaftsräumen zurückgezogen. Ich hatte den Nachmittag mit Abraxas verbracht, aber ich hatte seinen endlosen Erzählungen über seine Ferien nicht zugehört. Stunden um Stunden, während Abraxas plapperte, hatte ich darüber nachgedacht, was Riddle wohl von mir wollte. Aber ich hatte nicht die leiseste Ahnung.

Jetzt würde ich es herausfinden. Meine Eingeweide schienen sich vor Nervosität zu winden, wie Schlangen. Ich stoppte mitten auf der Treppe und holte tief Luft, um mich zu beruhigen. Riddle sollte nicht sehen, dass ich nervös war. Aber wahrscheinlich würde er mich eh durchschauen. Ich war für ihn zu lesen, wie ein offenes Buch. Das machte mich nur noch angespannter. Langsam atmete ich tief ein und aus. Haha! Du musst Atemübungen machen, spottete meine innere Stimme. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Halt dein Maul, dachte ich und musste trotz der Anspannung grinsen. Ich verbot gerade mir selbst etwas zu sagen. Das war irgendwie seltsam... Egal! Ich musste weiter. 

Als ich den Gemeinschaftsraum betrat, kam mir Riddle schon entgegen. "Komm", knurrte er, nahm meine Hand und zog mich mit sich. Ich riss mich los. Was gab ihm das Recht mich so herumzukommandieren? "Du wirst lernen mir zu gehorchen, Süße", bemerkte er verächtlich, ergriff erneut meine Hand und diesmal lies ich zu, dass er mich mit sich zerrte. Wir verließen den Gemeinschaftsraum und schlichen durch die düsteren Gänge. Schon nach kurzer Zeit hatte ich den Überblick verloren, wohin er mich führte. Ein unwohles Gefühl machte sich in mir breit. 

"Wohin gehen wir?", wollte ich wissen. "Das wirst du noch früh genug sehen", gab Riddle gelassen zurück. Meine Muskeln waren so verspannt, dass sie schmerzten. Riddle blieb stehen. "Entspann dich", sagte er leise und drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn. Mein Herz raste und schnell brachte ich etwas Abstand zwischen uns. Ich musste einen klaren Kopf bewahren und das war in seiner Nähe unmöglich. Ein wissendes, leicht spöttisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht, bevor er sich umdreht und mit einem kurzen "Beeil dich", weiterging. Leicht gereizt folgt ich ihm. Sollte er mich noch einmal sagen, was ich tun sollte und was nicht, konnte ich für nichts mehr garantieren, dass ich mich fürchterlich aufregte. Das passierte mir zugegebenermaßen ziemlich oft. 

Wir gingen weiter und mit jedem Schritt verstärkte sich das mulmige Gefühl in mir. Schließlich blieb Riddle vor einer alten Tür stehen. Er öffnete sie und ich trat verwirrt in den Raum ein. "Ähm... Das ist eine Toilette", stellte ich verdattert fest. Riddle achtete nicht auf mir, sondern lief wortlos zu die Waschbecken. Unsicher folgte ich ihm. Was wollte der Typ mit mir auf einem Mädchenklo? Ich meine, dass ergab ja überhaupt keinen Sinn. Wenn er mir Respekt lehren wollte, hätte er sich auch einen anderen Ort aussuchen können. Einen gemütlicheren.

Ich sah mich um. Etwas gefiel mir in diesem Raum nicht und als mein Blick durch den Raum wanderte und an den unbenutzten Kabinen hängen blieb, wusste ich auch wo wir uns genau befanden. Dieser Raum wurde nicht mehr genutzt seit... Ich schluckte schwer. Das Betreten der Toilette war verboten, seit Myrte Elizabeth Warren hier vor einem Jahr auf geheimnisvoller Weise umgekommen war. Ein eiskalter Schauer krabbelte, wie eine Spinne, über meinen Rücken.

"Ähm... Tom?", fragte ich und konnte die zitternde Angst nicht ganz aus meiner Stimme verbannen, während ich es gleichzeitig seltsam fand, Riddle mit seinem Vornamen anzusprechen. "Ja?", kam es genervt von ihm und er drehte sich zu mir um. "Was tun wir hier?", wollte ich wissen. Statt auf meine Frage einzugehen, musterte er mich nachdenklich. 
"Was tun wir hier?", wiederholte ich gereizt und funkelte ihn aufgebracht an. "Du wirst lernen mich so respektvoll zu behandeln, wie es mir zusteht. Du wirst meine wahre Abstammung erkennen", erklärte Riddle geheimnisvoll und wandte sich dem Waschbecken zu. 

Er wisperte etwas, so leise, dass ich die Worte nicht verstand. Aber es klang irgendwie seltsam, so unmenschlich. Ich schob diese Gedanken zur Seite. Plötzlich leuchtete der Wasserhahn glühend weiß auf. Unter dem Waschbecken schob sich die Wand zur Seite und gab einen dunklen Tunnel frei, so drohend, wie das Maul einer riesigen Bestie. Sicherheitshalber ging ich hinter Riddle in Deckung, dieser lächelte angesichts meiner Angst. Er genoss seine Überlegenheit und das machte mir mal wieder klar, dass er anders war, als jeder Junge, den ich bisher kennengelernt hatte. 

"Rein mit dir", Riddle deutete auf den Tunnel. Ich wich zurück. Niemals würde ich hier runtergehen! Riddle schien zu wissen, was ich dachte, denn er zog seinen Zauberstab und deutete erneut ungeduldig auf das düstere Loch. "Jetzt sofort", zischte er. Ich schüttelte stumm den Kopf. Meine Stimme versagte mir vor Angst. Wohin auch immer er mich führen wollte, er konnte mich nicht zwingen. Doch kann er, bedauerte meine innere Stimme und ich verfluchte sie dafür, diese Tatsache ausgesprochen zu haben. Ich hätte das Treffen ignorieren und in meinem warmen Bett bleiben sollen.

"Geh jetzt sofort", befahl Riddle und sprach jedes Wort mit einem schrecklich bohrenden Nachdruck aus. "Nein", wisperte ich. Riddle drückte mir die Spitze seines Zauberstabs in den Rücken. "Mach es", sagte er ruhig, aber gleichzeitig so drohend, dass ich Folge leistete und langsam in den Tunnel kroch. Verdammt, war das steil! Ich schlitterte nach unten, wie durch eine Rutschbahn. Nirgendwo fand ich halt, sondern schürfte mir nur die Hände und Füße auf. Die Verletzungen brannten, wie Feuer.

Auf einmal hörte der Tunnel auf und ich wurde auf einen kalten Steinboden geschleudert. Keuchend blieb ich liegen. Meine Glieder schmerzten. Da kam Riddle langsam aus den Tunnel geschlendert. Natürlich kannte dieser Idiot einen Zauber, der ihm half bequem nach unten zu gelangen und er konnte mich nicht mal vorwarnen. Aber ein heißer Idiot, kommentierte die kleine Stimme. Ungern gab ich ihr recht. Riddle streckte mir die Hand entgegen, um mir auf die Beine zu helfen. Zögernd ergriff ich sie und er zog mich hoch. Ohne meine Hand loszulassen, gingen wir weiter. Meine Schürfwunden pochten schmerzhaft, aber ich versuchte es zu ignorieren. Der Schmerz war nichts gegen dieser schlimmen Vorahnung.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir eine runde, in Stein gehauene Tür, die mit Schlangen verziert war, die sehr realistisch aussahen. Ich fröstelte und das hatte nichts mit den kühlen Temperaturen zu tun. Riddle trat zur Tür. Ein schwaches, tiefes Zischen kam über seine Lippen. Ich wusste nicht, dass er ein Parselmund war. Am liebsten hätte ich einfach kehrtgemacht, doch das lies mein verdammter Stolz nicht zu. 

Die steinerne Tür öffnete sich lautlos und Riddle bedeutete mir mit einer Geste einzutreten. Ich holte tief Luft und betrat den Raum. Er war hoch, wie eine Kathedrale und Skulpturen von Schlangen säumten den Weg. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich die Statue eines Zauberers. Riddle trat neben mir und noch bevor er die nächsten Worte aussprach, wusste ich wo wir waren und die Angst floss durch meine Glieder, wie eiskaltes Wasser.

"Willkommen in der Kammer des Schreckens, Süße!"


Loving you is a losing game (Tom Riddle FF)Where stories live. Discover now