Kapitel 24

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Dankbar kuschelte ich mich an Sirius, während mir die Tränen über die Wange liefen. Nicht nur er hatte die letzte Nacht bei mir verbracht, sondern auch Marlon. Anders als mein Vater schlief mein Onkel allerdings noch tief und fest, weshalb er mich nicht tröstete.
„Es ist in Ordnung, mein kleiner Welpe. Lass es raus. Ich weiß, es ist schwer. Du vermisst deine Natasha. Sie wird heute vierzehn Jahre alt, nicht wahr?" Ich nickte leicht, während ich mich noch ein wenig näher an Sirius kuschelte.
„Warum hat man sie noch immer nicht gefunden?", schniefte ich leise. Alle suchten doch nach dem Mädchen. Seit über einem Jahr suchte Dumbledore sämtliche Zaubererschule nach meiner kleinen Schwester ab, seit einem halben wurde auch Amerika nach ihr abgesucht. Doch dadurch hatte ich vor allem eine Erkenntnis erlangt: Meine Schwester war genauso ein Geist, wie ich es war.
Natasha hatte wirklich aus dem Versteck von PIRA fliehen können. Danach war sie allerdings erstmal von der Bildfläche verschwunden. Sie hatte sehr wahrscheinlich auf der Straße gelebt, genauso wie ich es eine Zeit lang getan hatte. Während ich mich allerdings fast ein Jahr lang vor den Behörden versteckt hatte und danach auch immer wieder aus einem Waisenhaus abgehauen war, hatte es gerade einmal zwei Monate gedauert, bis meine kleine Schwester sich freiwillig den Behörden gestellt hatte. In der Zeit war sie allerdings ziemlich weit gekommen. Sie war tatsächlich zwei Bundesstaaten weiter wieder aufgetaucht. Wenn man allerdings bedachte, dass sie so schnell wie ein Blitz laufen konnte, war es vermutlich wesentlich weniger beeindruckend.
In Ohio hatte Natasha dann die meiste Zeit ihrer bisherigen Kindheit verbracht. Genauso wie ich war sie dabei immer wieder von Heim zu Heim und von Pflegefamilie zur Pflegefamilie weitergereicht worden. Es waren weniger als bei mir, doch ihre unkontrollierte Magie verhinderte auch bei ihr, dass sie irgendwo ein wirkliches zu Hause fand, obwohl sie wesentlich bessere Noten hatte als ich. Zeus hatte ihr wohl lesen und schreiben beigebracht.
Bis zu Sirius Ausbruch blieb Natasha Teil des Pflegesystems. Kaum war das erste Mal in Amerika zu hören gewesen, dass er geflohen war, hatte sie ihre Sachen gepackt und war spurlos verschwunden. Seitdem hatte sie keine Behörde mehr in Ohio gesehen. Das Gleiche galt auch für Michigan, Indiana, Kentucky, West Virgina und Pennsylvania.
„Sie kann sich nicht für den Rest ihres Lebens verstecken, Welpe. Man wird sie bestimmt bald finden. Die Kriegsnymphenfamilie hat extra über das ehemalige Schloss ihrer Familie ein Zauber gelegt, welcher sie auf Aktivitäten dort hinweist. Irgendwann wird sie dorthin gehen. Es liegen viel zu viele magische Artefakte dort, die für Zeus wichtig sind. Und zu viele Antworten, die Natasha mit Sicherheit interessieren. Voldemort ist während des ersten Krieges nicht an die Artefakte herangekommen. Die Schutzzauber waren zu gut. Aber ich bin mir sicher, deine Natasha wird irgendwann nachgucken, ob noch alles in Ordnung ist. Habe ein wenig Geduld, mein kleiner Welpe." Mir wurde ein Kuss auf die Schläfe gedrückt, weshalb ich leise seufzte. Geduld gehörte mit Sicherheit nicht zu meinen Stärken, vor allem wenn es darum ging, meine kleine Schwester wieder zu sehen.
„Ich weiß, es ist schwer, sich bei so etwas zu gedulden, aber wir haben leider keine andere Möglichkeit. Ich wünschte, ich könnte deine kleine Natasha einfach herzaubern, aber ich kann es nicht." Ich merkte, wie sich erneut Tränen über meine Wangen den Weg bahnten. Niemand konnte mir meine kleine Natasha einfach wieder geben. Höchstens Ares, doch dieser hatte mir mehrmals versichert, dass er mir wirklich nicht sagen konnte, wo die Gewitternymphe steckte. Daher glaubte ich ihm mittlerweile, dass er es wirklich nicht wusste.
Doch auch wenn ich mittlerweile Ares glaubte, er wäre genau so unwissend wie ich, machte es das Ganze für mich nicht einfacher. Ich vermisste meine kleine Natasha schrecklich. Gerade heute an ihrem Geburtstag war es besonders schlimm.
„Sirius, ich habe es mir anders überlegt. Ich will doch nicht zum Weihnachtsball, sondern lieber bei euch bleiben. Ich will heute nicht alleine sein", schniefte ich in das T-Shirt meines leiblichen Vaters.
„Du wirst nicht alleine sein", hörte ich Marlon hinter mir, weshalb ich erschrocken zu ihm herumwirbelte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er aufgewacht war.
„Ich bin es nur, Welpe", meinte der Aufgewachte belustigt, bevor er anfing, mir die Tränen vom Gesicht zu wischen. Dabei schenkte er mir wie immer ein freundliches aufmunterndes Lächeln.
„Ich will bei euch bleiben, bitte", wiederholte ich meinen Wunsch. Die letzten Jahre hatte ich mich immer alleine in irgendeiner Ecke verkrochen und hatte darauf gewartet, dass alles vorbeiging. Heute mal ausnahmsweise jemanden zu haben, der mich trösten konnte, nahm mir doch eine große Last von den Schultern. In ein paar Stunden auf dem Weihnachtsball gute Miene zum bösen Spiel zu machen ging mir für den heutigen Tag allerdings doch ein wenig weit.
„Wenn du wirklich nicht zum Ball willst, musst du natürlich nicht, Welpe. Aber Marlon und ich, wir wollen beide nicht, dass du nicht zum Ball gehst, weil du wegen Natasha traurig bist. Du musst dein Leben weiterleben, kleiner Welpe. Glaube einen von deinen zwei alten Herrn, der es viel zu lange Zeit leider nicht geschafft hatte." Ich seufzte leise. Natürlich hatte mein Onkel recht. Ich musste mein Leben weiterleben. Das tat ich momentan definitiv nicht, vor allem wenn bedachte, wie oft ich überlegte, alles über den Haufen zu werfen, nur um meine kleine Schwester zu suchen.
„Zum Glück hast du noch ein wenig Zeit, um dich noch fünf Mal oder öfter umzuentscheiden", versprach mir Marlon.
„Du darfst dich natürlich auch weniger oft umentscheiden", fügte Sirius noch hinzu. Ich gab erneut ein leises Seufzen von mir. Eigentlich wollte ich mich kein einziges Mal umentscheiden.
„Wo wir jetzt die Umentscheidungsmöglichkeiten besprochen haben, wie wäre es mit Frühstück? Ich habe jedenfalls hunger", schlug Marlon vor. Ich seufzte erneut leise. Eigentlich wollte ich nur sehr ungern aus meinem schönen, warmen und gemütlichen Bett steigen, nur um mich an einen vollbesetzten Frühstückstisch zu setzen.
„Hast du auch hunger, Sirius?", fragte ich in der Hoffnung, wenigstens mein leiblicher Vater würde bei mir bleiben. Ich wollte nur sehr ungern alleine im Bett zurückbleiben und wieder meine Trauer um meine kleine Schwester nur mit mir selbst ausmachen.
„Wie wäre es mit Frühstück im Bett? Ich besorge uns etwas zu essen und komme dann wieder. Wie wäre das, mein kleiner Welpe?", fragte mich Marlon vorsichtig, weshalb ich dankbar nickte.
„Das fände ich sehr schön", gab ich zu, weshalb mein Onkel anfing zu grinsen.
„Ich bin gleich wieder bei euch beiden. Sirius wird dich so lange ordentlich Durchknuddeln und trösten. Und wenn ich wieder da bin, kriegst du dein Lieblingsfrühstück." Mir wurde noch ein Kuss auf die Schläfe gedrückt, bevor sich mein Onkel aus dem Bett begab.

Hexagramm - HundewacheWhere stories live. Discover now