Alltag

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„Marlene, beeil dich!", rief Ava aus dem Flur und ich zog schnell noch meine zweite Socke an. Es war Mitte März und ein Montagmorgen. Wie immer herrschte Hektik im Heim, denn in ein paar Minuten mussten wir los zur Schule. Ava, Ben und die anderen Älteren begleiteten uns bis zur Grundschule und gingen von dort dann weiter zu ihrer Schule.

„Ich komme ja schon!", schrie ich zurück und schnappte meinen Ranzen von Stuhl. Unten gab Johanna mir mein Pausenbrot und dann machten wir uns auch schon auf den Weg. Es war wärmer geworden die letzten Tage und ich trug schon meine Frühlingsjacke. Maja und ich sprangen zusammen über die Pfützen, die sich letzte Nacht gebildet hatten und verabschiedeten uns an unserer Schule angekommen von den Anderen.

„Johanna holt euch nach der vierten Stunde ab, ja? Und du Liana wirst von uns nach der sechsten Stunde abgeholt, okay?" Wir nickten und verschwanden dann auf dem Schulgelände. Liana war die Älteste von uns Grundschulkindern, sie ging schon in die vierte Klasse und hatte jeden Montag sechs Stunden. Sechs Stunden! Ich konnte ja schon nach vier Stunden fast nicht mehr. Aber vielleicht gewöhnte man da sich auch dran. Vielleicht. Wie immer startete mein Montag mit Mathe und ich konzentrierte mich sehr, denn Mathe fiel mir ziemlich schwer. Wir lernten momentan das kleine Einmaleins, aber die Achterreihe fiel mir noch sehr schwer. Hoffentlich musste ich sie heute nicht vortragen.

Natürlich hatte ich sie vortragen müssen. Und als ich vor der Klasse stand konnte ich mich plötzlich an gar nichts mehr erinnern und meine Mathelehrerin war überhaupt nicht zufrieden. Sie hatte eine Nachricht in mein Hausaufgabenheft an Johanna geschrieben, dass sie das kleine Einmaleins mehr mit mir üben sollte und ich hatte ein bisschen Sorge vor Johannas Reaktion. Deshalb trottete ich ein bisschen nachdenklich neben Maja nachhause und wunderte mich, dass wir so schnell da waren. Sonst kam mir der Weg immer viel länger vor. Als Johanna uns die Tür öffnete und wir uns auszogen, zeigte ich ihr sofort mein Heft. Dann hatte ich es wenigstens hinter mir. Meine Erzieherin sah nachdenklich auf den Eintrag und dann zu mir.

„Musstest du heute vortragen, hm?" Ich nickte und sah verlegen zu Boden.

„Ich stand vorne und plötzlich konnte ich mich an gar nichts mehr erinnern. Und dann haben alle gelacht und Frau Miller war überhaupt nicht glücklich.", erklärte ich leise und Johanna umarmte mich.

„Du hattest ein Black-Out, das ist gar nicht schlimm. Das kann jedem mal passieren. Wir üben das Einmaleins einfach noch ein bisschen und dann passiert das auch nicht mehr, okay?" Ich nickte ein bisschen beruhigter und Johanna lächelte.

„Ich habe auch noch eine gute Nachricht für dich." Ich sah sie fragend an und sie gab mir ihr Handy. E-Mail von L. Meyer-Landrut las ich auf dem Display und strahlte.

„Lena hat geschrieben?" Johanna nickte und ich öffnete gespannt die Mail.

Liebe Marlene,

ich hoffe, es geht dir gut und du freust dich auf das Finale! Damit wir zusammen zwei Songs für dich heraussuchen können, würde ich gerne einen Videoanruf mit dir machen. Dann kannst du schonmal ein bisschen den Text lernen und wir sehen uns bald in Berlin, damit wir zusammen üben können. Schreib mir doch zurück, wann du Zeit hast.

Alles Liebe

Lena

Ich strahlte noch ein bisschen mehr. Ich würde Lena wiedersehen! Zwar nur über den Bildschirm, aber trotzdem. Zusammen mit Johanna verfasste ich eine Antwort und dann ging ich auf mein Zimmer, um meine Hausaufgaben zu machen, bis es Mittagessen gab.

Zwei Tage später war es dann soweit. Ich saß vor Evas Laptop und wartete gespannt auf Lenas Anruf. Als es klingelte, drückte ich schnell auf den grünen Kreis und dann erschien Lenas Gesicht auf dem Bildschirm.

„Hey Lene!" Ich grinste.

„Hey Lena!" Sie grinste zurück und fragte mich ein bisschen über die Schule und meinen Alltag aus. Ich erzählte von meiner Mathestunde und von dem Ausflug, den wir letztes Wochenende mit dem Heim unternommen hatten. Im Gegenzug erzählte sie mir, dass sie viel im Studio war und an Songs arbeitete. Dann kamen wir auf The Voice zu sprechen und ich setzte mich gerader hin.

„Hast du denn schon eine Idee, welchen Song du auf jeden Fall singen möchtest und welchen vielleicht?" Ich schüttelte den Kopf.

„Ich habe gestern und heute schon darüber nachgedacht, aber ich habe keinen konkreten wir bei den Blinds zum Beispiel. Ich hätte nur viele Ideen."

„Ideen sind immer gut." Lena lächelte und fügte dann hinzu:

„Ich hätte auch ein paar Ideen, welche Songs ganz gut zu dir passen würden. Magst du die Liste haben?" Ich nickte eifrig und Lena sendete sie mir. Ich öffnete das Dokument nach ein paar Schwierigkeiten auf dem Laptop und sah durch die Songs. Blinde Passagiere von Johannes Oerding, You say von Lauren Daigle, Still von Jupiter Jones und Die in your arms von Nico Santos ... Ein paar der Songs kannte ich, ein paar waren mir nicht geläufig. Mir fiel jedoch auf, dass Lena ziemlich viele deutsche Songs in ihre Liste gepackt hatte und ich fragte sie danach.

„Ich denke, du könntest sehr gut einen deutschen Song im Halbfinale singen, aber das musst du selbst entscheiden. Überleg dir, womit du dich am wohlsten fühlst." Ich dachte einen Moment nach und sagte dann:

„Ich glaube, ich kann einen deutschen Song singen. Das ist mal was Anderes." Lena nickte zufrieden und dann diskutierten wir über die genauere Songauswahl. Nach einer halben Stunde hatten wir uns auf Still von Jupiter Jones fürs Halbfinale und als eventuellen Song fürs Finale Die in your arms von Nico Santos geeignet.

„Bist du komplett zufrieden?" Lena sah mich an und ich nickte überzeugt. Ich mochte die Songs und ich glaubte, dass sie gut zu mir passten.

„Prima! Dann schicke ich dir die Songtexte und du kannst schon mal ein wenig üben. Auf unseren Teamsong einigen wir uns dann, wenn wir wieder in Berlin sind. Bei Fragen schreibst du mir einfach und ansonsten sehen wir uns ja in zwei Woche auch schon hier wieder. Okay?" Ich nickte und lächelte. Nur noch zwei Wochen. 

Wie ihr merkt, nähern wir uns langsam dem Ende von The Voice Kids und damit auch dieser Geschichte. Kann es selbst noch gar nicht richtig glauben... :(

Auf einmal dreht die Welt sich weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt