6. 🌻

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Früh morgens um sechs aufzustehen ist oft eine einzige Tortur. Man muss sich mit aller Kraft aus dem Bett zwingen, damit man sich einen Kaffee machen kann, der wenigstens halbwegs die Lebensgeister erweckt.

Und dann, wenn man es grad so schafft, wach zu bleiben, soll man sich auch noch umziehen und joggen gehen. Zumindest sieht das mein Wochenplan vor. Jeden einzelnen Donnerstag frage ich mich, wieso um Himmel Willen mein Vergangenheits-Ich unbedingt sportlich sein wollte und Joggen auf den Wochenplan geschrieben hat.

Natürlich verspüre ich in mir immer noch den kleinen Vorsatz, sportlicher zu werden, aber der Wunsch nach Schlaf drängt sich gerade deutlich in den Vordergrund.
Zumal ich die letzten Tage auch nicht gut und genügend geschlafen habe.

Vorsichtig nippe ich an meinem Kaffee – zwei Würfel Zucker und ein Drittel Milch, sonst krieg ich das Gebräu nicht runter –, um zu testen, ob er schon kalt genug ist, um getrunken zu werden.

Das ist so ein Problem mit meiner Kaffeemaschine, der Kaffee kommt immer viel zu heiß raus.
Vor allem im Sommer ist das ätzend.

Das einzige, was meine Kaffeemaschine sonst kann, ist heißes Wasser ausspucken. Für Tee und Kaffee ist also gesorgt, will ich etwas exklusiveres, muss ich in ein Café oder so gehen. Oder in die Mensa auf dem Collegegelände, allerding ist da die Qualität des Essens im Allgemeinen nicht besonders hoch. Dafür kostet es mit der Studentenkarte praktisch nichts.

Mein Blick wandert aus dem Fenster. Ein Grund für meinen heutigen Schlafmangel ist, dass ich gestern später nach Hause kam als erwartet. Zu lang habe ich noch mit Julian, dem netten Kassierer getratscht. Überraschender Weise konnte er immer noch gut laufen, nachdem ihm dieser Wagen seinen Fuß zerquetscht hat.

Er hat mir erklärt, dass er selbst Schuld an dem Unfall war, weil er wild zu einem imaginären Song getanzt hat. Es klingt absolut verrückt, aber irgendwie auch... niedlich nerdig.

Ich habe ihm dann noch geholfen, die Schweinerei an Joghurt aufzuräumen und dafür zu sorgen, dass der Laden wieder wie vor dem Unfall aussieht. Dafür hat er mir mit meinem Einkauf geholfen.

Bei dem Gedanken an den netten Kassierer stiehlt sich trotz Müdigkeit ein Lächeln auf mein Gesicht. Er ist wirklich sympathisch, und lustig. Und sieht gar nicht so schlecht aus.

Mit einem entschiedenen Kopfschütteln wende ich meinen Blick wieder vom Fenster ab. Keine Jungs, auch wenn sie noch so nett sind. Weder den bescheuerten Möchtegern-Adonis von da drüben, noch den absolut netten Julian.

Was zählt, ist mein Studium.
Mit dem kann ich später in meinem Leben immerhin was anfangen. Mit irgendwelchen männlichen Wesen eher wenig.

Der Kaffee ist immer noch viel zu heiß für meine empfindliche Zunge, als ich an ihm nippe und dabei auf die Uhr schaue. Es ist halb sieben. Ich habe also noch eine halbe Stunde, um den Kaffee entweder in meinen Körper oder in die Spüle zu kippen, mich fertig zu machen und mir eine Playlist für heute rauszusuchen.

Eine halbe Stunde und sechsundvierzig Sekunden später stehe ich fertig in Sportkleidung vor der Tür und kontrolliere noch einmal, ob ich alles habe. Schlüssel, Handy, Kopfhörer und einen Ersatzhaargummi, falls mein jetziger platzen sollte – etwas, das meine Haargummis regelmäßig mit einer gehässigen Freude tun.

Ich habe das dicke Haar von Dad geerbt, dafür ist die Farbe von meiner Mutter. Besonders im Sommer ist dieses dicke Haar nervig, aber Haare an sich sind im Sommer nervig, also bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich an der Dicke oder Fülle liegt.

Draußen weht eine leichte Sommerbrise – wie mir das geöffnete Schlafzimmerfenster verraten hat – und ich bin froh, ein dünnes, aber langärmliges Shirt anstatt eines Tops gewählt zu haben. Meines Erachtens nach ist es sowieso noch zu früh, schon im T-Shirt morgens um sieben vor die Tür zu treten. Der Frühling hängt noch vereinzelt in der Luft, und der Sommer vertreibt ihn nur langsam. Morgens um sieben zwitschern zwar schon die Vögel um die Wette, aber die Sonne hat noch nicht genug Kraft, um die Luft mit genug Wärme zu füllen. Lieber schwitze ich daher etwas mehr, anstatt mit einer Erkältung im Bett zu landen.

𝐒𝐨𝐧𝐧𝐞𝐧𝐛𝐥𝐮𝐦𝐞𝐧 & 𝐖𝐞𝐢𝐝𝐞𝐧𝐤𝐚𝐭𝐳𝐜𝐡𝐞𝐧Onde histórias criam vida. Descubra agora