19. Kapitel📚

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Wir sprechen kein Wort und halten nur ab und zu kurz inne, wenn wir glauben, es könnte sich jemand in der Nähe befinden.

Als wir eine Dreiviertelstunde gegangen sind, traue ich mich erneut zu fragen: „Warum bist du so weit auf unser Gebiet gekommen?"

Eliya bleibt stumm und schreitet weiter, aber er zieht mich immer noch an der Hand hinter sich her. Dann sagt er, ohne sich umzudrehen: „Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich dich beleidigt habe. Ich wollte mich bei dir entschuldigen, aber du bist nie mehr an der Grenze aufgetaucht."

Nun dreht er den Kopf und lächelt. „Also hab mich kurzerhand auf den Weg gemacht, dich zu suchen."

„Und was sollte das mit dem Messer? Warum hast du mich deswegen angelogen?"

Eliya bleibt kurz stehen und sieht mich mit unergründlichem Blick an. Er tritt ganz nah an mein Gesicht und fragt leise: „Kannst du dir das denn nicht denken, kleines Satarimädchen?"

Ich spüre, wie mein Herz wild anfängt zu pochen. Ich weiß nicht, was ich darauf entgegnen soll und mein Mund wird ganz trocken. Eliya betrachtet mich noch einen Moment mit geheimnisvollen Augen und sagt dann, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt: „Ich wollte dich wiedersehen."

Damit nimmt er mich abermals bei der Hand und wir gehen schweigend weiter.

Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Dann ist es also wahr! Es waren keine Hirngespinste, als ich dachte, er hätte nach mir gesucht! Ein wunderbares Glücksgefühl durchströmt meinen Körper und mein Bauch kribbelt mehr als je zuvor. Während der nächsten paar Minuten sagt keiner von uns ein Wort. Dann will Eliya unvermittelt wissen: „Dieser andere Vampir, mit welchem du vor ein paar Tagen im Wald warst, keiner deiner Brüder. Ist das dein Freund?"

Ich weiß zuerst nicht, wen er meint, dann fällt es mir ein. Er scheint von Samyr zu sprechen.

„Samyr meinst du? Den in der Wächterkluft?"

„Ja, genau den meine ich."

Ich lache. „Nein, Samyr ist bestimmt nicht mein Freund. Wie kommst du denn darauf?"

Eliyas Gesichtsausdruck ist nicht zu deuten.

„Es hat auf mich irgendwie den Eindruck gemacht. Oder zumindest er hat diesen Eindruck vermittelt. Wie er sich dir gegenüber verhalten hat. Wie er dich angeschaut hat. Und wie er sich dann vor dir aufgespielt hat, als mein Schrei zu hören war. Ich wollte euch eigentlich nur ein wenig erschrecken, aber der ist ja gleich total ausgeflippt."

Verächtlich verzieht er den Mund. Ist er etwa eifersüchtig? Ein kurzes Glücksgefühl steigt in mir auf und ich unterdrücke ein Lächeln.

„Nun ja ... Es ist möglich, dass er gerne mein Freund wäre." Als Eliya mich mit einem schiefen Blick ansieht, füge ich hinzu: „Aber ich möchte nicht, dass er mein Freund ist."

Er nickt stumm, sieht jedoch zufriedener aus als zuvor.

Nach ein paar weiteren Schritten bleibt er endlich stehen und verkündet: „So, da wären wir!"

Verwirrt sehe ich mich um. Wir befinden uns immer noch mitten im Wald und ich kann nichts Außergewöhnliches entdecken. Da schiebt Eliya ein paar Äste vor meinen Augen beiseite. Vor uns versteckt zwischen den Büschen liegt eine Art Friedhof. In der Mitte befindet sich etwas, das aussieht wie ein großer, steinerner Altar und rundherum stehen alte, heruntergekommene Gräber. Ganz hinten auf dem Hof steht eine Gruft. Auch sie ist schon ein wenig heruntergekommen, hat dadurch aber nur wenig von ihrer imposanten Wirkung eingebüßt. Sie ist von oben bis unten mit schnörkelhaften Verzierungen versehen, von welchen die meisten noch zu erkennen sind. Das ist es, was Eliya mir zeigen wollte? Etwas enttäuscht lasse ich die Schultern sinken.

Ein Friedhof, wie romantisch.

„Und?", fragt Eliya gespannt auf meine Reaktion.

„Ähm ...", entgegne ich zögerlich, „ich weiß nicht, was ich sagen soll."

„Dachte ich mir schon, dass du nichts hiervon weißt." Er amüsiert sich köstlich über meine Unwissenheit und seine Überheblichkeit ist wieder zurück.

„Was du hier vor dir hast", fährt er fort, „ist neutrales Gebiet."

Ich sehe ihn verblüfft an. „Neutrales Gebiet? Was soll das heißen?"

„Das soll heißen, dass wir uns hier weder auf Satari- noch auf Vulparigebiet befinden. Hier kannst weder du mir noch ich dir etwas zuleide tun. Neutrales Gebiet eben." Er sieht mich verschmitzt an.

Ich kann fast nicht glauben, was er da erzählt. Wie kann es sein, dass ich noch nie davon gehört habe, dass es so etwas wie neutrales Gebiet überhaupt gibt?

Wieder scheint er meine Gedanken zu lesen und erklärt weiter: „Diesen Ort kennen nicht viele Vampire, weder unter den Vulpari, noch unter den Satari. Er diente damals nach der großen Spaltung als Verhandlungsplatz, um Unstimmigkeiten auf neutralem Boden zu besprechen. Es gab zu dieser Zeit noch einige Gebietskämpfe und man brauchte einen Ort, an dem diplomatisch verhandelt werden konnte. Man einigte sich auf diesen Platz, der genau in der Mitte zwischen der Satariburg und der unterirdischen Vulparistadt liegt. Zum Zeichen dafür, dass der Ort beiden Vampirclans auf gewisse Weise heilig sein und nicht durch Blutvergießen entweiht werden sollte, legte man die beiden Leichname von König Achytos I. und Yvan von Vulpari hier in der Gruft ab. Es sollte die Clans daran erinnern, dass die beiden ehemaligen Anführer nicht umsonst gestorben waren. Immer, wenn in Gebietskämpfen ein weiterer Vampir getötet worden ist, hat man ihn hier begraben. Wie du siehst, hat es glücklicherweise fast keine frischen Gräber. Ich hoffe, dass ich mir mit meinen Gebietsübertritten nicht mein eigenes Grab geschaufelt habe."

Er lächelt unsicher und sieht mich an. Dann schieben wir uns durch die Büsche und betreten das neutrale Land. Es ist ein seltsames Gefühl. Bisher hat in meinem Kopf die strikte Trennung von hier und dort geherrscht. Jetzt befinde ich mich auf einmal an einem Ort, der weder noch ist. Ein Gefühl des luftleeren Raumes hängt über dem ganzen Platz. Es ist jedoch nicht unangenehm. Im Gegenteil. Obwohl dies ein Friedhof ist, herrscht eine friedliche Atmosphäre. Eliya geht auf die Gruft zu und deutet mir an, ihm zu folgen.

 Eliya geht auf die Gruft zu und deutet mir an, ihm zu folgen

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Ayla - Unsterbliche Liebe |abgeschlossen 📓 (Leseprobe)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora