▪︎ Kapitel Vier ▪︎

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Rückblick


Juni 1940

Ich blickte durch das Fenster hinab auf die Straßen von Paris. Massen an Menschen bahnten sich einen Weg raus aus der Stadt. Männer, Frauen und Kinder. Alle wollten fort. Denn am gestrigen Tag, hatten wir alle Bekanntschaft mit der bitteren Realität des Krieges geschlossen.

Ein Luftstoß ließ mein dunkles Haar wehen. Von hier oben sahen die Flüchtetenden alle so winzig klein aus. Sie waren bereit dazu alles hinter sich zulassen, obwohl sie hier ein Leben hatten. Keiner verlässt gerne seine geliebte Heimat und doch taten sie es, denn ihnen blieb keine andere Wahl.

,,Wir haben Kinder! Hier können wir ihnen keinen Schutz bieten!" , Mutters Worte ertönten gedämpft aus ihrem Schlafzimmer.

Am vorherigen Tag fielen Deutsche Bomben über Paris.

,,Wir haben uns hier ein Leben aufgebaut!" , erwiderte Vater.

Der Alarm begann kurz nach ein Uhr, ich fragte mich ob es vielleicht doch nur eine Übung war, aber als heftige Explosionen zu hören waren, erhielt ich meine unschöne Antwort.

,,Der Krieg wird schon vorüber gehen, wir werden zurück kehren. Ich möchte nicht unser aller Leben riskieren nur weil du denkst unser Geschäft wäre wichtiger!"

Ich weiß bis heute nicht wie viele Zivilisten bei dem Angriff starben.

Schon seit Anbruch des Tages führten meine Eltern eine hitzige Diskussion. Mutter kämpfte erbittert um ihre Meinung durchzusetzen, sie wollte am liebsten, wie viele andere, ihre Sachen packen und mit uns aus der Stadt flüchten. Sie schlug vor bis der Krieg vorüber ist auf dem Land zu verweilen. Ihre Eltern hätten uns Unterschlupf bieten können, denn dort wo sie lebten war der Krieg noch in weiter Ferne.

,,Warte doch erst einmal ab wie sich die Lage entwickelt! Wie verlangst du von uns nur wegen einem einzigen Angriff unser Zuhause zu verlassen?!"

Vater hingegen hielt es für das beste weiterhin in Paris zu bleiben, er wollte nicht alles aufgeben was er mit seiner Frau erreicht hatte, ihm war es das Risiko, ernsthaft geschadet zu werden, wohl Wert. Da er bereits in diesem Jahr sechzig wurde, war er von der Dienstpflicht als Soldat befreit.

Mutter stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Noch einmal glitt mein Blick über die überfüllten Straßen, ehe ich das Fenster schloss und mich ins Wohnzimmer begab. Dort saß sie, ich schaute ihr stumm zu. Ihr Gesicht war in ihren Händen vergruben, scheinbar rang Mutter um ihre Fassung. Schnell bemerkte sie mich als ich den Raum betrat, ein aufmunterndes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, sie streckte die Arme nach mir aus ,,Komm her Kleines" Ich zögerte nicht lange und setzte mich zu ihr auf das Sofa. Mütterlich nahm sie mich in den Arm, gefolgt von vielen ihrer sanften Küsschen auf die Wange, ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus...


Wir gingen nicht fort, wir blieben. Ich weiß nicht was ich damals an Mutter und Vaters Stelle getan hätte, letztenendes jedoch, war es die richtige Entscheidung gewesen zu bleiben.

Rückblick Ende

Dösig blickte ich auf, als jemand an meiner Zimmertür klopfte.
,,Herein" , meine Stimme klang verschlafen, obendrein war mein Hals staubtrocken. Anais trat ein, benommen blickten meine schläfrigen Augen sie an. ,,Maman hat gesagt du sollst runter kommen. In den Keller. Sie braucht dich für etwas." , ihre Hand lag noch auf der Türklinke und sie zappelte ungeduldig rum, als hätte sie noch was wichtiges vor.

Ein Häufchen Elend Where stories live. Discover now