▪︎ Kapitel Acht ▪︎

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Sie kamen herein, nahmen die Leiche und ihre Leute mit und gingen wieder hinaus. Das angerichtete Chaos ließen sie hinter sich.

Nur ein höher stehender Offizier und ein Mann in Anzug blieben noch. Er griff in die Innentasche seiner Uniform. Kurz kramte er einen Augenblick herum, dann wurde ein Zigarettenetui und ein Bündel Geld hervor gezogen und auf den Blut bespritzten Tisch neben ihm geklatscht.

Die grünen Augen des Offiziers glühten so intensiv in ihrer Farbe, erst recht durch die ausnahmsweise nicht grüne, sondern schwarze Uniform, welche er sich gerade an der Schulter glatt strich. Dabei musterte ich seine Orden und Abzeichen, er müsste im mittleren Alter gewesen sein. Er vermied den Augenkontakt zu Papá oder mir.
Aber nicht auf die zurückhaltende, beschämte Art und Weise, angemessen der Situation, sondern auf die abgehobene, als wären wir ihm keines Blickes würdig.

Der Offizier widmete sich dem Mann im Anzug und sprach auf deutsch. Dann widmete sich der Mann im Anzug zu uns und übersetzte, dass wir niemanden von dem hier erzählen sollen.

Kurz blickte ich zu Vater, dessen Aufmerksamkeit völlig dem Geld galt.
Fast schon besessen starrte er darauf, er schien mit sich selbst ringen zu müssen.

Da er nicht auf das Gesagte reagierte übernahm ich das Reden für uns und meinte stolz, dass wir nicht ihr Geld haben wollen. Dabei widmete ich mich ganz klar dem Offizier zu, welcher sich gerade eine Zigarette anzündete. Als sein Dolmetscher
meine verächtlichen Worte übersetzte, blickte mir der Offizier zum ersten mal direkt in die Augen. Der Qualm verlief ringelartig an seinem Gesicht entlang, bevor es sich dann mit der Luft vermischte.
Sein Blick gleichte dem eines Raubtieres, welches kurz davor war sein nächstes Opfer zu attackieren.

Um ehrlich zu sein schüchterte er mich ein wenig ein, aber dennoch versprach ich mir innerlich bei der Entscheidung zu bleiben.

Noch bevor der Deutsche etwas erwidern konnte, hob Papá die Hand vor mir um zu verdeutlichen, dass ich nichts sagen sollte. ,,Gehen Sie" , übernahm er das Sprechen und nickte zu dem Geldbündel.
"Und nehmen Sie das wieder mit"

Der Offizier nahm seinen Blick von mir und zog dann am glühenden Halm, während der Dolmetscher eifrig übersetzte. Daraufhin seufzte der Mann in Uniform und nahm einen Blick von seiner Armbanduhr.
Während er zu seinem Übersetzter sprach, kam uns all der Zigarettenrauch entgegen.

,,Sie sollen das Geld annehmen und den Forderungen... befolgen... damit man von einem... still- Stillschweigen ihrerseits ausgehen kann."
Diese Forderung klang verdächtig ähnlich wie eine Drohung, ich dachte sogar mir eingebildet zu haben, dass der Dolmetscher uns zweideutige Blicke zu vermitteln versuchte.

Vater schüttelte heftig den Kopf. Ich merkte ihm an, dass er um seine Fassung ringte. ,,Ihre Männer! Ihre Männer sind hier hergekommen!-" , der plötzlich laute Tonfall hatte sogar mich kurz zusammen zucken lassen, doch nachdem Vater sich rasch sammelte, fuhr er seine Lautstärke runter. ,,Ihre Männer kamen in mein Geschäft, haben meine Tochter bedroht und haben sich gegenseitig getötet. Warum!- ...warum werde ich hierfür bestraft oder bedroht!... oder was auch immer sie im Kopf haben."

Als der Dolmetscher noch gehetzt am übersetzen war, um nicht hinterher zu hängen, sprach Vater bereits weiter. ,,Wir werden zwar Stillschweigen, wollen ihr Geld trotzdem nicht. Zum letzten Mal: Nehmen Sie es mit."

Innerlich freute ich mich zwar, dass er die Deutschen so zurechtwies, aber wusste es mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Denn eigentlich wollte ich die ganze Zeit nichts lieber tun, als meinem Vater zu sagen, dass er die Klappe halten soll! Wie oft ging es denn schon gut aus sich den Besatzern zu widersetzen.
Ich weiß, dass auch ich mich einmal den Anweisungen der Deutschen widersetzt habe, aber jetzt erst fällt mir auf wie dumm es war. Ich hätte wirklich mein Leben riskieren können. Und zu sehen, dass Vater dasselbe tat, nur irgendwie um ein vielfaches schlimmer, weckte in mir die Angst, dass sie ihn gleich jetzt mitnehmen würden.

Doch als ich Papá in dem Moment betrachtete, gab mir seine aufrechte Haltung, die verschränkten Arme vor der Brust und dass hochgehaltene Kinn irgendwie den Mut die innere Freude gewinnen zu lassen und mich gegen all die Vernunft in meinem Kopf zu sträuben und wusste, dass ich meinem Vater Rückenwind geben musste. Kurzerhand hatte ich den zuvor auf den Tisch gelegten Geldbündel in meiner Hand und streckte sie ihm dem Offizier entgegen. ,,Geht!" , sagte ich mit rasenden Puls und peinlicher Weise zittriger Stimme.

Mich komplett ignorierend nickte er seinem Dolmetscher zu, welcher erst zögerte und mir dann das Geld abnahm.

Standhaft behielt ich meine Position ein und starrte den Mann nieder, der mir nicht in die Augen sah und sich deutlich für etwas besseres hielt.

Als niemand was sagte und der Offizier weiterhin ganz gemütlich an seiner Zigarette zog, nahm dieser seine Offiziersmütze ab und nickte zur Verabschiedung, betont mit einem spöttischen ,,Au revoir"

So schnell sie kamen, so schnell waren sie auch wieder verschwunden.

Vater wandte sich mir zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich fühlte mich in dem Moment großartig und dachte wirklich etwas bewirkt zu haben im Widerstand gegen die Deutschen und dachte nicht einmal mehr an mögliche Konsequenzen. Stattdessen schweiften meine Gedanken zu Nathan. Müsste man sich so in der Résistance fühlen? Anstatt seinen freien Willen aufzugeben, sich zu widersetzen.
Kein Wunder, dass man dieses euphorische Gefühl anstrebte.

Zu meiner Überraschung vernahm ich eine glänzende Nässe auf Vaters Wangen wahr.
Ihm liefen tatsächlich Tränen herunter.

Einen Moment haderte ich zu fragen weshalb er weinte, ließ es dann doch aber sein.
Schlussendlich konnte ich mir die Antwort schon denken.

Ein Häufchen Elend Where stories live. Discover now