8. Kapitel

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Ausdruckslos wandte ich mich an meine Tante.

"Du wusstest noch nichts von James Planänderung, sonst wärst du geblieben. Interessant."

"Nein, nein, so war das nicht. Du hast ein komplett falsches Bild der Geschehnisse. Ich habe euch verlassen, weil ich erfahren habe, dass James zusätzlich noch illegale Geschäfte führen möchte. Und, die Geschichte dauert zu lange, komm rein, dann erzähle ich dir alles."

Während sich ihre Stimme fast vor Emotionen überschlug, hielt ich meine monoton.

"Nein. Ich suche die nächste Unterkunft für die Nacht und das wird nicht bei dir sein. Ich möchte nichts mehr mit Mafias zu tun haben."

Ich schaute sie kurz an und sah Trauer in ihren Augen.

"Ich weiß."

Sie sah mich eindringlich an.

"Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich habe damals das Gleiche durchlebt, ich meine, natürlich nicht so wie du jetzt, aber ich weiß, dass du das jetzt nicht allein durchstehen darfst. Nur diese eine einzige Nacht. Ich verspreche dir, dass du nichts von irgendwelchen Mafias hören wirst."

Redet die immer so viel Schwachsinn?

"Hast du zum Beispiel dein Handy deaktiviert? Ich könnte mir gut vorstellen, dass es abgehört wird. Und außerdem ist das nächste Motel, oder was du dir gedacht hast, nicht wirklich in der Nähe."

Widerwillig sah ich ein, dass sie Recht hatte. Wir waren hier mitten im Nirgendwo und ohne Hilfe anzunehmen, würde ich Stunden brauchen, um zur nächsten Gaststätte zu kommen.

Was mein Handy anging, bin ich zum Glück auf Nummer sicher gegangen und habe es nicht mitgenommen, denn wie ich James kannte, war mein Handy mit mehr als einem Abhörgerät ausgerüstet. Bei meinem Glück wäre ich innerhalb weniger Sekunden geortet worden. 

Ich folgte ihr ins Haus und wurde in die Küche geführt, wo ich mich auf einen Sessel fallen ließ.

Ohne auf die Idee zu kommen mich zu fragen, begann sie mich zu verarzten. Ich wollte sie aufhalten, doch meine Kraftlosigkeit brachte mich fast um.

Mein Blick schweifte durch den Raum. Ein helles Zimmer, mit großen Fenstern, schönen Bildern und einem Tisch mit Eckbank. An der linken Wand befanden sich Küchengeräte, darunter ein Herd und ein Backrohr. Von einem oberen Regal hingen Suppenschöpfer und Pfannenwender. Alles wirkte so normal, doch ich konnte nicht glauben, dass dieser Ort so friedlich war, wie er zu sein schien.

"Also, willst du was trinken?"

Ohne auf mein Kopfschütteln einzugehen, stellte sie mir ein Glas Wasser auf den Tisch.

"Ich war begeistert von der Idee, der Rostovas. Für die Polizei arbeiten, etwas Gutes zu tun," sie lachte kurz auf, "Aber das reichte James nicht. Man sah zu langsam Erfolge, zu wenig Geld. Du musst bedenken, wie groß seine Schulden waren. Ich war entsetzt als ich erfuhr, wie seine zukünftigen Pläne aussehen. Die Pläne meines eigenen Bruders. Damals hat er seine Eileen das letzte Mal gesehen."

Ihr Blick wurde kurz abweisend, doch sie fasste sich schnell wieder.

"Ich wusste nicht was ich tun sollte, verstehst du? Doch als ich am nächsten Morgen deine Mama Lyanna in ihrem Zimmer fand, tot wie du weißt, konnte ich nicht mehr. Sie war meine beste Freundin. Und anstatt auf ihr Kind aufzupassen, was ich hätte tun sollen, bin ich gegangen und hab versprochen kein Wort über die Rostovas zu verraten. Dafür haben sie mich in Ruhe gelassen."

"Ermordet?"

"Ich weiß es nicht. Man hat nur Gift in ihren Adern gefunden."

Warum hat man mir das nie erzählt?

Dankbar für das Schweigen, dass nun den Raum umhüllte, saß ich zusammengesunken im Sessel. In Dauerschleife spielten sich die Ereignisse der letzten 24 Stunden in meinem Gehirn ab. Ich wollte dass es aufhörte, aber sosehr ich mich darauf konzentrierte, desto schlimmer wurde es.

Wie gut ich mich gefühlt hatte, als ich erfuhr, dass ich bei der nächsten Mission dabei war. Wenn ich nur gewusst hätte, was es alles auslösen würde. Die Nervosität. Das Adrenalin. Das Gefühl der Unsterblichkeit. Das Gemeinschaftsgefühl. Die Erleichterung. Die Angst. Die Erkenntnis. Der Schmerz.

Warum kann ich meine Gedanken nicht ausschalten? Löschen, vergessen.

Eileen unterbrach ihr unruhiges mit dem Finger auf den Tisch Geklopfe und forderte mich auf ihr zu folgen.

Sie führte mich in ein kleines Gästezimmer, welches mit hellen Möbeln ausgestattet war, welche farblich gut zur Wand passten. Es war direkt unter dem Dach, sodass sich die Hälfte der Decke schief nach oben streckte. Ein kleines Fenster ließ Licht in den Raum strömen.

"Die Tür rechts von deinem Zimmer führt ins Badezimmer, du darfst es ohne Umstände benutzen. Wenn du etwas brauchst, ich bin unten."

Die Tür fiel fast lautlos ins Schloss und ich setzte mich ins Bett. Ich legte mich auf den Rücken und hielt mir die Faust vor den Mund. Mit der Zeit entspannten sich meine Gelenke wieder und ich drehte mich mit dem Rücken zur Wand. Diese Schlafangewohnheit würde ich nie wegbekommen.

~*~

Eine überraschte Stimme riss mich aus den Träumen.

"DU WARST IMMER NUR HIER WENN DU DICH NICHT AN DEINE ANWEISUNGEN GEHALTEN HAST?"

Die Antwort blieb unverständlich, doch sie schien Eileen nicht zu passen.

"BERUHIGEN? PAH! ES ALS STRAFE ZU NEHMEN, DICH ZU MIR ZU SCHICKEN!"

Irritiert verließ ich mein Zimmer, gerade noch rechtzeitig um ein beschwichtigendes "Alter reg dich ab, ich hab das so eingefädelt. Als ob ich mich bestrafen lasse," zu hören.

Vermutlich Erik.

Ich kramte ein frisches Gewand aus meinem gestern gepackten Rucksack und duschte mich schnell ab. Dann schlich ich mich unbemerkt aus dem Haus.

Nach kurzem Überlegen lief ich einmal entlang des Grundstückes, vorbei an Scheunen und ein paar freilaufenden Tieren, um dann in den angrenzenden Wald abzubiegen.

Nach wenigen Minuten sah ich ein, dass in diesem Wald kein Weg angelegt war.

Wurzeln und Gestrüpp bedeckten den Boden. Mehrmals stolperte ich fast, aber ich verlangsamte mein Tempo nicht.

Ich fühlte mich gut. Sehr gut.

Cataleya, erkläre mir, warum dein Dad unsere gefangenen Mitglieder gegen Geld wieder freilässt.

Meine Faust traf einen Baum. Schlug gegen einen anderen. Hinterließ leichte Blutspuren auf der rauen Rinde.

Es sollte aufhören. Einfach aufhören.

Mein Herz raste und ich blieb kurz stehen, um mich zu beruhigen.

Es hilft nichts mehr.

Überrascht bemerkte ich ein leises Wasserrauschen.

Darauf fixiert, folgte ich dem Geräusch, welches immer lauter wurde. Fündig wurde ich nicht.

Ratlos, umgeben von Bäumen, entschied ich mich wieder umzudrehen.

Das Klingeln der Glocke schallte durch das Haus und ein Mann knappe vierzig öffnete mir die Tür. Sein Kopf stieß fast am oberen Türrahmen an und seine Finger strichen über seinen Vollbart.

"Wir erwarten keinen Besuch."

Eileen trat hinter ihm hervor und räusperte sich streng, worauf er eine Entschuldigung hinterherschob.

Sie wandte sich an mich. "Tut mir leid für diesen Empfang, dass ist Mathias mein Mann. Oder Freund, verheiratet sind wir noch nicht."

"Noch?", brummte Mathias. 

"Cataleya, hilf mir doch mal bitte."

Ich folgte ihr.

It's a SecretWhere stories live. Discover now