38. Kapitel

14 4 0
                                    

Besorgt beobachtete mich Erik, als ich aus dem Badezimmer kam. Ich wusste, dass meine Augen vom Weinen gerötet waren und ich immer noch leicht zitterte, aber ich fühlte mich nicht danach mit einem Serienkiller über meine Gefühle zu reden.

Als ob du nicht selbst eine Serienmörderin wärst. Zwei Morde reichen.

Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten und all meine Gedanken verbannen, dabei hatte ich durch meine Tat Eriks Leben gerettet. Ich bezweifelte stark, dass er meine Abscheu gegenüber dem Töten verstand, besonders da zwei Personen nicht vergleichbar waren, mit der Anzahl die Erik inzwischen erreicht haben musste.

Ich nahm ihm die Pizza entgegen und begann schweigsam diese zu essen. Sie schmeckte köstlich, doch das konnte meine Stimmung nicht heben.

„Hast du die Papiere noch?", fragte Erik und ich nickte.

„Bist du einverstanden damit, wenn wir sie morgen durchgehen?"

„Sicher" antwortete Erik und zögerte, bevor er sich räusperte.

„Damit das jetzt nicht zwischen uns steht, ich wollte nicht so unfreundlich zu dir sein, und behaupten, dass du unprofessionell arbeiten würdest."

Erstaunt sah ich ihn an, damit hatte ich im Moment nicht gerechnet. Aber er hatte Recht, wir sollten uns aussprechen. Vor allem da er nicht wusste, warum ich so abweisend ihm gegenüber war.

„Du hattest schon Recht. Ich habe mich Anfangs unprofessionell verhalten, auch später während dem Kampf hatte ich auf einmal laute Erinnerungen an meine Kindheit, das war nicht gerade der beste Zeitpunkt."

„Echt? Das hat man dir echt nicht angemerkt. Hauptsache ich bekomme mitten in der Verfolgung eine Panikattacke. Ich bin eindeutig derjenige, der an seiner nervlichen Verfassung arbeiten muss. Danke, dass du mir geholfen hast, obwohl du dadurch dein Leben riskiert hast." Frustriert lachte Erik und schüttelte anschließend den Kopf.

Ihm beschäftige der heutige Tag doch mehr, als ich angenommen hatte.

Ich glaube, ich habe dir heute sehr viele Nerven gekostet", antwortete ich ihm und meinte dabei jedes Wort das ich sagte, „da kann man schon einmal die Nerven verlieren."

Erik nahm meine Hand und meinte: „Danke. Und es tut mir leid."

„Braucht es ehrlich nicht."

„Und danke, dass du mein Leben gerettet hast", fügte ich hinzu.

„Danke dir auch", meinte er lächelnd.

Ich merkte, wie sehr ich diese Version von ihm mochte. Das Bild, das ich von ihm hatte, bevor es von seinem Nachnahmen zerstört wurde.

Davor mochtest du ihn nicht, weil er zu den Guerras gehört.

Aber meine Tante gehörte auch zu der Mafia und ihr hatte ich es schon seit langem verziehen.

Als Erik ins Bad ging, stapelte ich die Teller und wischte den Tisch mit einem Taschentuch sauber. Hauptsache nicht denken. Ich war in einem der teuersten Hotels Rom, das sollte ich genießen.

Im Moment war es unwichtig, dass die Polizei mich für eine Terroristin hielt, oder dass die Lóngs weitergezogen waren und wir unseren Anhaltspunkt verloren hatten. Jetzt konnte ich nichts dagegen machen und sollte dementsprechend keine Energie mit unnötigen Gedanken verschwenden.

Das Zimmer war richtig hübsch und duftete leicht nach den weißen Lilien, die am Tisch standen. In der Mitte des Raumes stand das Bett und ich setzte mich probeweise hinein. Seufzend entspannte ich meinen Körper, diese Matratze war der Wahnsinn.

Schlaf war wichtig, um Geschehnisse zu verarbeiten und dafür, dass ich schon fast zwei Tage wach war, hatte ich zu viel erlebt. Doch es war ausgeschlossen, dass ich neben Erik schlief, es ging einfach nicht. Aber das musste ich auch nicht. Der Teppich war so weich, dass ich darauf bestimmt bequem schlafen konnte, vor allem so müde wie ich war. Augenblicklich fühlte ich mich besser.

„Auf keinen Fall", meinte Erik, als ich ihn meinen heutigen Schlafplatz mitteilte.

„Dann haben wir mehr Platz", meinte ich. „Du hast ja Klaustrophobie."

„Cat, das Bett ist riesig, darin bekommt man keine Platzangst."

Ich schaute ihm schief an und checkte ihn unauffällig ab. Er trug nun eine dunkelgraue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt. Eine Kombi, die ihm besser passte als gedacht. Am Arm trug er einen Verband, vermutlich eine Stichwunde.

Wieso schaut er so heiß aus?

„Wie geht es deiner Verletzung?", fragte ich und deutete auf seinen Bauch.

„Die Naht ist wieder aufgegangen, aber ich habe alle Salben und Medikamente mit, die ich brauche, damit sich nichts entzündet."

Ich nickte.

„Und jetzt hör auf dir Sorgen, um mich zu machen und komm ins Bett. Es ist wirklich genug Platz Cara Mia."

Den Kosenamen sagte er mit übertrieben süßlicher Stimme und er lachte, als er meinen Gesichtsausdruck sah.

„Aber warte, nicht mit dem Gewand! Ich kann dir etwas von mir geben."

Ich wollte mich durchsetzen, mich einfach auf den Boden legen und schlafen, doch irgendwas hielt mich davon ab genau das zu machen. Stattdessen lag ich in seiner Kleidung neben ihm, mit dem Rücken zur Wand, weil ich sonst nicht schlafen konnte und müsste nur die Augen öffnen, um zu sehen, wie nah er mir war.

Langsam wurde ich ruhiger und meine Glieder wurden schwer, als ich plötzlich die vielen Berührungen der heutigen Menschenmasse auf mich spürte. Dann fühlte ich Eriks Umarmung aus dem Kolosseum und es vermischte sich mit unzähligen anderen Berührungen, bis mir der Schweiß von der Stirn rann und ich mich mit rasendem Herzen aufsetzte.

„Ich komm bald wieder", flüsterte ich Erik zu, der mich verschlafen anschaute.

Ich war so müde, dass es weh tat die Augen offen zu halten, doch es wurde leichter, als ich auf den Balkon trat und mich die kühle Winterluft umhüllte.

Die Aussicht war atemberaubend. Tausende von Lichtern spiegelten sich im Tiber wie ein gefallener Sternenhimmel und die vorbeiziehenden Lichter der Autos ließen mich ruhiger werden. Schläfrig setzte ich mich auf den kalten Boden und lauschte den Geräuschen in der Ferne.

Ich wusste nicht, wie lange ich hier saß, umgeben von leisem Lärm und einem Meer aus gefallenen Sternen, aber irgendwann wurde mir eine Decke umgelegt.

„Sogar das Kolosseum wirkt von hier aus schön", meinte Erik und setzte sich neben mich.

„Hätte ich gewusst, dass es wirklich so schlimm ist für dich neben mir zu liegen, wäre ich von Anfang an am Teppich gelegen."

Erstaunt schaute ich zu ihm und gab ihn einen Teil der Decke, als ich merkte, dass er fror.

Er würde für mich am Boden schlafen. Einfach so. Als wäre es das selbstverständlichste der Welt, hätte er mir das Bett überlassen.

Ich schüttelte den Kopf.

„Hätte ich nicht zugelassen, du musst deine Wunde schonen. Außerdem liegt es nicht an dir. Ehrlich nicht."

„Woran dann?"

Ich hatte nie darüber geredet. Nicht einmal Lilith oder Jonah wussten es.

„Cat ich würde dich gerne verstehen", flüsterte er, „liegt es daran, dass ich zu den Guerras gehöre?"

Ich sollte nicken, doch anstatt ihm im Glauben lassen, er wüsste das Problem, starrte ich regungslos auf Rom herab.

Achtung!

Triggerwarnung für das nächste Kapitel bezüglich Gewalterfahrung und Missbrauch.

It's a SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt