Zwischen Hortensien und Tulpen

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Clay kannten die meisten Leute nur aus den Clubs in denen er ab und zu als DJ auftrat. Er liebte es Musik zu machen und bekam recht gutes Geld, für seine Arbeit.

Kaum einer würde ihn daher erkennen, wenn sie ihn in seinem eigentlichen Job antreffen würden.

Dort versteckte er sich nicht länger hinter einem Mischpult, trug nicht mehr dunklen Lidschatten oder seine braunen Haare zurück gegelt. Es war nichts mehr von seiner schwarzen Lederjacke oder seinen zerrissenen Jeans zu sehen. Und von seiner überheblichen Art war nur noch sein verschmitztes Grinsen geblieben.

Das Blumengeschäft war ein wunderschöner Ort in mitten von dem hektischen Treiben der Großstadt. Zwei Stockwerke waren gefüllt mit den außergewöhnlichsten Blumen und Düften. Sobald sich die Ladentür hinter einem geschlossen hatte, hörte man nichts mehr von dem Lärm der Straßen.

Normalerweise war nicht viel los und Clay konnte sich ganz dem Sortieren und Katalogisieren widmen. Auch heute waren erst eine Handvoll Kunden dort gewesen.

Clay hatte gerade eine neue Bestellung Hortensien in den Regalen verstaut, als es anfing zu Regnen. Es waren nur vereinzelnde Tropfen, doch als er aus den großen Glasfronten des Ladens sah, schloss sich die Wolkendecke bereits immer fester zusammen und es war klar, dass es nicht dabei bleiben würde.

Schnellen Schrittes ging er hinaus auf den Hinterhof, um die empfindlicheren Blumen hinein zu holen. Er hob gerade einen Topf mit Busch-Windröschen hoch, als etwas in seinem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit erregte. Er drehte sich um, doch hielt mitten in der Bewegung inne und ließ beinahe den Blumentopf in seinen Armen fallen.

Dort hinter einigen Bottichen mit dunkelvioletten Rosen saß ein Junge an eine Wand gepresst. Seine kinnlangen blonden Haare verdeckten zur Hälfte sein Gesicht, doch Clay konnte deutlich die blauen Flecken und das getrocknete Blut in seinem Gesicht erkennen. Das Aussehen des Fremden schockte Clay zutiefst. Er musste siebzehn oder achtzehn sein, vielleicht auch neunzehn, aber auf keinen Fall älter.

Dann, im nächsten Moment trafen sich ihre Blicke und Clay wich automatisch zurück. Löwenartige Augen sahen ihn mit einem Blick an, der eines Soldaten glich; hart und gefährlich, doch trotz aller dem so unvergleichlich tief und überwältigend traurig.

Stille Tränen liefen dem fremden Jungen über sein Gesicht und hinterließen helle Spuren in dem von Dreck verschmutzten Gesicht.

Vorsichtig stellte Clay den Topf mit Blumen auf dem Boden ab und ging langsam einige Schritte auf den Jungen zu. Dieser verfolgte jede noch so kleine Bewegung mit seinen Augen.

Als er schließlich die Rosen umrundet hatte, blieb er erneut erschrocken stehen. Jetzt, da seine Sicht nicht mehr blockiert war, sah er den Zustand in dem der Junge wirklich war.

Seine Jeans war zerrissen und seine Knie aufgeschürft, von seinen Schuhen oder Socken war keine Spur zu sehen, stattdessen waren seine Füße von Schnitten und wunden Stellen überseht. Er trug nur ein blau, weißes Sweatshirt, das so verdreckt war, dass man das weiß kaum noch als dieses erkannte.

Fast wie in Zeitlupe ging Clay vor ihm in die Knie und seine Augen weiteten sich, als der Geruch nach Blut und Gefahr in seine Nase stieg. Er wusste nicht was er sagen oder tun sollte. Er musste Hilfe holen, doch sein Handy lag neben der Kasse im Inneren des Ladens und er wollte den Jungen nicht allein lassen.

Der Regen nahm allmählich zu und durchdrang die Kleider der beiden, aber niemand machte Anstalten sich zu bewegen. Sie sahen sich einfach nur in die Augen.

Schließlich richtete sich Clay auf und streckte dem Jüngeren seine Hand entgegen. „Fass mich nicht an!", fauchte dieser jedoch und schlug mit einer schwachen Bewegung seine Hand weg.

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