♛ Dreiundzwanzig ♛

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Vollmond.

Die Nacht, auf die Adela seit zwei Tagen hingefiebert hat. Die Nacht, die nochmals alles verändern würde, denn in dieser Nacht würde Adela sich das erste Mal in ihrem Leben verwandeln.

Ihre erste Verwandlung, in ihre Wölfin. Adela zitterte vor Aufregung. Sie fragte sich, wie sie wohl aussehen würde. Sehnte bereits jetzt das Gefühl herbei, in Wolfsgestalt durch den Wald zu laufen. Gemeinsam mit Eleisha.

Den ganzen Tag über, hat Adela ihr gesamtes Umfeld mit ihrer Aufregung in den Wahnsinn getrieben.

Ihre beste Freundin Jordana, die Mate von Jesse, hatte es nur mit Müh mit ihr ausgehalten. Adela glaubte, dass sie erleichtert gewesen ist, als Eleisha sie später weggeschickt hat, weil er nun die Zeit mit Adela verbringen und sich um diese kümmern wolle.

Den restlichen Tag haben die Beiden Filme geschaut und gekuschelt. Sie haben nebeneinander auf dem Bett gelegen und die Nähe des jeweils anderen genossen. Eleishaʼs Nähe beruhigte Adela. Jedes Mal, wenn ihr Herz drohte ihr vor Aufregung aus der Brust zu springen, reichte eine Berührung von ihm und sie beruhigte sich wieder.

Als es begann zu dämmern, hat Eleisha angefangen Essen zu kochen. Er hat beschlossen, Adela an diesem besonderen Abend zu bekochen.

Das Essen hat himmlisch geschmeckt, aber Adela konnte es nicht lange genießen. Mit jeder voranschreitenden Minute kehrte mehr der Aufregung wieder zurück. Setzte ihren Körper erneut Zitterattacken aus.

Und dann war es so weit.

Der Vollmond stand kurz vor dem höchsten Punkt des Himmels.

Adela verließ gemeinsam mit Eleisha das Haus. Sie selbst hatte sich keine Jacke übergezogen und Schuhe an den Füßen, aus denen sie einfach schlüpfen konnte. Eleisha allerdings trug einen Stapel Ersatzkleidung auf dem Arm.

Als Adela ihn gefragt hat, wofür sie dies brauche, hat er bloß geantwortet, dass die Kleidung bei der ersten Verwandlung immer zerriss. Bei den weiteren allerdings nicht mehr.

Die kalte Nachtluft ließ Adela erstmal frösteln, als sie auf die Wiese vor dem Haus trat, in welchem Eleisha wohnte.

Doch die stechende Kälte war schnell vergessen, als eine sengende Hitze sie überfiel. Am liebsten würde sie sich alle Kleider vom Leib reißen, um sich irgendwie abzukühlen, die Hitze zu reduzieren. Sie hatte das Gefühl, zu verbrennen.

Doch dann ging ein Ruck durch ihren Körper und sie bäumte sich schreiend vor Schmerz auf, als ihre Wirbelsäule sich mit ekligen Knacken verschob. Weitere Schreie verließen ihre Kehle, als ihre Knochen knackten und schließlich brachen, sich verschoben.

Die Schmerzen waren unbeschreiblich. Und es wurde noch schlimmer, als ihre Haut an einigen Stellen aufriss und sich an anderen verzog. Als Krallen ihre Fingernägel ersetzten, war ihre Stimme vom ganzen Schreien bereits so rau und ihr Hals tat weh, dass ihr nur noch stumm Tränen über die Wangen liefen. Ihre Sicht war verschwommen von Tränen.

Das Gefühl des sprießenden Fells hingegen war nicht schlimm. Im Gegenteil, es kritzelte sie auf ihrer geschundenen Haut und legte sich dann als schützender Mantel um sie. Sofort wurde die Kälte vertrieben, ebenso wie die sengende Hitze.

Es war vorbei.

Ihre Beine zitterten.

Erschöpft ließ sie sich auf den Boden fallen. Ihr Atem ging tief und viel zu schnell, sie war geschafft. Dabei musste die Verwandlung lediglich wenige Minuten, allerhöchstens fünf, gedauert haben. Ihre Augen schlossen sich für einen Moment.

Und als sie so da lag, nahm sie aufeinmal all die veränderten Eindrücke wahr. Sie konnte besser riechen, witterte ein Reh und wusste sofort, dass es sich mehrere Kilometer entfernt befand und es sich um ein weibliches, junges Reh handelte. Sie hörte einen Bach plätschern, die Straße, welche sich ebenfalls viel zu weit entfernt befand, als dass sie sie unter normalen Umständen hätte hören können. Aber was war denn schon normal?

Ihre Ohren zuckten, als sie Schritte vernahm, die sich ihr leise und langsam näherten. Mittlerweile hatte ihre Atmung sich wieder beruhigt und sie kam allmählich wieder zu Kräften.

Als sie ihre Augen wieder öffnete, ließ sie den Blick erstmal über die Lichtung wandern. Trotz des weißen Licht des Vollmondes war es stockfinster und trotzdem konnte sie alles gestochen scharf erkennen.

Auch den Ausdruck auf Eleishaʼs Gesicht, als er sich vor sie hockte und ihr mit der Hand liebevoll durch das weiche Fell auf dem Kopf fuhr.

Schnurrend schmiegte Adela ihren Kopf in seine Berührung.

»Du siehst wunderschön aus.«, hauchte Eleisha. Dann deutete er mit einem Kopfnicken auf die Fensterscheiben der Terrassentür, als er Adelaʼs neugierigen Blick bemerkte.

Wackelig kam sie seiner Aufforderung nach. Es fühlte sich komisch an, zu stehen und zu laufen. Die ersten Schritte machte sie nur wackelig und vorsichtig, sie kam nur langsam voran und schwankte ein paar Mal gefährlich. Sie brauchte zwei aufmunternden Blicke von Eleisha, welche sie einfing, als sie zweifelnd über ihre Schultern schaute, bis sie endlich sicherer wurde. Sie fühlte sich, als müsste sie das Laufen nochmal vollständig neu erlernen, was in gewisser Weise ja auch so war.

Dann, als sie vor der Tür stand, betrachtete sie aufmerksam ihr Spiegelbild.

Sie war schlank und klein. Viel kleiner, als Eleisha. Neben ihm musste sie wie ein Zwerg aussehen. Ihre Augen waren grau-blau, wie sie es auch als Mensch waren und ihre Fellfarbe war kupferfarben, genauso wie ihre Haare es waren.

Adela legte den Kopf schief. Sie fand nicht, dass sie besonders schön aussah, sondern eher ganz normal. Durchschnittlich.

Als sie sich wieder zu ihrem Mate umdrehte, stand Eleisha ebenfalls in seiner Wolfsgestalt vor ihr.

Er deutete mit seiner Schnauze auf den Wald. Dann kam er auf sie zu und stupste sie auffordernd an. Gemeinsam liefen sie los. Erst ganz langsam, dann immer schneller und schneller.

Adela wurde immer sicherer. Irgendwann fühlte es sich so an, als hätte sie nie etwas anderes gemacht.

Die Bäume des Waldes zogen in rasanten Tempo an ihnen vorbei. Der Wind zerrte an ihrem langen Fell und rauschte in ihren Ohren. Bei jedem Schritt, jeden Sprung den sie taten, rieben ihre Schultern aneinander. Ihre Pfoten trommelten über den weichen Waldboden, verursachten ein dumpfes Geräusch. Ihre Krallen gruben sich in den Boden, als sie Seite an Seite über einen umgefallenen Baumstamm sprangen.

Das Gefühl war unbeschreiblich. Adela fühlte sich frei. Sie war glücklich. Ihr Herz drohte vor Glück und Freude zu platzen.

In diesem Moment wusste sie mehr denn je, dass jede getroffene Entscheidung, mochte sie in dem Moment noch si verwerflich gewesen sein, verdammt richtig war.

Jäger der Finsternis | ✔Where stories live. Discover now