Kapitel 9

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Jason

Es war schon hell draußen, als ich erwachte und meinen Kopf hob. Mein Körper war von der Nacht, die wir draußen verbracht hatten, ziemlich versteift und durchgekühlt. Neben mir schliefen Janine und Lisa noch, die sich Fell an Fell aneinandergekuschelt hatten.

Als ich meinen Kopf umdrehte, waren mein Vater und meine Mutter nicht mehr dort, wo sie sich gestern Abend niedergelegt hatten. Vermutlich wäre  sie schon wieder im Haus.

Da der Wald für uns keine Option mehr war, hatten wir uns zwischen dem städtischen Park und dem kleinen Vorgarten entscheiden können, der unser Haus und die Straße voneinander trennte.

Da sich aber vermutlich die meisten für den Park entscheiden würden, hatten wir uns dazu entschlossen, die Nacht einfach geschützt nahe der Hecke zu verbringen, in der Hoffnung, dass niemand mehr um Elf Uhr abends mit seinem Hund Gassi gehen und dabei fünf Wölfe im Vorgarten eines Hauses liegen sah.
Auch wenn sie vermutlich wussten, dass wir Lykaner sind, wirkte es vielleicht ein wenig verstörend. Oder seltsam. Vermutlich beides.

Als ich mich gähnend erhob, knirschte mein Fell, auf dem sich noch leicht verkrusteter Schnee von der Nacht befand. Ich schüttelte mein Fell einmal kräftig durch, bevor ich wieder meine Form als Mensch annahm. Ich kniete mich neben die beiden kleinen Unruhestifter, die in diesem Zustand so unschuldig aussahen. Aber das waren sie mit nichten.

Lächelnd streichelte ich das noch viel flauschigere Fell von den beiden. Ich begutachtete sie noch einen Augenblick, bevor ich ihre beiden kleinen Körper vorsichtig auf meine Arme hievte und mit ins Haus trug.
Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, hörte ich die Stimme meiner Mutter. "Jason? Wenn du reinkommst, würdest du da bitte auch Janine und ..."

Sie kam aus der Küche und verstummte sofort, als sie die beiden noch schlafend sah. "Die beiden schlafen wie ein Stein." meinte ich so leise wie möglich. Mom nahm mir Lisa ab und streichelte liebevoll ihr Fell. "Dann lass sie noch etwas schlafen. Dann haben wir wenigstens auch noch etwas Ruhe vor ihnen."

Ich musste schmunzeln und folgte ihr die Treppen hinauf in ihre Kinderzimmer, wo ich Janine vorsichtig auf ihrem Bett ablegte und ihren kleinen Wolfskörper zudeckte. Sie gab dabei ein leises Grummeln von sich und leckte sich mit der Zunge über die Schnauze, was mehr als nur süß anzusehen war.

Danach verließ ich mit meiner Mutter wieder ihr Kinderzimmer und schloss die Tür leise hinter mir. "Wo ist Dad?" fragte ich, als ich mich die Treppen hinunter in die Küche aufmachte. "Der ist vor ungefähr einer Viertelstunde einkaufen gegangen."

Da ich die wenigen Tage der Weihnachtsferien, in denen ich noch Zeit hatte und von der Schule verschont blieb, sinnvoll nutzen wollte, entschied ich mich dazu, den Vormittag an meinem Projekt weiterzuarbeiten. In der Küche nahm ich mir ein großes Glas Wasser, zwei belegte Brötchen und meine Handschuhe, die auf der Kommode im Wohnzimmer lagen, bevor ich damit auf die Garage zusteuerte, in die man durch eine Tür die mit dem Haus verbunden war, hineinkam.

"Ich bin in der Garage, falls du mich noch brauchst." erwiederte ich an meine Mom gewandt. Die nickte nur beschäftigt, während sie die Küchenplatte abwischte.
Ich stieß mit meinem Ellenbogen die Tür zur Garage auf und setzte mich auf den nackten Betonboden.

Ich begann abwesend mein Brötchen zu essen, während ich nebenbei in dem Buch herumblätterte, dass ich mir vor kurzem zusätzlich zu dem anderen aus der Bibliothek augeliehen hatte.
Ich blickte von meinem Buch auf und betrachtete den alten Wohnwagen, der seine besten Jahre schon lange hinter sich hatte.

Ich hatte ihn vor gut einem Jahr günstig gekauft. Seitdem arbeitete ich ab und zu weiter daran herum, um ihn wieder auf Vordermann zu bringen. Eines der Dinge, die ich bis zu meinem Abschluss fertig haben wollte.

Wolfsblut - Der Beginn einer neuen ÄraWhere stories live. Discover now