19. Whispers of a spy

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꧁Taehyung꧂

Man mag es kaum glauben, doch hat Namjoons Frage an mich uns beide dazu gebracht in unserem gemeinsamen Kurs nebeneinander zu sitzen. Die Blicke der anderen sind es beinahe wert auf Bild verewigt zu werden. Etwas angespannt sitzen wir beide nun zusammen in der letzten Reihe. Dort, wo uns die Augen und der Zorn des Kursleiters am wenigstens stört.

„Ich wusste, dass ihr beide irgendwie zusammengehört", äußert sich der Schülersprecher, nachdem ich ihm erklärt habe, wie Jungkook und ich zueinander stehen.

Nicht gut, das steht fest.

„Was soll denn das bedeuten?", hake ich gekränkt nach. Ich verstehe nicht, was er damit meint. Verwundert ziehe ich dich Brauen kraus.

„Ein Vorteil, der Liebling vieler Lehrer zu sein und vor allem das Amt des Schülersprechers zu haben, ist, dass keine Neuigkeiten an diesem Ort meinen Ohren fern bleibt. Dein Vater hat einen Riesen Zirkus veranstaltet, um dich noch für dieses Jahr in diese Klasse zu bekommen. Trotz deiner... durchschnittlichen Noten war es immer noch eine Odyssee für deinen Vater, den Rektor umzustimmen. Vor allem wegen deines Bruders."

„Mein Bruder?", entgegne ich, den Seitenhieb gegenüber meiner Leistungen ignorierend.
„Was ist mit— das ist mein Stiefbruder, höchstens."

Namjoons Ausdruck wandelt sich. Er schaut mitleidig, doch weshalb?

„Wie es aussieht, kennst du Jungkook noch weniger, als ich es tue." Er kassiert ein Schnauben. „Wenn du wüsstest."

„Eigentlich sollte ich darüber Stillschweigen halten, doch du solltest wissen, dass dein Bruder sich zu Hause vermutlich stärker gibt, als er eigentlich ist. Er ist seit Beginn der Mittelstufe das Opfer einer Gruppe von Schulschlägern, die ihn jedes Mal auf eine so perfide aber auch schlaue Weise bedrohen oder auch körperlich verletzten, dass die Schule bislang nichts weiter tun konnte, als zusehen." Der Lehrer wirft uns einen tötenden Blick zu.

„Das ist auch der Grund, weshalb ich in der letzten Pause so spät kam. Er ist ihnen schon wieder in die Arme gelaufen."

Mein Verstand scheint mit dieser Nachricht nicht wirklich umgehen zu können. Die Schule aufgrund von anderen Mitschülern zu einem Ort der Angst und wirklichen Schmerzen verwandelt zu bekommen, ich mag es mir nicht vorstellen, wie Jungkook sich fühlt.
Wären die Umstände anders, würde ich ihm gegenüber Mitleid empfinden.

„Mitte letzten Jahres habe ich ein Gespräch zwischen deinem Vater und dem Rektor über die Angelegenheit zwischen diesen Jungs und Jungkook unbeabsichtigt überhört—" Überhört; wenn ich nicht lache. „— und es handelte von deiner Anmeldung für das folgende Jahr. Er begründete es damit, dass du Jungkook im Umgang mit diesen Mobbern beschützen wirst. Natürlich hat der Rektor nach dieser Begründung sofort zugestimmt. Ein Problem weniger für ihn, sozusagen."

Mir bleibt die Spucke weg. Ich habe meinem Vater ja schon immer viel zugetraut und die letzten Wochen haben diese Tatsache nicht entkraftet, aber das übertrumpft alles.

„Was hat er noch gesagt?" Das kann nicht alles gewesen sein. „Sag' es mir!" Meine Stimme wird lauter. Die Tatsache, dass mein Vater wieder einmal nur für seine Zwecke, um sich eine heile Welt zu erschaffen, gehandelt hat, tut weh.

Bin ich etwa nur ein Mittel zum Zweck?

Namjoon rückt aufgrund meines kleinen Ausbruchs von mir ab. Selbst die Augen der anderen liegen nun auf mir und ich fühle mich urplötzlich so klein und fehl am Platz. Ich sollte nicht hier sein.

„Hr. Kim — der Kleinere — zügeln Sie ihre Zunge und Tonlage und unterlassen Sie jetzt gefälligst das Stören der Klasse. Das Gleiche gilt auch für Sie, Namjoon."

Der Blondhaarige an meiner Seite hält den Kopf leicht geduckt, nachdem der Lehrer seinem Zorn freie Hand gegeben hat. Dieser dominante Junge wirkt auf einmal so unterwürfig, in seiner Ehre verletzt. Wenn Blicke töten könnten.

„Wenn du zu Hause genauso drauf bist, kann Jungkook einem wirklich leidtun."

Mit diesen Worten wendet sich der Schülersprecher von mir ab und widmet sich wieder seinen Aufgaben, die er mit Leichtigkeit in kürzester Zeit erledigt. Wir wechseln nicht ein weiteres Wort mehr, geschweige denn auch nur den flüchtigsten Blick.

Taub, fern von allen Gefühlen, die in meinen Adern zuvor geflossen sind, schaue ich aus dem Fenster. Einen klaren Gedanken zu fassen ist mir nicht möglich. Ich bin es nicht gewohnt von Lehrern ermahnt zu werden. Wo ist mein dicker Pelz bloß hin? Ist das mein altes Gesicht? Ich dachte, ich hätte es längst abgelegt.
Mit der Rückkehr nach Korea scheint auch mein altes Ich zurückzukehren.

Das macht doch alles keinen Sinn.

Overlooked | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt