20. Crazy Little World

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Mein gesamter Körper bebte vor Anspannung und ich war wirklich dankbar dafür, mich sogleich in Emmanuels schützenden Armen wiederzufinden. Trotzdem konnte ich die Flut an Tränen nicht verhindern, aber ehrlich gesagt, versuchte ich es auch gar nicht wirklich. All diese aufgestauten Emotionen mussten raus und in seiner Gegenwart fühlte ich mich sicher genug, dies zuzulassen.

„Ist schon gut", flüsterte Emmanuel behutsam, während er seine Hände über meinen Rücken gleiten ließ. „Er wird schon noch erkennen, dass er mit so einem Verhalten nichts erreicht."

„Mein Vater wird gar nichts erkennen", widersprach ich seufzend und löste mich aus unserer Umarmung, um Emmanuel ansehen zu können. „Er ist nur auf sich und seinen Ruf fokussiert und niemals bereit, einen Kompromiss einzugehen."

„Zumindest wissen deine Eltern nun, dass es dir gut geht." Er versuchte jeder Situation etwas Positives abzugewinnen und obwohl mir nicht danach zumute war, musste ich lächeln. Ich bewunderte seine Einstellung zum Leben und konnte nicht anders, als ihn ohne jede Vorwarnung zu küssen.

„Wow, das kam unerwartet", raunte er in unseren Kuss hinein, nur um sich anschließend wieder in ebendiesem zu verlieren. Ich wollte nicht weiter über meinen Vater nachdenken und beschloss stattdessen, mich wieder vollends dem aktuell wichtigsten Menschen in meinem Leben zu widmen. Emmanuel.

Diese Erkenntnis traf mich jedoch so unerwartet, dass ich unseren leidenschaftlichen Kuss genauso abrupt beendete, wie ich ihn zuvor begonnen hatte. Stattdessen sah ich ihn einfach nur mit aufgerissenen Augen an.

„Was ist los?", wollte Emmanuel verwundert von mir wissen und als ich ihn weiterhin nur stumm musterte, wechselte der Ausdruck in seinem Gesicht von purer Irritation zu reiner Besorgnis. Er griff nach meiner Hand und wartete darauf, dass ich meine Sprache wiederfinden würde.

„Ich ... Mir ...", stotterte ich unbeholfen vor mich hin und musste einmal tief Luft holen, um meine Gedanken zu ordnen. „Mir ist gerade etwas klargeworden, was mich ziemlich erschreckt."

„Okay?", gab er mehr fragend, als verstehend zurück. Ich konnte ihm die Verunsicherung natürlich nicht verübeln. „Möchtest du darüber reden?"

„Es ist vollkommen verrückt und wahrscheinlich wirst du denken, ich hätte endgültig meinen Verstand verloren. Mir ist gerade klargeworden, dass du der wichtigste Mensch in meinem Leben bist", plapperte ich drauf los und ließ ihm gar keine Chance, zu Wort zu kommen. „Ich weiß, das klingt absolut jämmerlich und vielleicht ist es das auch, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, je wieder ohne dich zu sein."

Einen Moment lang herrschte eine angespannte Stille zwischen uns, bis mich Emmanuel schließlich völlig unvermittelt in seine Arme zog. „Das klingt überhaupt nicht verrückt", beschwichtigte er mich liebevoll, während ich mich mit geschlossenen Augen an seine Brust presste. Wir kannten uns erst knappe drei Wochen und trotzdem fühlte ich mich ihm unendlich verbunden.

„Du denkst wirklich nicht, dass ich komplett durchgeknallt bin?", versicherte ich mich vorsichtig, ohne mich auch nur einen Millimeter von der Stelle zu bewegen. Ich war froh, ihn in dieser Situation nicht ansehen zu müssen.

„Nein, natürlich nicht. Ich bin halt ein toller Typ, da sind diese Gedanken vollkommen normal", gab Emmanuel scherzhaft zurück und schaffte es somit tatsächlich, mich wieder zum Lachen zu bringen. An der Vibration seines Brustkorbs spürte ich, dass er ebenfalls schmunzeln musste.

Daraufhin löste ich mich aus seiner Umarmung und schlang meine Arme stattdessen um seinen Hals. Einen Moment lang sahen wir uns tief in die Augen, bevor ich meine Lippen erneut auf seine legte. Es dauerte nicht lange, da ließ ich meine Hände begierig über seinen Körper wandern. Er erwiderte meine Berührungen und signalisierte mir somit, dass es ihm ebenfalls egal war, wo wir uns befanden. Immerhin war die Eingangstür der Surfschule verschlossen und somit würde uns niemand stören können.

****

„Hast du Lust noch etwas zu unternehmen?", wollte Emmanuel von mir wissen, nachdem wir noch eine unbestimmte Zeit lang aneinander gekuschelt auf dem Boden gelegen hatten.

„Ich bin dabei", stimmte ich augenblicklich zu, ohne überhaupt nach der Art der Unternehmung zu fragen. Mir war es im Grunde genommen vollkommen egal, was wir unternehmen würden. Mir war einfach nur wichtig, Zeit mit ihm verbringen zu können.

Außerdem wollte ich meine Eltern wieder aus meinem Kopf verbannen. Das Gespräch mit ihnen hatte mich ziemlich aufgewühlt. Daher war mir im Prinzip jede Art der Ablenkung recht – so lange ich mich nicht erneut auf ein Surfbrett stellen musste.

„Willst du gar nicht wissen, was ich mit dir vorhabe?", hakte Emmanuel schließlich belustigt nach. Er hatte sich bereits erhoben und streckte mir eine Hand entgegen, um mir ebenfalls aufzuhelfen.

„Nein, ehrlich gesagt nicht. So lange es nichts mit Sportarten auf dem Ozean zu tun hat, werde ich alles mitmachen", scherzte ich daraufhin, während ich nach seiner Hand griff.

„Kein Ozean und kein Sport – versprochen! Mach dich einfach für einen kleinen Ausflug bereit und wir treffen uns dann in einer Viertelstunde vor der Surfschule."

****

Wenig später fand ich mich auch schon auf dem Beifahrersitz neben Emmanuel wieder. Ich hatte immer noch keine Ahnung, wohin es gehen würde aber irgendwie fand ich es aufregend, mich von ihm überraschen zu lassen.

Routiniert lenkte er den roten Pickup-Truck auf die Straße, während er mit einer Hand versuchte, einen funktionierenden Radiosender zu finden. Es dauerte eine Weile, aber dann ertönte tatsächlich spanische Musik aus den Boxen.

„Willst du immer noch nicht wissen, wohin wir fahren?", erkundigte sich Emmanuel schließlich und bedachte mich mit einem kurzen Seitenblick. Seine Finger trommelten rhythmisch zur Musik auf dem Lenkrad und ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen.

„Ich lasse mich von dir überraschen", erklärte ich daraufhin schulterzuckend und widerstand dem Impuls, mich doch noch von ihm über das Reiseziel aufklären zu lassen. Eigentlich mochte ich Überraschungen nicht sonderlich, aber mit ihm war irgendwie alles anders und ich genoss diese Tatsache in vollen Zügen.

„Na gut", erwiderte er lachend und fokussierte sich nun wieder vollends auf die Straße. Wir waren zwar noch nicht so lange unterwegs, aber die Landschaft hier war so weitläufig, dass wir mal wieder die einzigen Menschen auf dem Planeten zu sein schienen.

Mittlerweile war es früher Abend geworden und die Sonne stand bereits tief über dem Horizont. Ich bewunderte verträumt das feurige Rot, welches fast den gesamten Himmel eingefärbt hatte, während wir von großen Felswänden und einer riesigen Waldlandschaft umgeben waren.

Während wir dem rötlichen Horizont entgegenfuhren, wuchs meine Neugierde mit jeder Minute und ich fragte mich, wohin mich Emmanuel wohl führen würde.

Perfect Getaway.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt