25. Honesty

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Wenig später fand ich mich tatsächlich in einer großzügigen Suite der noblen Hotelanlage wieder. Mit geschlossenen Augen lag ich in dem weichen Himmelbett, während meine Gedanken unentwegt um Emmanuel kreisten. Auf der einen Seite verstand ich seine Enttäuschung, aber trotzdem begriff ich nicht so recht, wieso er meine Gefühle ihm gegenüber anzweifeln konnte. Er musste doch ebenso gespürt haben, wie besonders unsere Verbindung war. Dachte er wirklich, ich hätte die Beziehung zu Lucas die ganze Zeit aufrechterhalten?

Irgendwie ging das nicht in meinen Kopf. Meine Welt hatte tatsächlich nur aus Emmanuel bestanden und ich hätte noch vor ein paar Stunden alles daraufgesetzt, dass ihm diese Tatsache ebenso bewusst war. Immer wieder wurde mein Körper von heftigen Schluchzern geschüttelt, während meine Augen bereits vom vielen Weinen brannten.

Ein dumpfes Klopfen ließ mich plötzlich zusammenschrecken. „Zimmerservice!", tönte es von der anderen Seite der Tür, was mich dazu veranlasste, mich augenblicklich aufzusetzen.

„Ich habe nichts bestellt", antwortete ich irritiert und hoffte, die Person hätte sich lediglich in der Zimmernummer geirrt. Irgendwie ahnte ich jedoch, dass es sich nicht um ein Missverständnis handelte.

„Die Bestellung wurde von Mr. Hall aufgegeben. Ich lasse den Wagen vor der Tür stehen und Sie holen ihn einfach rein, wenn Ihnen danach ist, in Ordnung?"

In diesem Moment konnte ich nicht anders, als genervt die Augen zu verdrehen. Ich hatte Lucas mehrfach klargemacht, keinen Appetit zu verspüren und trotzdem setzte er sich über meine Entscheidung hinweg. Selbst wenn er sich ändern wollen würde, er wäre niemals in der Lage dazu.

„Okay", gab ich schließlich resigniert zurück und ließ meine Füße auf den blank polierten Boden gleiten. Obwohl seit meiner letzten Mahlzeit schon etliche Stunden verstrichen waren, fühlte es sich an, als wäre mein Magen auf das Volumen eines Kirschkerns geschrumpft.

Erneut polterte eine Hand gegen die Tür meiner Suite und für einen kurzen Augenblick nahm ich an, es handelte sich wieder um das Zimmermädchen, welches nun doch nochmal auf den Speisewagen aufmerksam machen wollte.

„Charlotte? Darf ich reinkommen?"

Dieses Mal war es jedoch Lucas, wie ich vollkommen genervt feststellte. Ich wollte doch einfach nur meine Ruhe, war das so schwer zu verstehen?

„Was willst du?", blaffte ich ihn an, sobald ich die Tür einen Spalt geöffnet hatte. Er stand vor dem Speisewagen und schien nicht so recht zu wissen, wie er mit der Situation umgehen sollte.

„Ehrlich gesagt wollte ich nochmal mit dir reden", antwortete er und an seiner Stimme konnte ich erkennen, wie verunsichert er war. Es gab tatsächlich viele unausgesprochene Dinge zwischen uns. Vielleicht war nun der Zeitpunkt gekommen, um endgültig reinen Tisch zu machen. Die Aussicht, danach endlich allein sein zu können, ließ mich schließlich einknicken.

„Einverstanden", erwiderte ich also für uns beide überraschend und signalisierte ihm, eintreten zu dürfen. Vorsichtig schob er daraufhin den Speisewagen in mein Zimmer, bevor er leise die Tür hinter sich schloss und sich anschließend auf einem leeren Stuhl neben der Kommode niederließ.

„Ich wollte dich fragen, ob du die Dinge, die du vorhin gesagt hast, wirklich so meintest?", begann er zögerlich, während er unruhig auf dem Stuhl umherrutschte. Er brauchte die Frage nicht weiter konkretisieren. Mir war sofort bewusst, auf was er anspielte.

„Lucas", begann ich also und nahm mir vor, es kurz und schmerzlos zu machen. „Wenn wir ehrlich sind, war das schon lange keine intakte Beziehung mehr zwischen uns. Wir waren fast noch Kinder, als wir zusammengekommen sind. Jeder von uns hat sich weiterentwickelt und ich werde meine Meinung diesbezüglich auch nicht mehr ändern. Das, was ich dir bei unserem letzten Telefonat gesagt habe, war mein voller Ernst: Es ist aus zwischen uns."

Lucas reagierte daraufhin anders, als ich erwartet hatte. Obwohl er eigentlich immer sachlich und abgeklärt agierte, vergrub er das Gesicht in seinen Händen und begann zu weinen. Es war verwirrend ihn in dieser Verfassung zu sehen, denn ich hatte ihn bisher noch nie so aufgewühlt erlebt. Egal, was zwischen uns vorgefallen war, plötzlich verspürte ich den Wunsch, ihn zu trösten. Anscheinend hatte er tatsächlich angenommen, wir würden als Paar zurück in die Staaten fliegen.

„Es tut mir leid", flüsterte ich leise, während ich mich neben ihn hockte und eine Hand auf seinem Oberarm platzierte. Mehr konnte ich nicht tun. Es war zu spät für unsere Beziehung, aber trotzdem wollte ich ihn nicht so leiden sehen.

„Hast du mit ihm geschlafen?" Lucas hatte sich wiederaufgerichtet und seine vom Weinen geröteten Augen bohrten sich förmlich in meine. Es ging ihn eigentlich überhaupt nichts an, aber ich wollte dieses Gespräch auf einer ehrlichen Basis führen. Vielleicht musste er auch die ganze Wahrheit erfahren, um endgültig abschließen zu können.

„Ja", entgegnete ich also knapp und wich automatisch seinem Blick aus. Wahrscheinlich bereute er bereits, mir nachgeflogen zu sein. Allerdings durfte er nicht vergessen, dass ich ihn nicht darum gebeten hatte.

„Liebst du ihn?"

Mit dieser Frage hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Allerdings musste ich nicht lange über meine Antwort nachdenken: „Ja, ich liebe ihn."

Wow. Irgendwie erschreckte mich diese Tatsache, denn bisher hatte ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Noch viel mehr schmerzte es jedoch, es Emmanuel nun nicht einmal mehr sagen zu können.

„Wie hast du dir dein weiteres Leben vorgestellt, Charlotte? Dachtest du, du könntest einfach für immer hier in Kolumbien bleiben? Erklär mir bitte, was dein Plan ist. Ich verstehe dich einfach nicht mehr", antwortete er verzweifelt, während er sich von dem Stuhl erhob und auf den Speisewagen zuging. Er öffnete mit zittrigen Fingern eine darauf platzierte Weinflasche und goss die rote Flüssigkeit in ein langstieliges Weinglas, bevor er sich wieder zu mir drehte und mich fragend ansah.

„Ich habe noch nicht über die Zukunft nachgedacht", erwiderte ich ehrlich und hob meine Schultern leicht an, um meine Aussage mit einer unentschlossenen Geste zu untermauern. Mir war bewusst, wie unreif dies in seinen Ohren geklungen haben musste, aber es entsprach nun mal der Wahrheit.

„Noch nicht darüber nachgedacht, hm?", wiederholte er meine Worte und kippte die edle Flüssigkeit mit einem Schluck herunter. Obwohl er noch immer verletzt klang, entging mir der spöttische Unterton nicht.

„Es mag für dich absurd klingen, aber ich wusste vor meiner Reise nicht einmal, wer ich überhaupt bin. Ich stand schon immer im Schatten meiner Familie, jeder meiner Schritte war vorherbestimmt. Dabei bin ich so viel mehr als der Name ‚Campbell' vermuten lässt! Kannst du das denn überhaupt nicht verstehen?" Ich versuchte so empathisch, wie möglich zu antworten. Mir war plötzlich wichtig, dass er meine Beweggründe wenigstens ein wenig nachvollziehen konnte.

Lucas hatte sich unterdessen wieder zu dem Speisewagen gedreht und war dabei, erneut die Weinflasche zu bemühen. Als er den Wein energisch zu seinen Lippen führen wollte, schwappte die Flüssigkeit jedoch über den Rand des Glases und verteilte sich großflächig auf seinem teuren Hemd.

„Verfluchte Scheiße", rief er daraufhin genervt und entledigte sich mit einer fließenden Bewegung seines Oberteils. „Ich werde jetzt zurück in mein Zimmer gehen. Dort werde ich mir etwas Neues anziehen und in Ruhe über unser Gespräch nachdenken."

Mit diesen Worten öffnete Lucas die Tür meines Zimmers und stürmte aus dem Raum. Als ich die Tür hinter ihm wieder schließen wollte, bemerkte ich jemanden am Ende des Flures. Diese Person hatte gerade beobachtet, wie Lucas lediglich halb bekleidet aus meiner Suite verschwunden war.

Emmanuel stand noch für den Bruchteil einer Sekunde fassungslos auf der Stelle, bevor er sich abwandte und mit eiligen Schritten den Korridor verließ.

Perfect Getaway.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt