Kapitel 38

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P.o.V. Kōtarō

Musste das sein? Unzufrieden stocherte die Eule mit der Schaufel im Boden. Klar, dass sie die Leichen nicht einfach im Wandschrank verrotten lassen konnten, aber allein der Gedanke, wieder in den grausamen Raum zu müssen, löste Panik und kalte Schauer bei ihm aus. Sie hatten bereits zwei der Gräber fertig und es wurde immer anstrengender. Aber Keiji arbeitete mit einem Gesichtausdruck voll grimmiger Entschlossenheit und Kōtarō wagte es nicht, ihn anzusprechen, solange er diese Miene machte. Er hatte diesen Ausdruck bei dem Meermann noch nie gesehen und auch, wenn er wusste, dass Keiji keiner Fliege etwas zuleide tun könnte, war er froh, dass es die Eltern waren, die ihn so schauen ließen, und nicht die Eule. Je länger sie arbeiteten desto dunkler wurde es. Und nicht nur, dass es gruselig war, auch hatte Kōtarō langsam etwas Angst, später in eines der Gräber zu fallen. Er warf Keiji einen Blick von der Seite zu, um seine Stimmung einschätzen zu können. Doch der hatte ihm den Rücken zugekehrt. Ein frustriertes Seufzen entfuhr Kōtarō, ohne, dass er es hätte hindern können. Keiji hob den Kopf und drehte sich zu ihm. Der düstere Blick war verschwunden, einem eher verlegen gewichen. "Oh, tut mir leid, ich war in Gedanken. Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es schon ist. Lass uns besser für heute aufhören." Er lächelte ihn an. Kōtarō lächelte zurück. "Ja, klingt gut. Wir müssen noch was essen." Kōtarō streckte die Hand aus, um Keiji aus dem Grab zu helfen. "Wollen wir essen gehen?" Keiji lächelte. "Ja, klingt gut. Lass uns eine Pizzeria suchen, ich habe gehört, dass Pizza gut sein soll." Kōtarō lachte. "Ja, kann man so sagen. Aber pass auf, es könnte trocken sein." Keiji grinste. "Tja, da muss ich wohl durch. Als erstes müssen wir trotzdem duschen." Kōtarō sah an sich hinunter. Tatsächlich war er von einer Schlammschicht überzogen. "Ja, da hast du Recht. Dann los." Kurz überlegte Kōtarō den Vorschlag einzubringen zu zweit duschen zu gehen, verwarf das aber wieder. Solange sich die Leichen nur zwei Türen entfernt befanden, könnte er sich ohnehin nicht entspannen. Plötzlich spürte Kōtarō einen Widerstand. Keiji war stehen geblieben und hatte ihn am Shirt festgehalten. "Keiji? Alles in Ordnung?" Er drehte sich und Keijis Hand fiel schlaff zurück. Dann, ohne Vorwarnung, sprang ihm der Kleinere an den Hals. "Keiji!" Kōtarō stolperte ein paar Schritte nach hinten, fing sich zum Glück aber schnell. Keiji schlang Arme und Beine enger um ihn und rutschte in eine bequemere Position. "Gut, auf nach Hause." Er fuhr der Eule mit den Fingern durch die Haare. "Bah, die sind ja total verdreckt!" Kōtarō lachte. "Selbst Schuld, wenn du mich zum Gräber schaufeln zwingst." Ein leises Grummeln neben seinem Ohr. Keiji lehnte sich leicht zurück, um seinem Freund ins Gesicht zu sehen. Kōtarō fühlte die Hand in seinem Nacken, sah in das schöne, im dunkel liegende Gesicht, auf welchem sich urplötzlich ein böses Lächeln zeigte. Keiji hob die verschlammte Hand und schmierte sie an Kōtarōs Wange ab. Die Eule verzog das Gesicht. "Bähh, Keiji!"
"Selber Schuld, wenn du mich provozierst."

P.o.V. Keiji

Keiji war schlecht. Alles drehte sich vor seinen Augen und verschwamm. War das der Alkohol? Ja, Keiji, die Pizza wird es nicht sein. Natürlich war es der Alkohol. Er hätte nicht so viel trinken sollen. Aber die Pizza war trocken gewesen und der Wein gut. Und der Sekt. Und der Likör. Gott, er war betrunken. Sein Mund fühlte sich taub an und er hatte das Gefühl, sollte er aufstehen, würde er sich übergeben. "Hey, Keiji. Wie ist es, wollen wir gehen?" Kōtarō. Es war schön, jemanden zu haben. "Ich mag deine Stimme. Ist entspannend." War das seine Stimme? Verdammt, er klang heiser und müde, lallen tat er auch. "Ach ja? Danke. Also, wollen wir gehen?" Sein Blick sank auf die Tischplatte. "Ich gl- glaube ich kannich aufstehen." Kōtarō nahm sanft seine Hand. Die Berührung fühlte sich anders an als sonst. Taub, wie alles andere. Die Tischplatte war schön. Dunkel und glatt. "Ich will auch so einen Tisch. Die Farbe ist schön." Irgendwo über ihm fragte Kōtarō nach der Rechnung. Ein überraschender Schwindelanfall ließ Keiji die Augen zukneifen. "Ko... Ich..." Seine freie Hand krallte sich in die Tischplatte. Oh Gott, bitte lass mich nicht fallen. Hehe, von Gott fallen gelassen. Keiji, das ist nicht dein Ernst, oder? Kōtarō wandte sich ihm wieder zu. "Keiji, denkst du, du schaffst es aufzustehen?" Aufzustehen. Keine Ahnung, sollte er es versuchen? Langsam schob er seinen Stuhl zurück und zog sich an der Tischplatte hoch. Alles drehte sich um Keiji und er hatte das Gefühl, bei der nächsten Bewegung würde er ohnmächtig werden. Wobei das vielleicht gar nicht so schlecht wäre, einfach einen Moment die Augen schließen und die Kontrolle abgeben, seinen Körper hier zurücklassen und in Schlaf versinken. Jup, und Kōtarō darf dich dann nach Hause tragen, was? Du bist ein miserabler Boyfriend, Keiji. Steh endlich auf! Entschlossen drückte der Meermann sich hoch und sah die Eule an. "Stehen kann ich." Kōtarō ginste. "Soll ich dich tragen?" Tragen. "Du trägst mich immer. Ist das nicht unfair? Immer trägst du mich, aber niemand trägt dich. Hast du schon mal darüber nachgedacht?" Ein Paar starke Hände hoben ihn hoch. "Ich bin auch ein bisschen schwerer als du, Arielle." Hmm, das stimmte wohl. "Ist Arielle nicht ein Mädchen? Warum bin ich dann Arielle. Ich bin doch kein Mädchen, oder? Weil ich lass mich von Männern herumtragen und bin mit einem zusammen und du sagst mein Gesicht ist wie von einem Mädchen. Aber ich bin doch kein Mädchen, oder?" Eine große Hand legte sich auf seine Stirn. "Nein, Keiji, du bist kein Mädchen. Du bist ein Mann. Und was für einer." Sie verließen das Lokal und Kōtarō trug ihn in Richtung des Hauses. "Haben wir bezahlt? Womit?" Keiji spürte Kōtarō tief urchatmen. War er daran Schuld? War sein Freund genervt? "Xioin hatte noch Geld im Auto. Das habe ich benutzt. Du hast damit doch auch die Donuts bezahlt, am Rastplatz." Keiji schwieg. Wenn jemand genervt ist, lässt man ihn besser in Ruhe. "Hey, schläfst du?" Sollte er ja sagen? Nein, man soll nicht lügen. "Nein."
"Alles in Ordnung?"
"Nein. Ich bin müde. Aber ich glaube nicht, dass ich schlafen kann."
"Okay. Brauchst du was, etwas zu trinken oder so?"
"Dich."
"Was?"
"Ich brauche dich. In einem Maidoutfit."
"Ich glaube, das bekommen wir hin."

Complete my World (BokuAka)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt