Antworten

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Das versteckte Tal lag nur etwa drei Tagesmärsche entfernt, wenn man, wie Faenen, die richtigen Wege durch das Nebelgebirge kannte.
Vilya fühlte sich noch nicht ganz gesund, doch die Pastillen der Heiler und die gute Gesellschaft hielten sie bei Laune. Der Faenen, der nun mit ihr reiste, konnte nicht im Geringsten mit dem aus dem Palast verglichen werden. Er war nett und zuvorkommend. Er kannte sich unglaublich gut aus, was das Leben in der Wildnis anging, und führte sie beide auf schmalen Wegen, die nicht zu sehr verschneit waren. Wenn Vilya eine Pause brauchte, so beschwerte er sich mit keinem Laut und suchte nach guten Plätzen zur Rast.

Es war an ihrem ersten Rastplatz, an dem Vilya entschied sich endlich Antworten zu holen.
Sie saßen unter einem Vorsprung an einer langen schwarzen Felswand, an der ein schmaler flachgetretener Pfad entlangführte, und nahmen einige Schluck Wasser zu sich.
„Also, was sind diese Politischen Gründe, wegen denen du geflohen bist?", fragte sie neugierig, worauf Faenen sich fast verschluckte und den Blick abwandte.
„Ich weiß nicht, wie viel deine Mutter dir erzählt hat", fing er langsam an und biss sich nachdenklich auf die Lippe.
„Nicht viel. Ich weiß nur, dass sie bei den Verhandlungen dabei war."
Er lächelte und legte kurz den Kopf schief.

„Sie ist eine von ihnen", sagte er schließlich und lehnte sich gegen die dunkle Wand hinter ihm.
„Du meinst...?", fragte Vilya außer sich und rutschte etwas nach vorne, um wieder in sein Sichtfeld zu gelangen. Er lächelte amüsiert.
„Du bist halb Waldland-Elbin und halb Nanór."
Ihr Mund klappte ungläubig ein Stück auf. „Nanór", wiederholte sie leise und dachte an all die Gespräche zurück, in denen die bloße Erwähnung ihrer Mutter ihr Wissen über das Blaue Volk legitimiert hatte.
„Der eigentliche Name des Blauen Volkes", erklärte Faenen, der ihre Wiederholung wohl als Frage gedeutet hatte. „Es ist sehr wenig über das Blaue Volk bekannt, deswegen nennen wir es auch so. Sie sind sehr eigen."
„Woher weißt du es dann?"
Faenen zögerte und holte einige getrocknete Früchte aus seiner Manteltasche hervor.

„Ich habe den Großteil meiner Kindheit bei ihnen und ihren Feinden den Eglath verbracht", erwiderte er und begann langsam zu essen.
Vilya legte die Stirn in Falten und wandte den Blick nachdenklich ab. „Eglath, das ist doch das Volk von König Thingol?"
Der Elb lächelte geheimnisvoll. „Da hat jemand aber gut aufgepasst", grinste er und legte den Kopf leicht schief.
„Aber die Eglath haben sich schon vor langer Zeit mit den Noldor verbunden als Beleriand untergegangen ist?"
Faenen setzte sich auf und räusperte sich. „Ich werde dir gerne über die Nanór erzählen, immerhin sind sie dein eigenes Volk, aber ich würde niemals den Zorn des Königs der Eglath riskieren. Ich habe großen Respekt vor ihm. Gegen ihn ist Thranduil ein kleiner Junge." Er steckte die Früchte wieder ein und stand auf. „Wir sollten weitergehen, solange wir noch gutes Licht haben", sagte er und streckte sich kurz.
„Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet: Warum bist du geflohen?", fragte Vilya, doch folgte ihm nach draußen.
„Oh, ja, wie ich sagte, die Nanór sind ein sehr zurückgezogenes Volk. Jeder, der ihre Grenzen überschreitet darf ihr Reich nicht mehr verlassen. Dass sie überhaupt Botschafter in den Grünwald geschickt haben, ist schon etwas äußerst Ungewöhnliches. Da sehen sie es natürlich nicht gerne, wenn ein Junge, der einige Jahre bei ihnen gewohnt hat, einfach eines Tages abhaut und vermeintlich Bericht über jede Einzelheit erstattet."
„Hast du nicht?", fragte Vilya überrascht nach.
„Meinem Vater, Bruder und... noch anderen Personen, doch nicht König Thranduil", antwortete er, worauf die Elbin sofort stehenblieb. Er hielt, einige Schritte später, auch an und warf einen fragenden Blick zurück.
„Wem gilt deine Loyalität?"

Er sah ihr einige Sekunden regungslos in die Augen, bis er lächeln musste und den Blick abwandte. „Es ist kompliziert und auch darüber kann ich noch nicht mit dir sprechen. Ich will ihn mindestens genauso wenig wütend machen, wie den König der Eglath."
„Ihn?", wiederholte Vilya und kam einen Schritt auf ihn zu.
„Vilya, ich habe dir gesagt, du kannst über das Blaue Volk Fragen stellen, mehr nicht."
„Was soll ich denn mit diesen Informationen anstellen? Wem sollte ich es schon erzählen?"
Er kam plötzlich mit einigen langen Schritten auf sie zu und blieb knapp vor ihr stehen.
„Hier geht es um Mächte, die du nicht verstehst, Mächte, von denen König Thranduil keine Ahnung hat, dass sie überhaupt existieren. Wenn dir die Antworten, die ich dir geben kann, nicht genug sind, dann geh zurück zum Grünwald, aber erwarte nicht von mir, dir von Dingen zu erzählen, die uns beide umbringen könnten", zischte er leise und sah ihr entschlossen in die Augen.
Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich um und ging schon den schmalen Pfad weiter.

Liebe oder Loyalität // Legolas FFWhere stories live. Discover now