Die Eglath

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Weit entfernt in einem versteckten Reich, tief im Inneren eines großen Palastes mit hohen Türmen und dicken Mauern, lag eine riesige Thronhalle. Sie strotzte nur so vor Gold, Silber und kunstvoll platzierten Edelsteinen. Mächtige Säulen bäumten sich auf und der Fußboden bestand aus glänzendem Marmor.
Der Thron, der in der Mitte all des Reichtums stand, war weitaus größer als jeder Elb, der jemals auf ihm hätte platznehmen können, doch trotzdem ging der prachtvolle König kaum in ihm unter. Er schien den mit riesigen Flügeln und Federn gezierten Sitz erst komplett zu machen. Seine Gewänder waren von grün-blauen Farben und der eisigen Jahreszeit entsprechend aus dickem Material.
Die Krone war, wie der Thron auch, im Thema Falken gehalten. Einige kleine Kreaturen der Lüfte waren zu erkennen, die die eigentliche, goldene Krone umspielten. Ein großer Saphir war in ihr eingefasst.
Das Gesicht des Königs verriet, dass er bereits sehr viel Erfahrung und ein hohes Alter besaß, doch das machte ihn keineswegs zu einem Greis. Niemand, der ihn jemals zu Gesicht bekommen hatte, zweifelte auch nur für eine Sekunde an seiner Macht und Kraft. Eiserne Entschlossenheit ebenso wie enorme Weisheit strahlten von ihm aus. Keiner würde wagen seine Autorität in Frage zu stellen, denn nur ein Blick von ihm schien zu genügen, um auf der Stelle tot umzufallen.
Doch so groß und stark er auch aussah, wenn man genau in seine tiefblauen Augen blickte, erkannte man wie viel Schmerz er in seinem langen Leben hatte erleiden müssen. Vor schier ewigen Zeiten, als er noch ein Junge gewesen war, hatte er es geliebt Flöte zu spielen und war der beste Flötenspieler gewesen, den ganz Arda jemals gesehen hatte, doch diese Zeiten waren lange Vergangenheit. Seit einem tragischen Verlust hatte er niemals wieder sein heißgeliebtes Instrument angefasst und sein Herz niemals wieder geöffnet. Er alleine hatte dieses Königreich errichtet und war sehr stolz darauf. Mit seinem Leben würde er es verteidigen.

Ein fast ebenso entschlossener Krieger betrat die atemberaubende Halle. Er war gänzlich in goldener Rüstung gekleidet. Jedes Detail an seinem Körper war makellos und erzählte von den vielen Schlachten, die er bereits geschlagen hatte. Seine Haare waren so dunkel, dass man sie schon als Schwarz zeichnen konnte und niemals in einem Zopf gebändigt. Seine Augen waren von einem stechenden Grau, das einem, ohne Probleme, bis in die Seele blicken konnte.
Trotz der vielen Kämpfe zierte ihn nicht eine einzige Narbe. An seinem Gürtel baumelte ein mächtiges Schwert, das mit dem Wissen der Elben aus den Alten Zeit geschmiedet worden war. Es lag federleicht in der Hand und schimmerte Blau, wenn Orks in der Nähe waren. Das Heft war aus Gold und an seinem Ende befand sich eine eingravierte Flügelschwinge.
Der Bogen diente ihm schon seit ungezählten Jahren und wies keinen Riss, keine ungewollte Einkerbung auf. Nicht ein Pfeil, der von seiner Sehne angetrieben worden war, hatte sein Ziel verfehlt – was sicherlich auch mit den Künsten des Bogenschützen zusammenhing.
Neben dem Schwert befand sich eine Waffe in Form eines Wurfsterns, doch noch tödlicher, mit der er ohne Anstrengung so einige Gegner gleichzeitig ausschalten konnte. Die Zauberkraft der Elben brachten ihn jederzeit dazu, zu seinem Herrn zurückzukehren.
Er war einer der angesehensten Krieger hier und in den letzten Jahren hoch in der Gunst des Königs gestiegen, was keinesfalls unverdient gewesen war.

Der Elb trat vor den Thron und verbeugte sich tief. „Ihr habt mich rufen lassen, mein König", sprach er und wartete auf ein Zeichen seines Gegenübers, bevor er sich wiederaufrichtete. Auf beiden Seiten des Thrones standen Wachen, die starr geradeausblickten.
„Das habe ich, Maethorn. Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich", antwortete der König und erhob sich, was seine volle Größe offenbarte. Er war sehr hochgewachsen und hätte auch ohne die zwei Stufen hinauf zum Thron, auf Maethorn hinabgeblickt, welcher selbst nicht von kleiner Statur war.
Der Krieger hob erwartungsvoll seinen Kopf ein wenig, entschlossen alles zu tun, was ihm aufgetragen wurde.
„Der Krieg mit den Nanór neigt sich dem Ende zu, doch sie suchen nun nach Unterstützung im Süden. Mir wurde schon vor Jahren berichtet, dass Abgesandte in das große Waldgebiet von Rhovanion geschickt wurden, doch damals haben sie noch keine Bedrohung dargestellt. Nun befürchte ich, dass die dort lebenden Waldelben tatsächlich eine Allianz in Betracht ziehen könnten, was uns in den Nachteil bringen würde.
Du musst um jeden Preis verhindern, dass dies geschieht." Maethorn senkte kurz den Blick und verschränkte seine Hände hinter dem Rücken.
„Vergebt mir, Herr, doch ich bin kein Diplomat. Ich führe aus gutem Grund Eure Heere an und kümmere mich nicht um den Frieden anderer Länder. Ich befürchte, dass Ihr den falschen Elben für diese Aufgabe vor Euch habt, wenn Ihr keinen Krieg mit diesem Volk beabsichtigt", antwortete er, wobei er seine Worte sorgfältig wählte.

Der König trat einen Schritt näher, auf seinem Gesicht war keinerlei Emotion zu erkennen. „Wenngleich diese Elben kaum ein Problem für uns darstellen würden, wirst du keinen Krieg mit ihnen anfangen. Unsere Ressourcen müssen auf die Nanór begrenzt bleiben, vor allem nun, da sie eine Allianz suchen.
Ich habe mich für dich entschieden und dabei bleibe ich. Nimm jeden Mann, den du für nötig erachtest. Wenn es nicht anders möglich ist, so erschlage alle Abgesandte unserer Feinde", befahl er ernst. Maethorn zögerte noch kurz, doch verbeugte sich dann schnell. Er durfte es nicht abermals wagen zu widersprechen und das Wort eines Königs war endgültig. Er hatte vollstes Vertrauen in seinen Herren und war sich sicher, dass er sich dabei etwas gedacht haben würde.

Kurz nachdem er den Thronsaal verlassen hatte, war Schichtwechsel bei den Wachen. Eine nach der anderen wurden sie langsam abgelöst und marschierten mit langen Schritten aus der glamourösen Halle.
Einer von ihnen war Luinaew, ein unauffälliger Elb mit braunen Haaren und dunkelgrünen Augen. Er kannte die Regeln des Palastes so gut, wie jede andere ausgebildete Wache, obwohl er erst seit einem knappen halben Jahrhundert hier lebte. Er war ein Spion, und zwar ein sehr guter. Das Volk der Eglath war nicht leicht auszutricksen. Sie waren sehr vorsichtig (wenn auch nicht so vorsichtig wie die Nanór) und töteten jeden, der widerrechtlich über ihre Grenzen trat, sei es unabsichtlich oder aus guten oder bösen Absichten.

So langsam und ruhig, wie er es an jedem anderen Tag tun würde, näherte er sich seinen Gemächern. Erst als er die Tür hinter sich schloss, stürzte er los an seinen Schreibtisch und griff nach Tinte und Papier.

Er hatte kaum drei Zeilen geschrieben, als die Tür hinter ihm wieder aufging.
„Du hast diesen Monat doch schon eine Nachricht geschickt?", fragte sein Mitbewohner etwas verwirrt und trat näher.
„Ich weiß, es ist ein Notfall", murmelte Luinaew und kritzelte weiter vor sich hin.
„Wir dürfen nur einen Botschafter pro Monat schicken, sonst werden sie erwischt. Und dann sind wir nicht nur tot, wir können auch keine Berichte mehr erstatten!", versuchte der Elb seinen Freund aufzuhalten, der sich nun endlich zu ihm drehte und entschlossen in die braunen Augen sah.
„Der König hat soeben Maethorn ins Waldlandreich geschickt, um mit allen Mitteln die Allianz zu verhindern. Jetzt sag mir nochmal, dass ich keine Nachricht schicken darf", knurrte er entschlossen und wandte sich ab, ohne auf eine Antwort zu warten.
Sein Freund seufzte und fuhr sich durch die Haare. Er konnte es immer noch nicht gutheißen, doch Luinaew hatte die Befehlsgewalt. Er war der Prinz.

Liebe oder Loyalität // Legolas FFWhere stories live. Discover now