In Duskwoods Wäldern

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Seine Hand drückte so fest gegen meine Lippen und meine Nase, dass ich kaum Luft bekam. Verzweifelt rammte ich meinen Ellenbogen in seine Seite, doch er zuckte nur kurz zusammen, keuchte und zog mich schließlich unter größten Mühen hinter einen Baum. Mein Fuß traf mit voller Wucht sein Schienbein, ein leises Fluchen, dann knallte ich so sehr mit dem Brustkorb gegen die Rinde des Baumes, dass meine Lunge komplett zusammengedrückt wurde. Keuchend schnappte ich nach Luft und bekam nur am Rande mit, dass noch immer warme Flüssigkeit über mein Gesicht lief. Blut... mein Blut... vor meinen Augen tanzten bunte Punkte.

„Scheisse..."

„Jetzt sei doch still", beim Klang dieser Stimme erstarrte ich plötzlich völlig. Seine Hand legte sich erneut auf meinen Mund und verschloss ihn fest, „Es ist alles gut, okay? Ich bin's."

Es war Jake.

Und er war wütend.

„Es ist alles in Ordnung, Ellie, ich bin's... hör'...", mit geübten Griffen drückte er meine Hände auf den Rücken, „Hör' bitte auf hier rumzuzappeln. Sonst hören sie uns, bitte..."

Da hörte ich es.

Schritte.

Leise. Langsam.

Das waren keine Schritte von einem der anderen. Diese Schritte waren nicht unsicher, nein, sie wurden mit Bedacht gesetzt.

Vorsichtig.

Berechnend.

Und sie waren viel zu nah.

Ich gab meinen Widerstand auf, was dafür sorgte, dass Jake seinen Klammergriff lockerte. Gänsehaut kletterte meine Arme nach oben. Er war hier. Der Mann ohne Gesicht.

Und er war mir so nah.

„Die anderen..."

„Ich habe ihnen längst geschrieben", er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Erst jetzt merkte ich, wie sehr ich zitterte, „Sie sind da hinten aus dem Wald raus, konnten dich aber nicht finden. Ich war die ganze Zeit in eurer Nähe... gerade so viel Abstand, dass ich euch noch hören konnte... großer Gott, Ellie, weißt du eigentlich was für eine dumme Idee das war? Für einen kurzen Moment dachte ich, ich habe dich ebenso verloren."

„Ich bin hingefallen", flüsterte ich leise zurück und versuchte mich so gut es ging nicht zu bewegen, „das war keine Absicht."

„Es war eine Scheiss-Idee in den Wald zu gehen. Es war eine Scheiss-Idee nach Duskwood zu fahren und überhaupt war es eine Scheiss-Idee, dass ich dich..."
„Jake..."

Das nächste Geräusch war nah. Zu nah.

Keine zwei Meter neben uns bewegte sich etwas im Gebüsch. Beinahe geräuschlos drückte Jake sich an mich und damit uns beide näher an den Baum und verdeckte uns dabei mit seiner schwarzen Kleidung.

„Bleib ganz still", seine Stimme war nur ein Hauch, „beweg' dich nicht."

Ich presste meine Augen zusammen, während ich den Schritten lauschte. Das leise Knacken kleiner Zweige, ein schwerer, träger Lauf. Dann das Knipsen einer Taschenlampe.

Fuck.

Ich konnte nicht atmen, presste mich so sehr gegen den Baum, dass ich das Gefühl hatte, mit ihm zu verschmelzen. Das Zittern, welches sich zunächst nur leicht angefühlt hatte, wurde immer stärker und ich hatte Angst, dass es uns verraten würde.

Als ich die Augen öffnete, konnte ich den Lichtstrahl erahnen, wie er durch das dichte Gestrüpp leuchtete und nach uns suchte.

„Shhh", hauchte Jake leise.

Duskwood - Das letzte Puzzle-TeilWhere stories live. Discover now