Kein Morgen

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TRIGGERWARNUNG: Auch hier möchte ich nochmal eine TW für physische und psychische Gewalt aussprechen 


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Ihre Arme waren, genauso wie meine, am Rücken gefesselt, die Haare waren verfilzt und sie hatte ein bereits leicht verblasstes Hämatom unter dem linken Auge – doch sie lebte.

Hannah war am Leben.

„Ich habe dich gefunden", flüsterte ich fassungslos und erschrak gleichzeitig, wie schwach meine Stimme klang.

Hannah lächelte ein kleines, trauriges Lächeln.

„Ja, Ellie... leider. Du hättest nicht herkommen dürfen. Jetzt wirst du sterben, genau wie ich."
Sie schloss die Augen und lehnte ihren Kopf gegen die Wand hinter sich.

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, denn es gab keine gute Antwort.

Es war von Anfang an eine Möglichkeit gewesen, dass unser Plan fehlschlagen würde. Ich hatte nur nicht geahnt, dass sie sich so sehr auf Jake konzentriert hatten. Seine Verhaftung schien der Polizei ein größerer Fang zu sein, als Hannahs Rettung... es war unfassbar.

Ächzend rückte ich meine Arme den Seilschlingen zurecht, um an mein Handgelenk zu kommen – doch die Uhr mit dem Peilsender war verschwunden.

Shit, sie hatten sie entdeckt.

Meine Augen begannen zu brennen, immer mehr realisierte ich, dass es tatsächlich die Möglichkeit gab, dass ich hier sterben könnte.

„Was haben sie vor?", flüsterte ich.

„Sie wollen uns überfahren", antwortete Hannah ohne jegliche Emotion, „So wie es mit Jennifer passiert ist. Sie geben uns die Schuld. Dir, mir und ... Amy."

Die Augen schließend atmete sie zittrig aus.

„Was ist mit Amy passiert?"

„Sie war, wie sie immer war... zu laut, zu aufmüpfig... irgendwann haben sie sie weggebracht und tja..."
Sie musste nicht weiterreden, damit ich verstand.

„Wir hatten nach der ganzen Sache keinen Kontakt mehr, weißt du? Ich konnte nach diesem Abend einfach nicht mehr mit ihr befreundet sein. Ich fühlte mich so... schuldig. Gleichzeitig hatte ich die ganze Zeit Angst darüber zu sprechen. Ich konnte mich nie jemandem anvertrauen. Dass es Richy schlecht ging, wusste ich... aber selbst das hatte mich nie dazu gebracht mit ihm über das Geschehene zu reden. Er hatte aber auch nichts mehr dazu gesagt. Nach diesem Abend war das alles... einfach ausradiert, verstehst du? Ich habe einfach mein Leben weitergelebt und irgendwann kam es mir irreal vor, so als wäre es gar nicht passiert. Wie kann das sein, Ellie? Wie kann ich so etwas verdrängen wollen? Wegen uns ist nicht nur Jennifer gestorben, es sitzt auch ein unschuldiger Mann im Gefängnis..."

„Wir waren Kinder", ich wusste genau, wie sich ihre Vorwürfe anfühlten, denn ich empfand es genauso, „was hätten wir tun sollen?"

„Zur Polizei gehen", antwortete Hannah mit fester Stimme.

Ich nickte, weil sie recht hatte.

Mein Kopf schmerzte von den kleinen Steinchen am Boden und auch wenn das, was sie mir gegeben hatten, langsam aufhörte zu wirken, fühlte ich mich noch immer verlangsamt.

„Ich hatte meine komplette Erinnerung daran verloren", gab ich schließlich zu, „Ich wusste nichts mehr, selbst als ich hier ankam. Ich war an so vielen Orten, die ich als Kind total oft besucht hatte und nichts hat geklickt. Jake hat versucht meine Erinnerung zu triggern und selbst das..."

Duskwood - Das letzte Puzzle-TeilWhere stories live. Discover now