18.

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243 Tage

Still gingen wir nebeneinander zu seinem Auto. Harry und ich verbachten den restlichen Abend tanzend. Ich konnte nicht anders, als an meine heutige Erkenntnis zu denken. Das Kribbeln und das Gefühl, welches er in mir erweckte, konnte ich einfach nicht mehr verbergen. Spürte er denn dasselbe? Konnte ich Etwas dagegen tun? Ich konnte mich doch nicht erneut in den Freund meines Bruders verlieben. Dean war von Anfang an gegen die Freundschaft von Harry und mir. Eine Zukunft hatten wir nicht. Doch irgendwie wollte ich es nicht stoppen. Ich fühlte mich noch nie in der Gegenwart eines Mannes so. Noch nie erweckte jemand diese Seite und noch nie fühlte ich mich so akzeptiert und verstanden.

Weiterhin stillschweigen fuhr Harry mich nachhause. Bevor wir uns jedoch voneinander verabschiedeten, sah er mir tief in die Augen: „Möchtest du vielleicht noch eine Runde spazieren gehen?"

Da ich ebenfalls nicht wollte, dass der Abend ein Ende nahm, antwortete ich mit: „Ja, gerne." Ich wusste, dass ich Morgen einen sehr harten Arbeitstag vor mir hatte. Ganz besonders durch die Besucher des Pumpkin Patchs – doch ich wollte jede Sekunde mit ihm genießen. Denn in wenigen Monaten wird ihn seine Zukunft wo anders führen.

Einige Blöcke von meinem Haus entfernt, stiegen wir aus. Tief atmete ich die Oktoberluft ein und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Wir können auch gerne einige Minuten im Auto sitzen, wenn dir kalt ist", strich mir Harry sanft über meinen Oberarm.

Bei seiner Berührung wurde mir sofort warm. Ich lächelte ihn an und schüttelte den Kopf. „Und schlechte Radiomusik hören? Da erfriere ich lieber", scherzte ich und atmete tief durch. „Und so kalt ist es gar nicht, sieh", fuhr ich fort und hob meine Hände. Ich wollte die Situation ein weniger lockern. Denn wir waren die ganze Fahrt über still und sprachen nichts. War er auch so in seinen Gedanken versunken?

Er lachte und sah mir zu wie ich rückwärts die leere Straße entlangging. „Naveen", lachte er und schüttelte seinen Kopf. „Was wird John wohl denken, wenn du morgen übermüdet in die Arbeit kommst?", kam er nun auf mich zu.

Zusammen gingen wir nebeneinander. „Ach, Joe hat vor einigen Jahren bei John gearbeitet. Und sie kam jedes Wochenende übermüdet in sein Café. Man könnte meinen, er würde nichts Anderes von unserer Familie erwarten", grinste ich vor mich hin.

Vielleicht war es der Alkohol in mir, doch aus irgendeinem Grund schweiften meine Gedanken zu unserem fast-Kuss. Im nächsten Moment spürte mein Körper die kühle Luft nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Plötzlich erfüllte eine unglaubliche Wärme jeden Zentimeter in mir. „Danke für den Abend, Naveen", schien Harry meine Gedanken zu lesen. Meine Augen schweiften zu ihm. Worauf ich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen sah. „Ich habe einen unbeschwerten Abend mit dir gebraucht", griff er instinktive nach meiner Hand. Und ich ließ diese Berührung zu.

Eigentlich wusste ich, dass Harry nicht über seine Gefühle oder seine Situation sprach. Doch ich fragte: „Möchtest du darüber reden?" Seine Hand drückte ich leicht um ihm das Zeichen zu geben, dass es okay war darüber zu sprechen.

Vielleicht war es die kühle Oktoberluft und auch vielleicht eine Erkenntnis auf seiner Seite. Doch er gab mir tatsächlich eine Antwort. „Du weißt, dass dein Bruder kein großer Fan von dem hier ist, oder?", blieb er stehen. Doch meine Hand hielt er weiterhin in seiner.

„Was hat er mit diesem Abend zu tun?", runzelte ich meine Stirn und sah ihn fragend an. Natürlich wusste ich, dass mein Bruder mir am liebsten den Kopf abreißen würde. Ich erinnerte mich zurück an den Beginn des Abends. Harry war eigentlich mit Dean, Alex und anderen Freunden unterwegs. Doch entschied sich den Abend mit mir zu verbringen.

„Ich hatte heute eine kleine Auseinandersetzung mit Alex", sprach er plötzlich, während mein Herz stehenblieb. Wusste Harry wieso Alex und ich nicht mehr zusammen waren? „Dein Bruder hat Etwas davon mitbekommen", er runzelte seine Stirn und sah im nächsten Moment nicht mehr in meine Augen. „Irgendwer hat wohl Alex erzählt, dass ich nun mehr Zeit mit dir verbringe. Natürlich hat ihm das nicht gepasst. Er hat es dann schlussendlich deinem Bruder erzählt." Er brauchte einige Momente, doch irgendwann fanden seine Augen meine. „Er hat mir dann erzählt, dass du zu ihm meintest, wir wären bloß nur Schulfreunde und er sich um nichts Sorgen machen muss." Harry sah zwischen meinen Augen hin und her und lächelte leicht: „Was, wenn er sich doch Sorgen machen muss? Immerhin habe ich mich dann gegen einen Abend mit ihnen und einen Abend mit dir entschieden."

298 days I   h.sWhere stories live. Discover now