Kapitel 29 - zwei Seiten

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Immer wieder verschwendete ich Gedanken an meinen seltsamen Traum, der viel zu real schien, als wirklich einer gewesen zu sein. Am Morgen hatte Grace Lilly zum Kindergarten gebracht und mich gleich mitgenommen und an der Schule abgesetzt. Ohne sie hätte ich vermutlich nach langem mal wieder den Bus nehmen müssen, denn mein Fahrrad verschmilzt langsam mit der Hauswand. Ich hatte es noch immer nicht geschafft das kaputte Ding zu reparieren und da ich sowieso keine wirkliche Ahnung hatte, rührte ich es nicht an. Vielleicht würde ich irgendwann einmal die Zeit finden?

Wie sehr ich mir jetzt wünschte Nora und Kathie zu sehen, doch daraus wurde leider nichts. Meine ersten Stunden hatte ich bei Mr. Cox, der noch immer suspendiert war. Doch wie sich herausstellte, waren die Gerüchte eines neuen Lehrers keine Lüge, denn durch die offene Türe trat eine Frau, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ihre braunen Haare waren hochgesteckt und eine zierliche Brille schmückte ihr Gesicht. Sie versteckte ihre weiblichen Züge nicht, stellte sie jedoch auch nicht zur Schau. Sie war hübsch. Sogar sehr. Und sie schien in Davids Alter zu sein. Ich bemerkte die Blicke der Jungs aus meiner Klasse und konnte sie verstehen. Wir hatten kaum weibliche Lehrer und wenn, dann war sie nicht so jung und gut aussehend, wie die Frau vor uns, die uns freundlich anstrahlte. Ich musterte sie eindringlich. Ob David sie auch hübsch fand? Bei dem Gedanken zog sich mein Magen zusammen. Oh Gott... Ich war doch nicht neidisch? Eifersüchtig? Ganz sicher nicht!

Verlegen strich ich mir die Haare hinter mein Ohr und als ich wieder aufblickte, betrat Caleb das Klassenzimmer. Als er die Lehrerin sah, verharrte er in der Bewegung. Für einen Moment schauten sie sich nur schweigend an, dann legte sich das künstlichste Lächeln, welches ich bei Caleb je gesehen hatte, über seine Lippen.

„Wie ich sehe gibt es also doch Unterricht...", bemerkte er giftig und ging durch den Gang an mir vorbei, wobei sich für einen kurzen Augenblick unsere Augen trafen, bis er sich abwandte und an seinen Platz am Ende des Raumes setzte. Mir entging das seltsame Gefühl nicht, dass Caleb etwas an ihr nicht gefiel. Umso besser. Dann war ich nicht allein. Auch wenn meine Gründe oberflächlich und unbegründet waren. Ich verdrehte innerlich meine Augen für diese bescheuerten Gefühle und schenkte der Lehrerin wieder meine Aufmerksamkeit. Sie schaute Caleb mit einem nichtssagenden Blick an, als sie wieder begann zu Lächeln und die Papiere, die sie in der Hand hielt auf das Pult ablegte.

„Also dann...", begann sie. „Mein Name ist Mrs. Schaefer und wie ihr sicher bereits erfahren habt, vertrete ich für unbestimmte Zeit Mr. Cox. Ich unterrichte die Fächer Deutsch und Religion, sowie auch Wirtschaft und Politik. Wie es erst einmal scheint, werde ich sie von heute an öfter zu Gesicht bekommen und freue mich schon auf die großartige Zeit."

Ihr Lächeln wurde noch breiter und irgendetwas daran missfiel mir. Es erinnerte mich an Jemanden, doch an wen wollte mir nicht in den Sinn kommen.

Am Ende ihrer Stunde begab ich mich die überfüllte Treppe nach unten zur Mensa. Ich freute mich auf meine beiden Freundinnen und konnte es kaum erwarten ihnen von dem Traum zu erzählen. Während ich mitgezogen wurde, kam ich nicht drumherum, mich für das vorschnelle Urteil von Mrs. Schaefer zu schämen. Ich gab es nur ungern zu, doch sie war das genaue Gegenteil von Mr. Cox und damit eine klasse Lehrerin. Irgendwie machte es genau das noch schlimmer. Nett, hübsch und intelligent. Ich hoffte einfach, dass sie sich nicht an David klammerte... oder schlimmer noch andersherum. Die Vorstellung davon gefiel mir überhaupt nicht und ich spürte den kleinen Stich in meinem Herzen. Und wenn ich so darüber nachdachte, dann hatte er mir nicht vor allzu langer Zeit einen Korb gegeben. Ich sollte nicht zu viel in den Kuss hineininterpretieren. Er hatte sicher nur Mitleid mit mir gehabt, weil er spürte, wie ich über ihn dachte. Rücksichtsvoll drückte ich mich an den jungen Schülern vorbei und ging mit zügigen Schritten zu unserem kleinen Stammplatz am Fenster, an dem sich bereits Kathie und Nora unterhielten.

Charlotte - tödliches VerlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt