Happy Birthday

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"Happy Birthday!", schreien Liz und Emma überdreht und fallen mir um den Hals. Es ist Freitag und die beiden hatten darauf bestanden bei mir zu übernachten. In den letzten zwei Wochen hatten sie sich echt gut angefreundet und langsam begann ich mich in der Schule einzuleben. Der 'Ausraster' vor einer Woche im Unterricht hatte mir einige Probleme eingebrockt, aber ich hatte es wohl überlebt. Heute ist der erste September, mein Geburtstag. Endlich siebzehn. Jetzt fragt ihr euch vielleicht: Siebzehn? In der zehnten? Ja, meine Eltern fanden es eine tolle Idee mich einfach mal etwas später einzuschulen... Probleme hat das nicht gemacht, es fühlt sich nur komisch an immer ein Jahr älter als alle anderen zu sein.

"Mach meins zu erst auf!", ruft Emma und schmeißt mir ein kleines Paket in den Schoß. Eigentlich hatte ich gesagt, dass ich keine Geschenke wollte, aber die beiden hörten schon seit langem nicht mehr auf mich. Bevor ich das lila Geschenkpapier aufreiße schaue ich noch schnell auf die Uhr. Wie konnten die nur so gelassen sein, wenn wir eigentlich in zehn Minuten losfahren müssten.

Ich werde jetzt nicht aufzählen, was sich hinter all dem Geschenkpapier versteckte. Was mich aber am meisten überraschte war das Geschenkt von Andre: Ein goldenes iPhone. Fragt mich nicht wie er auf die Idee kam mir ein Handy zu kaufen, aber er fand es wohl wichtig. Ich muss sagen das Handy war eigentlich voll schön, aber ich war mich nicht ganz sicher was ich damit anstellen soll... Als Emma und Liz davon hörten flippten sie komplett aus.

"Bitte was?! Der schenkt dir einfach so ein iPhone zum Geburtstag?!", schreit Emma entsetzt und starrt meinen Bruder entgeistert an. "Blou, kann ich mir den mal ausleihen?" Liz stimmt ihr nickend zu. Ich zucke mit den Schulter und sehe Andre entschuldigend an.

In der Schule werde ich glücklicherweise nicht so stürmisch begrüßt. Ich erhalte einige 'Alles Gute zum Geburtstag' und ein paar Umarmungen. Sam grinst mich vielsagend an, als er mir ein Päckchen überreicht und ich traue mich erst nicht es aufzumachen. In einem kleine Kästchen liegt ein paar wunderschöner Ohrringe. Ich falle ihm und den Hals und er nuschelt etwas von 'Meine Schwerster hat mitgeholfen auszusuchen' in meine Haare. In den letzten Wochen hat er versucht mich noch einige Male zu einem weiteren Date zu überreden, aber bis auf ein 'ja vielleicht' ist noch nichts weiter passiert.

Aus Prinzip gehen Liz und ich Leon vollkommen aus dem Weg, was ihn nicht zu stören scheint. Ich habe erfahren, dass er die erste Woche der Schulzeit noch im Urlaub war und deshalb nicht da war. Er hat seit diesem einen Gespräch am Montag nicht mehr mit mir gesprochen, was mich nicht allzu sehr stört. Die ständigen Blicke meiner Mitschüler haben sich langsam gelegt. Sie scheine sich daran gewöhnt zu haben, dass ich wieder da bin und Nummer- 1- Gesprächsthema bin ich auch nicht mehr. Ich fühle mich langsam ganz wohl hier, auch wenn es mir oft schwer fällt an den immer noch geschlossenen Türen in der Diele vorbei zulaufen. Nachts wache ich manchmal weinend auf und liege dann stundenlang einfach nur da und lasse die Erinnerungen zurückkommen, wie Wellen aus Angst und Traurigkeit. Ich habe noch einige Male mit Jerry telefoniert, der schon fast dabei ist eine Reise nach Deutschland zu planen, einfach nur, weil er mich so vermisst. Ich habe ein verdammt schlechtes Gewissen ihn einfach so da gelassen zu habe, aber ich hatte doch keine andere Wahl, oder?

Ich blicke Nick an, der mich schon die ganze Zeit anstarrt. Wir haben mal wieder Französisch und er hat es aufgegeben Gedichte in sein Heft zu schreiben.

"Und, feierst du noch?", fragt er neugierig. Ich schüttle den Kopf.

"Solange Liz und Emma keine Überraschungsparty geplant haben nicht", sage ich. Er hat aufgehört mir hinterherzurennen und eher angefangen sich normal mit mir zu unterhalten. Da er ein sehr guter Freund von Liz ist, ist er schon mehrfach mitgekommen, wenn wir irgendetwas unternommen haben.

Er lacht. "Da besteht ein verdammt hohe Wahrscheinlichkeit", meint er und schüttelt vielsagend den Kopf.

"Ich weiß", sage ich und starre in mein Heft. "Aber ich hätte mehr Lust auf einen gemütlichen Abend, einfach vor dem Fernseher mit Pizza oder so", sage ich nachdenklich. Er lacht wieder und wendet sich dann dem Unterricht zu.

Als ich zu Hause ankomme ist es schon fast vier- auch an seinem Geburtstag machen die Lehrer keine Ausnahmen... Gerade als ich die Haustür aufschließe klingelt das Telefon- obwohl es auch sein könnte, dass es schon vorher geklingelt hat. Ich laufe in die Küche und sehe eine völlig fremde Nummer auf dem Display.

"Emilie Harvey", sage ich nichtsahnend in den Hörer. Die Stimme am anderen Ende bringt mein Herz zum Stillstand.

"Blou?", sagt er und ich lasse den Hörer sinken. Sollte ich jetzt glücklich durch die Gegend hüpfen, vor Freude kreischend oder ihn anschreien, weil er sich die letzten drei Wochen nicht gemeldet hat? Nach einigen Augenblicken heben ich den Hörer wieder ans Ohr.

"Ja?", sage ich und versuche so unwissend wie möglich zu klingen, als hätte ich seine Stimme nicht erkannt.

"Hier ist Tim", erklärt er und der britische Akzent bricht das einbahnfreie Deutsch.

"Hi"

"Alles Gute zum Geburtstag." Ich höre in seiner Stimme, dass ihn Schuldgefühle plagen.

"Danke", murmle ich und bleibe angewurzelt in der Küche stehen, als es an der Haustür klingelt.

"Es tut mir leid, Blou", beginnt er. Auf diese Leier habe ich gerade keine Lust. Ich gehe immer noch mit den Hörer zur Tür und mache der neugierig dreinblickenden Emma auf.

"Wer ist das?", flüstert sie und schleicht sich schon fast ins Haus. Ich nehme den Hörer vom Ohr, an dessen anderen Ende alles stumm ist und stelle auf Lautsprecher.

"Tim, sag mal hallo Emma", sage ich und muss bei Emmas erschrockenen Blick fast grinsen.

"Hi Emma", sagt er immer noch nicht sehr freudig.

"Tim! Man, das du dich nochmal meldest!", spricht meine beste Freundin das aus, was ich die ganze Zeit denke.

"Ja", sagt er.

"Wie läuft's bei dir?", fragt sie weiter, und versucht anscheinend ein ganz normales Gespräch aufzubauen.

"Darüber wollte ich gerade mit Blou reden", erklärt er und Emma sieht mich vielsagend an.

"Ah! Ok, dann will ich euch mal nicht stören", sagt sie schnell und verkneift sich sichtbar ein Lachen. "Blou, Liz kommt gleich noch", sagt sie zu mir und ich nicke nur. Liz hatte eine Stunde vor mir Schluss gehabt.

Ich stelle den Lautsprecher am Telefon ab und gehe ins Wohnzimmer.

"Also, was willst du?", frage ich Tim, der mal wieder stumm ist.

"Hör zu Blou", sagt er und seine Stimme ist plötzlich ganz fest. "Ich entschuldige mich, das ich mich nicht gemeldet habe. Hier ist gerade ziemlich viel los und ich habe ziemlich Stress." Ich schaue aus dem Fenster und warte darauf, das er weiteredet. "Ich habe nochmal mit Amelie gesprochen", beginnt er und ich weiß worauf das hinausläuft.

"Ihr habt euch entschlossen es doch nochmal zu versuchen?", rate ich und sehe Tim vor mir, der die Hand übers Gesicht streicht und sich wünscht das nicht sagen zu müssen.

"Ja."

Ich nicke, obwohl er das durch den Hörer nicht sehen kann. "Hatte ich mir gedacht."

"Ich denke das ist für uns alle besser", sagt er nach kurzem Schweigen. Ich sage nichts. "Ich wünsche dir noch einen schönen Geburtstag", sagt er und legt auf.

"Den werd ich jetzt nicht mehr haben", murmle ich und blicke aus glasigen Augen nach draußen.

"Was hat er gesagt?", fragt Emma neugierig, als ich das Telefon in der Küche in die Ladestation stecke.

"Er hat Schluss gemacht." Das Entsetzten in ihrem Gesicht ist fast hundert Mäuse wert.

"Nein", haucht sie und schließt den offenstehenden Mund wieder. Ich zucke mit den Schultern. "Das kann er doch nicht machen!", ruft sie und springt auf. "Nicht an deinem Geburtstag! Den werd ich jetzt sofort anrufen." Sie greift nach den Telefon, doch ich halte sie auf.

"Lass es", sage ich und setzt mich auf den nun freigewordenen Stuhl. "Es hätte so eh nicht funktioniert."

"Ach Blou!" Emma schlingt ihre Arme um mich und flüstert mir ein 'Alles wird gut' ins Ohr. Wenn es doch nur so wäre...

Make a wishWhere stories live. Discover now