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In der Aurora war viel los. Direkt neben dem Eingang saß eine einzelne Person an einem Tisch, gegenüber des Eingangs befand sich eine Bühne, auf der eine Liveband gerade ohrenbetäubend laut spielte. Links von mir befand sich die Bar, doch Phil konnte ich dort nicht entdecken. Er musste also irgendwo unter den Gästen sein.

Es dauerte eine Weile, bis ich Phil gefunden hatte. Gerade schenkte er zwei jungen, hübschen Frauen etwas zu trinken ein. Hoffentlich würden sie später in der Lage sein, alleine nach Hause zu kommen. Sie hatten beide mindestens zwei Drinks zu viel intus. 

Ich überlegte, ob ich auf Phil zugehen oder warten sollte, bis er auf mich zukommt. Doch er nahm mir die Entscheidung ab. Langsam kam er auf mich zu und blieb etwa einen Meter von mir entfernt stehen. Sein Blick glitt über meinen Körper und verweilte ein bisschen zu lange dort, bis er mir wieder in die Augen sah. Er grinste anzüglich. Schließlich überwand er auch den letzten Meter zu mir.

"Und? Mit wem habe ich heute das Vergnügen?", schrie er mir ins Ohr. Sein Atem hinterließ ein unangenehmes Gefühl auf meiner Haut, ich bemühte mich um ein Lächeln. "Ich heiße Alessia. Du bist Phil, oder?" Ich klimperte mit den Wimpern und kam mir dabei total albern vor, auf andere wirkte es aber anscheinend nicht so albern. Manchmal fragte ich mich echt, was Männer an mit den Wimpern klimpernden Frauen fanden. Sie waren vermutlich alle schwanzgesteuert. Naja, fast alle.

"Ja, der bin ich. Ich wusste gar nicht, dass ich außerhalb von Duskwood so bekannt bin. Du bist ja nicht aus Duskwood. Kenne ich dich irgendwoher?" Neugierig neigte er den Kopf zur Seite. "Mehr oder weniger. Aber du willst mit mir jetzt bestimmt nicht über sowas reden, oder?" "Oh ja, da hast du recht. Ich mag eigentlich lieber eine andere Art von Kommunikation." Hat er mir gerade allen Ernstes zugezwinkert?! "Ich auch. Ich bin lieber dafür, wenn es ruhiger und ungestörter ist, oder was meinst du?" 

Ich kam mir so schlecht vor, weil ich hier mit diesen Mann flirtete, obwohl ich doch eigentlich vergeben war. Okay, zwar nicht offiziell, aber mein Herz war definitiv schon vergeben. "Dann lass uns von hier verschwinden." Phil legte mir einen Arm um meine Schultern und führte mich aus dem Raum, eine Treppe hoch und einen Gang entlang. Schließlich standen wir in einem Schlafzimmer. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Meine Idee kam mir jetzt im Nachhinein total bescheuert vor. Was hatte ich mir dabei nur gedacht?!

Phil sah mich an, etwas loderte in seinen Augen auf. Als er sich zu mir herunterbeugte und mich gerade küssen wollte, ging ich einen Schritt zurück, ich konnte das einfach nicht. Verwundert blickte Phil mich an. "Sorry, ich kann das einfach nicht", murmelte ich vor mich hin und wollte mich an ihm vorbeischieben und das Zimmer verlassen, allerdings hielt er mich fest. Nun musterte er mich wieder und die Erkenntnis blitzte in seinen Augen auf. "Du bist also Julia." Ich überlegte, ob ich Phil nicht einfach die Wahrheit sagen sollte, als er mein Schweigen als Zustimmung auffasste. "Ich glaube, ich muss mich bei dir bedanken. Du hast mich aus dem Gefängnis geholt. Was machst du denn hier? Und warum hat mir Jessy nicht gesagt, dass du in der Stadt bist?" 

Ich gab mich geschlagen. "Ich habe dich nicht aus dem Gefängnis geholt, die Person, die gegen dich ausgesagt hat und der Polizei somit bewies, dass du in Verbindung zu Michael Hanson stehst, hat ihre Aussage zurückgezogen, sodass die Polizei nicht genügend Beweise hatte, dich weiter festzunageln. Bitte sag niemandem, dass ich hier in der Stadt bin. Wir müssen davon ausgehen, dass Hannahs Entführer es auch auf mich abgesehen hat, daher versuche ich auch meine Identität zu verschleiern." "Was dir offensichtlich nicht gut gelingt", unterbrach mich Phil und lachte. Ich antwortete bissig. "Bisher lief eigentlich alles super. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du es mit wirklich jeder treiben willst. "Grinsend verdrehte ich die Augen. Phil räusperte sich. "Zugegeben, wenn du mich damals nicht im Auto angerufen hättest, hätte ich wohl nie erfahren, welche hinreißende Braut nicht mit mir schlafen wollte." "Diese Sprüche kannst du dir sparen. Aber warte, woran hast du mich denn jetzt erkannt?" 

Verständnislos sah ich ihn an, dann dämmerte es mir. "Oh, du hast mich an meiner Stimme erkannt." Phil nickte. Plötzlich fiel mir etwas ein. "Moment mal, sagtest du nicht damals, dass du mich wegen deiner schlechten Internetverbindung nicht hören könntest?" "Nicht nicht hören, sondern nicht verstehen. Deine Stimme konnte ich hören, jedoch war es zu dem Zeitpunkt auf der Straße sehr laut, dass ich deine Worte nicht verstehen konnte. Das mit der schlechten Verbindung war nur eine kleine Notlüge." Er kicherte. 

"Als ich dich vorhin angesprochen habe und du mir deinen falschen Namen genannt hast, war ich etwas verwirrt, deine Stimme kam mir so bekannt vor. Und dann wolltest du nicht mit mir schlafen, noch ein Indiz dafür, dass du kein normales Mädchen bist." "Na toll, also habe ich mich dir gegenüber allen Ernstes dadurch verraten, dass ich nicht mit dir schlafen wollte?", murmelte ich, ich kam mir so bescheuert vor. "Naja, dadurch habe ich überhaupt erst versucht herauszufinden, wer du bist. Ich kann mir schon vorstellen, weshalb du mit mir reden wolltest. Es geht wieder um Hannah, oder?" Genervt rollte er mit den Augen. 

"Eigentlich geht es viel mehr um ein gewisses Armband, welches du beim Pfandleiher abgegeben hast." "Ein Armband? Wie sieht es denn aus?" Erleichtert, dass Phil angebissen hat, zeigte ich ihm das Foto von dem Armband. "Hmm, es kommt mir tatsächlich bekannt vor." "So wie meine Stimme?" "Ja. Lass mich überlegen... genau, ich hatte das Armband ziemlich bald, nachdem ich die Aurora übernommen hatte, im Keller der Aurora gefunden. Als es nach Wochen niemand mehr abgeholt hat, habe ich es für ein ordentliches Sümmchen verkauft." "Also wusstest du nicht, wem es gehörte?" "Nein." 

"Okay, schade, ich hatte gehofft, ein Detail von dir zu erfahren, welches uns Hannahs Entführer näherbringen könnte." "Tut mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen konnte. Kann ich sonst noch irgendwas für dich tun? Wie wäre es mit einem Drink aufs Haus?" "Nein, das wars auch schon. Denk daran, bitte nichts Jessy oder den anderen verraten." "Na klar, du kannst auf mich zählen." "So und ab jetzt bin ich wieder für dich Alessia." "Alles klar Alessia. Ich kann dich wohl nicht dazu überreden, noch ein wenig zu bleiben?"

Ich prustete los. "Phil, lass das..." "Hey Phil, was ist denn hier los? Oh, störe ich euch gerade bei etwas?" Bedeutend sah Jessy zwischen Phil und mir her. "Nein Schwesterherz, Juuu.....". Ich räusperte mich kurz. "Äh Alessia hat sich nur mit mir unterhalten." Jetzt war es Jessy, die losprustete. "Ihr habt euch nur unterhalten? OMG Phil, du hast einen Korb bekommen?!" Jetzt warf sie sich weg vor Lachen. Sie wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. 

"Ähm, ich wollte gerade eigentlich wieder gehen." Langsam ging ich rückwärts zu der Tür. "Oh, schade, vielleicht treffen wir uns ja wieder, du scheinst anders als die anderen zu sein." "Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Jessy." Ich lächelte. "Mich auch." Unvermittelt zog mich Jessy in ihre Arme, ich erwiderte ihre Umarmung. Phil grinste uns an. Ich verdrehte die Augen und löste mich vorsichtig aus Jessys Umarmung, um sie nicht zu verletzen. "Schönen Abend euch noch." Ich winkte. "Bis bald, Alessia."

Im Motel angekommen, schmiss ich mich auf mein Bett und schlief augenblicklich ein.


𝙳𝚞𝚜𝚔𝚠𝚘𝚘𝚍 ~ 𝚈𝚘𝚞 𝙰𝚛𝚎 𝚃𝚑𝚎 𝙺𝚎𝚢Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt