,,Konzentriere dich, junger Kamado. Versuche, dass verletzte Blutgefäß in deinem Körper wieder zu schließen!", versuchte Rengoku Tanjiro zum zweiten Mal zu erklären, wie er alleine seine Wunde heilen sollte, und deutete dabei auf die Stichwunde des jungen Schwertkämpfers. Um uns herum war es immer noch dunkel, jedoch konnte man am entfernten Horizont schon etwas des hellen Lichtes der Sonne sehen. Erleichtert atmete ich aus und ließ mich nach hinten auf meinem Hintern fallen. So schnell war eine Nacht noch nie vergangen und noch nie war eine Nacht so gefährlich gewesen. Vielleicht hätte ich doch lieber wegrennen sollen, als ich die Chance dazu hatte, denn nochmal das gleiche Theater durchmachen würde ich sicherlich nicht ertragen. Schwerfällig begutachtete ich den von den Schienen gerutschten Zug, dessen erster Waggon fast vollständig auf dem Boden lag. Von meiner Position aus konnte man jedoch kaum etwas genaues erkennen, weswegen ich es schließlich aufgab. Meine Gedanken schwebten immer noch hin und her und je mehr ich versuchte sie beiseite zu drängen, desto mehr musste ich an Minaru denken. Wie ging es ihr wohl? Hatte man ihr ihre Portion Blut schon verabreicht? Waren die Leute dort freundlich zu ihr? Ich schüttelte den Kopf und legte mir die Hand an die Stirn. Frage über Frage, aber keine Antworten. Das passte zu meinem Leben. Es gab so vieles, was ich gerne wissen wollen würde, doch niemand schien die Antworten auf meine Fragen zu wissen. Früher schon und jetzt auch. Mein Leben schien ein einziger Zirkus zu sein, wobei ich die ganze Zeit an einer Kette hing, und auf meinen Auftritt zu warten schien. Ich sollte mir keine zu großen Hoffnungen machen, dass war mir klar, doch was sollte ich dann tuen? Ich hatte bereits beschlossen weiterzuleben. Da konnte ich ja wohl auch Freunde finden, oder? Ich warf einen flüchtigen Blick zu den zwei Schwertkämpfern, die es mittlerweile geschafft hatten, Tanjiro's Wunde zu schließen. Meine Lippen kräuselten sich. Konnte ich ihnen wirklich vertrauen? Ich war niemand, der gerne auf Risiko setzte. War ich nie gewesen und würde ich auch niemals sein. Ich wandte den Blick von den beiden ab. Was tat ich hier überhaupt? Meine Familie war umgekommen. Abgeschlachtet worden. Und von wem? Genau... Von Demon Slayern. Ich biss mir nachdenklich auf die Unterlippe und schlang die Arme um die Knie. Gab es einen größeren Verrat an seine Familie, als sich mit deren Mördern zusammen zu tuen...? Nein, ich glaube nicht. Meine Fingernägel bohrten sich gefährlich scharf in meine Hose, wodurch der Stoff leicht kaputt ging. Ich war doch ein Mäusehirn. Wieso war ich nicht abgehauen? Warum?! ... Meine Gedanken verstummten, genauso, wie mein Atem aufhörte. In mir machte etwas Klick. Da war ein Grund, warum ich mich gegen meine eigene Moral gewendet hatte. Da war etwas, wofür sich das ganze hier lohnte. Mein Klammergriff um meine Knie ließ nach und augenblicklich erhellte sich meine Welt einwenig. Ich lächelte leicht, als ich in den Nachthimmel hinauf starrte. Meine Familie hatte ich nicht retten können. Nicht beschützen können. Langsam rappelte ich mich wieder auf, und klopfte mir den Staub von meiner Hause. Minaru würde ich beschützen. Ganz bestimmt.
An einem anderen Ort, zur selben Zeit...
Vorsichtig strich ich mir durch die langen, mondweißen Haare. Den Blick in den Spiegel gerichtet saß ich auf einem schlicht überzogenem Krankenbett und betrachtete mich unbeeindruckt. Draußen würde bald die Sonne aufgehen, weshalb ich die Vorhänge meines Fensters zugezogen hatte. Aus meinem Mund drang ein leises Seufzen, als ich vorsichtig die silbrige Schere nahm, die auf meinem hölzernen Nachtisch lag. Kocho-sama hatte sie mir zum Anfang der Nacht dagelassen, weil ich sie darum gebeten hatte. Vorsichtig setzte ich die scharfe Eisenklinge an meinen knielangen Haaren. Schnapp! Die erste Strähne fiel zu Boden. Schnipp! Die zweite Strähne fiel zu Boden. Monoton beobachtete ich mein Werk im Wandspiegel, der keine zwei Meter von mir entfernt an der Wand lehnte. Die erste Hälfte war geschafft. Behutsam fasste ich mir an einen Hals, wo nun das neue Ende meiner Haare lag. Ohne große Überlegung schnitt ich weiter, immer weiter, bis auch die andere Seite auf Halslänge ausgerichtet war. Lange, weiße Strähnen Haar hatten sich auf dem Kiefernboden angesammelt, die ich nun aufhob, nur um sie dann in den kleinen Mülleimer zu werfen, der in meinem Zimmer stand. Ich lächelte zufrieden, als ich erneut in den Spiegel sah. Ich sah nicht mehr wie die verängstigte, viel zu junge Spinnenmutter aus, die ich mal darstellen konnte. In meinen Gedanken blitzen ein paar goldene Augen auf, die mich von innen an aufwärmten. Taiyo war ein Segen. Nie hätte ich gedacht, dass mich jemand aus dem Loch heraus holt, in das ich selbst hinein gesprungen war. Mein Lächeln breitete sich auf meinen Mundwinkeln aus, als ich an die hellblonde Aozora denken musste. Sie sah, als ich sie getroffen hatte, nach nicht mehr als einer leeren Hülle aus. Weder nach einem Menschen fressenden Dämon, als auch einem harmlosen Menschen. Ihre leeren Augen, die mich so scheinend neugierig angesehen hatten, hatte ich nichts als pure Trauer gesehen. Ihre Augen sagten alles über sie, egal wie freundlich und hilfsbereit sie sich auch benommen hatte. Ihre Augen, sie waren so still. So still wie ein zugefrorener Winterteich. Mein Lächeln verschwand aus meinem Gesicht. Was war ihr wohl zugestoßen? Wir kannten uns noch nicht sehr lange, und selbst als wir zusammen auf einem Berg gewohnt hatten, haben wir nur gelegentlich etwas miteinander besprochen. Ich stand von meinem Bett auf und trat noch etwas näher an den Spiegel. Trotzdem...! Meine eiskalten Finger gruben sich in den Stoff meines schlichten Shirts und blieben zittrig an der Stelle, wo mein Herz war, stehen. Trotzdem hatte diese Halbdämonin mir geholfen. Sie hatte mich beschützt! Als es gefährlich wurde ist nur sie zurück geblieben und hat mir einen Vorsprung verschafft. Und ich? In meinen himmelblauen Augen bildeten sich, wie auch so oft davor schon, Wasserperlen. Ich hatte diese Chance auf Freiheit, auf Leben, einfach vergoldet indem ich einem anderen Slayer direkt in die Arme gestolpert bin! Frustriert ballte ich die Hände zu Fäusten und sank in mir zusammen. Ein dumpfes Geräusch war zu hören, als ich mich auf dem dreckigen Fußboden zusammen rollte. Dieses Mädchen, Taiyo, die ich nicht gekannt habe, hatte mir einen Namen gegeben. Einem Niemand wie mir, gab dieses Mädchen, als wäre es nichts Bedeutendes, einen Namen. Sie hat mich gerettet. Mehr als nur einmal! Und... Und trotzdem...! Ein leises Schluchzen versuchte aus meiner trockenen Kehle zu entfliehen, als ich versuchte den Klos in meinem Hals hinunter zu würgen. Ich war ihr keine Hilfe, ich war eine Fremde, ich hatte ihr nichts gegeben, sondern hing ihr nur wie eine Fessel ums Bein, die sie daran hinderte, ein freies Leben zu führen. Tief durchatmend setzte ich mich langsam wieder in eine Art Schneidersitz und vergrub das Gesicht in den Händen. Ich schmeckte meine salzigen Tränen, als ich vor mich hin schluchzte, und meine Schultern nicht aufhören konnten zu beben. Ich hatte kein Recht darauf, mich auf sie zu verlassen, jedoch betete ich seit den letzten Stunden immer wieder, sie möge noch einmal zu mir zurückkommen, und noch einmal meinen Namen rufen...
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☼I.Need.You☼ ''Rengoku FF''
Fanfiction,,Allein dein Lächeln zu sehen, gibt mir genug Kraft, weiter zu machen. Solange du lebst, werde ich niemals von deiner Seite weichen..." Taiyo Aozora ist, die wohl einzig wahre Halbdämonin, die es jemals geben würde. Seitdem ihre Mutter, ihr Vater...
