4. Kapitel

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Was um alles in dieser Welt ist in meinem letzten Schuljahr passiert? Wenn mich ein wildfremder danach Fragen würde, er würde sicherlich nur den Kopf schütteln und denken ich will ihm einen Bären aufbinden.

Wie bewusstlos, liege ich auf meinem Bett und lasse das letzte Jahr an mir vorbei ziehen.

Die erste schlechte Nachricht, die ich nach den Sommerferien in Erfahrung gebracht habe war, dass mein absoluter Lieblingslehrer, Herr Hene der mich fast meine komplette Abi Zeit begleitete, nicht mehr unterrichten wird. Herr Hene hatte einen Schlaganfall und wird durch einen neuen, jungen Lehrer ersetzt, der ihm nicht das Wasser reichen kann. Dachte ich.

Zudem hatte ich nach meines Erachtens nach den besten ersten Freund, den ich mir wünschen konnte. Bruno, er trug mich auf Händen und wollte mir die Welt zu Füßen reichen. Das dachte ich zumindest, bis sich herausstellte, dass er schon Monate zuvor eine geheime Beziehung mit meiner besten Freundin aus Kindheitstagen einging und sie zu allem Überfluss auch noch schwängerte.

Nicht nur, dass ich meinen ersten Freund durch diese Aktion verloren habe, nein, auch noch meine beste Freundin. Die wohl den Alptraum jedes 18 Jährigen Mädchens durchmachen muss. Schwanger im Abschlussjahr. Das sie mich an ihrer Seite bräuchte, besteht kein Zweifel, aber das ich das nicht kann, daran besteht genauso wenig Zweifel. Die beiden haben mich hintergangen, benutzt und vor allen anderen gedemütigt. Ich habe ihr verziehen, aber so zu tun, als wäre nichts gewesen, kann ich nicht.

Und als ich dachte, alles und jeder stünde gegen mich, war er da. Herr Engel. Der Mann, der mich immer wieder von sich weggestoßen hat, weil alles gegen uns spricht. Doch aus irgendeinem Grund, hat sich das Blatt für ihn gewendet. Vielleicht Liebe? Nicht nur vielleicht, ganz sicher.

Ich habe mich gegen alle Vernunft auf eine Beziehung mit meinem Lehrer eingelassen. Es ist nicht einfach eine solche Beziehung geheim zu halten, in der Schule so zu tun, als würde man den Mann, der vor dem Lehrerpult steht, nicht über alles lieben. Sich nichts anmerken zu lassen und erst Zärtlichkeiten auszutauschen, wenn wir sicher bei ihm zuhause sind.

An Silvester gestand er mir, dass er mich liebt. Obwohl es schon lange offensichtlich war, hat sich keiner von uns zuvor dazu geäußert und dann, als es endlich raus war, konnte ich die drei Worte nicht oft genug zu ihm sagen. Und jetzt? Jetzt scheint alles in sich zusammenzufallen.

Meine Mutter hielt es für die beste Lösung, dass ich diese Woche nicht mehr die Schule besuchen sollte. Und zum ersten Mal, in dieser Woche gebe ich ihr Recht. Es ist Freitag und ich bin fertig. Körperlich wie geistig bin ich am Ende. Seitdem Nick mit mir Schluss gemacht hat, habe ich mein Zimmer nicht mehr verlassen. Zwischen Nick und blieb so vieles unausgesprochen. Indirekt hat er eine Trennung ausgesprochen, bzw. er hat es unausgesprochen gelassen. Es war nicht nötig es laut auszusprechen. Und das Schlimmste ist, ich kann es ihm nicht einmal verübeln.

Es kam bis heute noch keine einzige Nachricht von Nick und heute ist Freitag. Seit Montag Abend herrscht absolute Funkstille zwischen uns. Nur von Marlon weiß ich, dass sich Nick die komplette Woche in der Schule krankgemeldet hat. Nicht einmal, wenn ich mich in die Schule schleppen würde, könnte ich Nick sehen.

Ich fühle mich einfach nur beschissen. Wie konnte ich es zu lassen, dass wir in solch eine Lage kommen? Wie blauäugig war es von mir, meinen Eltern jeden Tag aufs neue so viele Lügen aufzutischen. Es hätte mir klar sein sollen, dass wir irgendwann auffliegen? Und ganz tief in meinem Unterbewusstsein, war es das auch, aber ich wollte es die ganze Zeit nicht wahrhaben. Und jetzt, jetzt zahlen wir den Preis dafür.

Die ganze Woche, habe ich mich in meinem Zimmer eingesperrt. Ich wollte niemanden sehen oder sprechen. Marlon und mein Vater haben das akzeptiert. Mein Vater hat mir jeden Morgen einen Kaffee samt meinem Lieblingsmüsli vor die Tür gestellt und gegen Nachmittag etwas zum Snacken. Ich weiß seine Mühe zu schätzen, doch angerührt habe ich, bis auf den Kaffee, nichts.

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