27. Kapitel

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Bereits nach der ersten Stunde im Zug klappe ich meinen Laptop zu. Für die Hausarbeit, die übernächste Woche fällig ist, habe ich keinen Kopf. Mein Kopf ist voll, aber kein Gedanke davon verschwende ich an die Uni. Zumindest nicht an die Hausarbeit oder die versemmelte Klausur.

Das kommt vor. Mein Vater hat recht. Und es wird sicher nicht die letzte verhauene Klausur gewesen sein. Wichtig ist nur, dass ich wieder ins Gleichgewicht komme und in Zukunft mehr bei der Sache bin. Und den zweiten Versuch bestehe.

Über sechs Stunden hatte ich nun Zeit mir Gedanken zu machen, was ich mit Nick die nächsten Tage besprechen möchte. Erst einmal muss ich ihm wohl oder übel von der Klausur berichten, aber gut. Das werde ich überleben und da es nun einige Tage zurückliegt und ich mich deshalb gründlichst drüber aufgeregt habe, bin ich damit cool. Ein bisschen zumindest. Es reicht, dass ich bei dem Gedanken daran nicht mehr heulen muss.

Viel mehr könnte ich losheulen, wenn ich darüber nachdenke, welche Möglichkeiten Nick und mir bleiben. Die WG ist es nicht. Eindeutig nicht.

Mit den Kopfhörern in den Ohren und meiner Tasche, die ich mir über die Schulter gehängt habe, gehe ich in Richtung Ausgang, nachdem auf der Anzeige „Köln Hauptbahnhof“ erschienen ist.

Der Zug kommt zum Halten und die Menschen, die gemeinsam mit mir aussteigen wollen, quetschen sich an mir vorbei. Um ja die ersten zu sein, die es aus dem Zug schaffen. Idioten. Jeder von uns, der hier steht, möchte raus. Kein Grund zum Drängeln.

Die Türen öffnen sich und die ersten Drängler stürzen sich nach draußen. Nur zu gerne lasse ich ihnen den Vortritt und folge dem freigewordenen Weg.

Wie im Autopiloten steuere ich die riesige Anzeigetafel in der großen Halle an und schaue, wann die Bahn kommt, die mich zur WG bringt. Mein Zug hatte bereits in Berlin eine viertel Stunde Verspätung und ich kriege meine übliche Bahn nicht. Ich habe noch 20 Minuten Freilauf, bis die nächste da ist.

Durch die großen Fenster des Bahnhofes scheint die wärme Frühlingssonne herein und ich beschließe anstatt, in der sticken Halle, draußen in der Sonne zu warten. Mein Vitamin-D-Mangel wird es mir danken.

Auf der erst besten Bank, nehme ich Platz und lege den Kopf in den Nacken, um jeden Sonnenstrahl aufzufangen und zu speichern.

Das vibrieren meines Handys in meiner Hand holt mich wieder auf den Boden der Tatsache und ich richte mich auf. Es ist Nick.

„Hey, ich in einer halben Stunde bei dir, meine Bahn hatte etwas Verspätung“, erläutere ich Nick und prüfe die Zeit auf meiner Armbanduhr. Noch Zehn Minuten, dann kommt endlich meine Anschlussbahn.

„Wie wäre es, wenn ich dich abhole?“, kontert Nick und ich höre ein Lächeln aus seiner Stimme. Ein kleiner Schmetterling flattert in meinem Bauch.

„Nicht nötig, bis du hier wärst, bin ich mit der Bahn bei euch“, versichere ich Nick, obwohl ich natürlich lieber mit ihm in einem Auto sitzen würde, als in der Bahn mit hundert anderen Menschen. Denn immerhin hätten wir dann ein wenig Privatsphäre.

„Und was, wenn ich schon da bin, kommst du dann mit mir?“, lacht Nick und ich richte meinen Blick auf den großen Platz unterhalb des Bahnhofes. Und da steht er. Mit dem Handy am Ohr und mir zuwinkend.

Wie sehr ich ihn vermisst habe. Ich ziehe die Kopfhörer aus meinem Ohr, verstaue sie rasch in meiner Tasche und nehme die Treppenstufen nach unten zu ihm. Dabei überspringe ich jeweils eine und hoffe, dass ich mich dabei nicht auf die Nase lege.

„Hey, ich wollte dich einfach überraschen“, begrüßt er mich und anstatt einer richtigen Begrüßung meiner Seite, schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und presse meine Lippen auf seine. Ich habe ihn nicht nur vermisst, das ist gar kein Ausdruck dafür. Ich kann es gar nicht in Worte fassen. Wir müssen einfach eine Lösung finden.

Bleibst du bei mir?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt