Kapitel 48

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POV Sky

„Ich glaube, es könnte wirklich funktionieren", meinte Svea lächelnd und hielt mir ein Eis hin, das sie uns gekauft hatte. Ich hatte gewusst, dass Amy sich nie einfach so mit Svea abgeben würde. Sie wollte keine Freunde und ließ nie jemanden an sich heran. Die einzige Möglichkeit an Amy heran zu kommen war, in ihre Gang aufgenommen zu werden. Mit Joe hatten wir jemanden, der sich sofort auf Svea einlassen würde. Es war ein hoher Preis, doch sie meinte, sie hätte alles unter Kontrolle. Sie traf sich nur selten privat mit ihm und war taff genug, um mit ihm klarzukommen. „Er wird langsam ungeduldig, aber ich werde sicher nicht mit ihm schlafen", erklärte sie und wir liefen durch die Innenstadt. „Du musst ihr wirklich wichtig sein", fügte sie nach einigen Minuten hinzu und ich seufzte. Darüber wollte ich jetzt eigentlich echt nicht reden. „Ich hoffe, du musst mir nicht helfen, aber es kann gut sein. Sie wird mir nicht vertrauen", murmelte Svea und hatte damit natürlich recht. Sie würde es nicht so leicht schaffen, zu Amy durchzudringen. Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie schwer es für sie werden würde. Amy konnte nicht mit Veränderungen umgehen und würde alles abblocken. Ich konnte und wollte mich trotzdem nicht einmischen. Es waren nur noch drei Wochen, das alles durfte nicht umsonst gewesen sein. Wir liefen durch den Park und ich merkte zu spät, wie dumm dieser Weg war. „Babe", hörten wir Joe rufen, es war zu spät umzukehren. „Fuck", murmelte ich und sah dabei zu, wie Svea zu Joe lief. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als ihn zu küssen. Mein Blick fiel auf Jess und Amy, die jede eine Zigarette in der Hand hielten. Jess sah als erstes auf und ihre Augen weiteten sich erstaunt bei meinem Anblick. Sie trat Amy leicht, um sie auf mich aufmerksam zu machen. Ich erinnerte mich an das erste Mal, an dem ich hier gewesen war. Amy hatte mich damals einfach geküsst und damit völlig verwirrt. Seitdem hatte sich so viel verändert, wir waren völlig andere Menschen. Amys Blick traf meinen, doch er blieb ausnahmsweise so kühl wie sonst. Sie musterte mich und schaute dann Svea an. Ich wusste, dass sie es nicht mochte, wie viel Zeit wir miteinander verbrachten. Zu gerne hätte ich ihr erklärt, dass sie sich keine Sorgen machen musste. „Komm her", meinte Jess und zog mich zu sich. Ich setzte mich neben ihr auf die Bank, Svea war eh mit den anderen beschäftigt. Jess erzählte mir etwas von der Party am Wochenende, doch ich konnte nur halb zuhören. Innerlich war ich total nervös und fühlte mich unwohl. Die letzten Wochen hatten es tatsächlich geschafft, dass ich nicht mehr gerne in Amys Nähe war. Zu sehr belastete mich die Unterdrückung jeder Art von Zuneigung. „Svea ist cool", meinte Jess zu mir und ich nickte lächelnd. Amy verdrehte nur die Augen, sie konnte sie wohl nicht leiden. Unser Plan schien echt nicht gut zu laufen, doch ich wusste auch keine Lösung. Ich suchte nach Amys Blickkontakt und für einen kurzen Moment fand ich ihn. Mit meinen Augen versuchte ich ihr zu zeigen, dass sie ihr eine Chance geben sollte. Sie kannte meinen Ausdruck, da war ich mir sicher. Ich hatte sie schon oft dazu gebracht, netter zu Leuten zu sein. Ihre Augen verengten sich leicht und sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Wieso war sie bloß immer so stur? Ich seufzte und stand auf: „Svea kommst du?" Zum Glück löste sie sich sofort von Joe und winkte den anderen zu. Jess zwinkerte mir zu, Amy ging meinem Blick gekonnt aus dem Weg. Diese ganze Situation machte mich so wütend. Ich brachte es auf dem Heimweg nicht übers Herz, Svea zu beichten, wie wenig Amy von ihr hielt. Sie hoffte so sehr in ihr eine Schwester zu finden.

POV Amy

Wieder einmal war eine Party des Abschlussjahrgangs in der Stadthalle. Jess und ich hatten ein paar Bier getrunken und uns dann zu unseren Freunden gesellt. Ich hatte keine Lust gehabt, feiern zu gehen, doch Jess wusste, wie sie mich überreden konnte. Mein Vater hatte heute Morgen ein Glas zerschlagen und ich hatte mich an den Scherben geschnitten. Meine Handinnenfläche brannte noch immer, doch ich konnte es gut verstecken. Die Party war ziemlich gut besucht und ich war mir sicher, dass auch Sky irgendwo mit Rebecca rumhing. „Heute Nacht wird wild", meinte Joe neben mir und grinste dreckig, als er Svea auf uns zukommen sah. Ich verdrehte die Augen und setzte mein Glas an. Sie begrüßte uns und sagte Joe dann, dass sie gleich zum Bierpong nachkommen würde. Dann setzte sie sich zu mir und meinte: „Auf einen wilden Abend." Ich stieß mit ihr an und trank dann einen großen Schluck. Von Weitem erkannte ich Sky an der Bar, sie trug eine enge Jeans, die echt gut aussah. Gott, wie ich es vermisste, sie anzufassen. „Komm mit zum Bierpong", forderte Svea mich auf, doch ich schüttelte genervt den Kopf. „Komm schon", versuchte sie es weiter und griff nach meiner Hand. Sofort ächzte ich auf und zog meine Hand zurück, sie hatte genau in den Schnitt gefasst. Sveas Blick wurde verwirrt und sie griff blitzschnell nach meiner Hand, um sie sich anzusehen.

Ihre Augen weiteten sich und sie fragte: „War das dein Vater?" Ich schubste sie leicht von mir weg und blitzte sie an: „Das geht dich gar nichts an." Sie sah mich mit der Besorgnis an, die ich sonst immer in Skys Augen sah und meinte: „Du brauchst Hilfe, Amy." Was war denn bei ihr falsch? Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten und erwiderte: „Vögel doch einfach weiter mit Joe und halt dich aus meinen Angelegenheiten raus." Sie kam einen Schritt auf mich zu, was definitiv dämlich war. Ich war wirklich kurz davor, auszurasten, obwohl mir das schon wirklich lange nicht mehr passiert war. „Ich will dir helfen", sagte sie bestimmt, ich kapierte überhaupt nicht, was sie damit meinte. „Du solltest es lieber lassen", drohte ich ihr und spürte das Adrenalin durch meine Adern schießen. Bevor Svea noch etwas sagen konnte, wurde sie etwas von mir weggezogen. Es war ausgerechnet Sky, die sich vor sie stellte und ihre Hand vor meine Brust hob. „Beruhig dich, Am", sagte sie, doch ich starrte weiterhin auf Svea. Was bildete die sich eigentlich ein? „Hey, sieh mich an", hörte ich Sky sagen und spürte im nächsten Moment ihre Finger an meinem Kinn. Sie zwang mich, ihr in die Augen zu sehen und sofort entspannte sich mein Körper etwas. In ihren Augen sah ich Besorgnis und etwas, das wie Angst aussah. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass sie gerade Svea vor mir beschützte. Die Eifersucht durchzuckte mich wie ein Blitz und sofort spannten sich meine Muskeln wieder an. „Du bist auf ihrer Seite?", fragte ich wütend und Sky schien nicht zu verstehen, was ich meinte. Ich schüttelte enttäuscht den Kopf und schob sie aus meinem Weg. Ich war drauf und dran auf Svea loszugehen, doch Skys Hände schlossen sich um meinen Arm. „Hör auf Amy", sagte sie verzweifelt, doch ich schüttelte sie ab. Sveas Blick war ähnlich wütend wie meiner, sie würde nicht zurückzucken. Kurz bevor ich ausholen konnte, schmiss Sky sich mit ihrem ganzen Gewicht so gegen mich, dass ich zurück taumelte. „Sie ist deine Schwester, Am", rief sie verzweifelt und warf mich damit völlig aus der Bahn. Bitte was? Mein Blick wanderte von ihr zu Svea und die Wut in meinem Körper verpuffte. Mein Herz raste wie wild und ich konnte keinen Gedanken fassen. Meine Schwester? Sveas Blick zeigte mir deutlich, dass Sky die Wahrheit sagte. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Ich sah nochmal zu Sky und sah, wie leid es ihr tat. Sie hatte es gewusst und mir nicht gesagt. Wie lange wusste sie es schon? Ich schüttelte den Kopf und griff nach der ersten Schnapsflasche, die ich fand. „Ihr wollt mich doch alle verarschen", murmelte ich und ließ sie stehen. Auf dem Weg nach draußen nahm ich mehrere große Schlucke, ich wollte jetzt nicht mehr denken.

Wie konnte es sein, dass ich eine Schwester hatte. Wo war sie die ganze Zeit über gewesen? All die Jahre, in denen ich allein mit meinen Eltern gewesen war. Wieso tauchte sie jetzt plötzlich auf und freundete sich mit dem einzigen Menschen an, dem ich auf der Welt vertraute. Tränen flossen über meine Wangen, ohne dass ich es verhindern konnte. Sie hatte mein Vertrauen missbraucht, mein Herz tat weh. All der Schmerz der letzten Wochen schien auf mich einzuprasseln und ich wusste nicht wohin mit all diesen Gefühlen. Wütend zerschlug ich die leere Schnapsflasche an einem Zaun. Mein Leben war ein einziger Haufen Scherben und es würde es immer bleiben. Skys Verhalten tat mir viel mehr weh, als die Erkenntnis, dass Svea meine Schwester war. Ich hatte nie einem Menschen so vertraut wie ihr und für mich war sie immer mein Engel gewesen. Sie hatte mich nie zuvor hintergangen und genau das hatte mir so viel bedeutet. Verdammt wieso hatte ich das alles überhaupt gemacht? Ich hasste meine Gedanken, ich wollte sie einfach nur abschalten.

„Brauchst du eine Kippe?", sagte eine Stimme hinter mir und ließ mich zusammen zucken.

Sie ist so viel mehr..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt