Luna Black 6 - Harry Potter

Kapitel 9 ✔️

L U N A

Am nächsten Morgen hatte ich als Erstes Kräuterkunde.
Da ich noch mal zurück in den Schlafsaal musste, um meine Tasche zu holen, wurde ich von Mine ausgefragt und ich erzählte ihr, was gestern alles passiert war.
Sie war wütend auf McLaggen und wollte ihm direkt einen Fluch aufhalsen beim Frühstück in der Großen Halle.
Harry hatte Ron und Mine beim Frühstück nichts von unserer Unterrichtsstunde bei Dumbledore erzählen können, aus Furcht, dass jemand anderes etwas mitbekam, doch auf dem Weg durch die Gemüsebeete hinüber zu den Gewächshäusern holte er es nach.
Der scharfe Wind vom Wochenende hatte sich endlich gelegt; der eigenartige Nebel war zurückgekehrt und wir brauchten ein wenig länger als gewöhnlich, um das richtige Gewächshaus zu finden, während Harry erzählte, wie Dumbledore Tom Riddle kennenlernte.
„Wow, ganz schön gruselig, sich Du-weißt-schon-wen als kleinen Jungen vorzustellen .", sagte Ron leise, als wir unsere Plätze rund um die knorrigen Snargaluff-Stümpfe einnahmen, die das Projekt dieses Trimesters waren und uns unsere Schutzhandschuhe überzogen. „Aber ich versteh immer noch nicht, warum euch Dumbledore das alles zeigt. Ich meine, es ist wirklich interessant und alles, aber was soll das?"
„Keine Ahnung.", sagte Harry und setzte sich einen Mundschutz auf. „Aber er sagt, dass es äußerst wichtig ist und dass es uns, oder mir, helfen wird zu überleben."
„Ich finde es faszinierend.", bemerkte Mine ernst. „Es ist absolut vernünftig, so viel wie möglich über Voldemort zu wissen. Wie sonst willst du seine Schwächen herausfinden?"
„Wie war übrigens Slughorn's letzte Party?", fragte Harry sie dumpf durch den Mundschutz.
Ich sah ebenfalls fragend zu Mine.
„Oh, die war ziemlich lustig, echt.", sagte Mine, die jetzt eine Schutzbrille aufsetzte. „Na ja, er langweilt uns zwar ein bisschen mit seinen dauernden Geschichten von berühmten Ehemaligen und er schwänzelt total vor McLaggen rum, weil der so tolle Beziehungen hat, aber es gab was richtig Gutes zu essen bei ihm und er hat uns Gwenog Jones vorgestellt. Übrigens hat McLaggen ziemlich schlimme Verletzungen im Gesicht. Scheint so, als wäre er verprügelt worden."
Ich musste mir ein Grinsen unterdrücken.
„Gwenog Jones?", sagte Ron und seine Augen weiteten sich unter seiner Schutzbrille. „Die Gwenog Jones? Kapitänin der Holyhead Harpies?"
„Genau.", sagte Mine. „Mir persönlich kam sie ein bisschen eingebildet vor, aber -"
„Nun ist es aber genug mit dem Gequassel dort drüben!", sagte Professor Sprout energisch und eilte mit strenger Miene herbei. „Sie sind die Letzten, alle anderen haben bereits angefangen und Neville hat schon seinen ersten Kokon!"
Wir blickten uns um; tatsächlich, da saß Neville mit einer blutigen Lippe und ein paar üblen Kratzern seitlich im Gesicht, aber er umklammerte ein unangenehm pulsierendes grünes Etwas, ungefähr so groß wie eine Pampelmuse.
„Okay, Professor, wir fangen jetzt an!", sagte Ron und als sie sich wieder umgedreht hatte, fügte er leise hinzu: „Hätten den Muffliato nehmen sollen, Harry."
„Nein, hätten wir nicht!", wandte Mine sofort ein und setzte wie üblich beim Gedanken an den Halbblutprinzen und seine Zauber ein äußerst mürrisches Gesicht auf. „Also, nun macht schon... wird Zeit, dass wir endlich loslegen."
Wir warfen uns bange Blicke zu; wir holten tief Luft und warfen uns auf den knorrigen Stumpf zwischen uns.
Augenblicklich kam Leben in ihn; lange, stachlige, brombeerartige Ranken wucherten oben aus ihm heraus und peitschten durch die Luft.
Eine verhedderte sich in Mine's Haar und Ron schlug sie mit einer Gartenschere zurück; Harry gelang es, einige Ranken einzufangen und sie zusammenzuknoten; mitten in all den tentakelartigen Zweigen tat sich ein Loch auf; ich tauchte den Arm mutig in dieses Loch, das sich wie eine Falle um meinen Ellenbogen schloss; Harry, Ron und Mine zogen und zerrten an den Ranken und bekamen das Loch mit Gewalt wieder auf.
Ich riss blitzschnell meinen Arm heraus und hielt einen Kokon in den Fingern, der genau wie der von Neville aussah.
Sofort schossen die stachligen Ranken wieder nach innen und der knorrige Stumpf lag da wie ein harmloses Stück totes Holz.
„Wisst ihr, ich glaub nicht, dass ich eins von diesen Dingern in meinem Garten haben werde, wenn ich mal mein eigenes Haus hab.", sagte Ron, schob sich die Schutzbrille auf die Stirn und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
„Reicht mir mal eine Schale.", sagte ich, den pulsierenden Kokon hielt ich mit ausgestrecktem Arm von mir weg.
Harry gab mir eine Schale und ich ließ den Kokon mit angewiderter Miene hineinfallen.
„Nur nicht zimperlich, drücken Sie ihn aus, frisch sind sie am besten!", rief Professor Sprout.
„Wie auch immer.", sagte Mine und setzte unser unterbrochenes Gespräch fort, als wären wir nicht eben von einem Stück Holz angegriffen worden, „Slughorn gibt eine Weihnachtsparty, Harry, und vor der kannst du dich auf keinen Fall drücken, weil er mich tatsächlich gebeten hat, deine freien Abende auszukundschaften, damit er das Fest auch ja auf einen Termin legen kann, an dem du kommen kannst."
Harry stöhnte.
Ron versuchte unterdessen, den Kokon in der Schale zum Platzen zu bringen, indem er beide Hände drauflegte, aufstand und ihn so fest er konnte zusammenquetschte.
„Und das ist auch so 'ne Party nur für Slughorn's Lieblinge, oder?", sagte Ron wütend.
„Nur für den Slug-Club, ja.", sagte Mine.
Der Kokon flutschte durch Ron's Finger und flog gegen die Scheibe des Gewächshauses, prallte zurück an Professor Sprout's Hinterkopf und schlug ihren alten Flickenhut herunter.
Ich ging den Kokon holen und als ich zurückkam, sagte Mine gerade: „Hör mal, ich hab mir den Namen »Slug-Club« nicht ausgedacht -"
„»Slug-Club«.", wiederholte Ron mit einem höhnischen Grinsen, das gut zu Draco gepasst hätte. „Das ist erbärmlich. Also, ich hoffe, du hast Spaß auf deiner Party. Warum versuchst du nicht, McLaggen anzubaggern, dann kann Slughorn euch zu König und Königin Schleim -"
„Wir dürfen Gäste mitbringen", sagte Mine, die aus irgendeinem Grund glühend scharlachrot angelaufen war, „und ich wollte eigentlich dich fragen, aber wenn du das alles so blöd findest, ist es mir auch egal!"
Ich wünschte plötzlich, der Kokon wäre ein wenig weiter weggeflogen, dann hätte ich nicht mit den beiden dasitzen müssen und ich denke, Harry wünschte sich gerade das gleiche.
Ohne dass sie es bemerkten, nahm Harry die Schale mit dem Kokon und versuchte ihn mit den lautesten und aufwändigsten Methoden zu öffnen, die ihm anscheinend einfielen; leider konnte man immer noch jedes Wort ihrer Unterhaltung hören.
„Du wolltest mich fragen?", sagte Ron mit völlig veränderter Stimme.
„Ja.", sagte Mine zornig. „Aber klar, wenn du es lieber hättest, dass ich McLaggen anbaggere..."
Eine Pause trat ein, in der Harry unentwegt mit einem Pflanzenkleber auf den elastischen Kokon einschlug.
„Nein, hätt' ich nicht!", sagte Ron ganz leise.
Jetzt versuchte ich schnell Harry zu helfen.
Harry verfehlte den Kokon, traf die Schale und die zerbrach.
„Reparo.", sagte ich hastig, tippte mit dem Zauberstab gegen die Scherben und die Schale sprang wieder zusammen.
Doch der Lärm hatte Ron und Mine offenbar aufgerüttelt und sie an Harry's und meine Anwesenheit erinnert.
Mine sah verwirrt aus und fing sofort an, nach ihrer Ausgabe von Fleisch fressende Bäume der Welt zu stöbern, um darin nachzuschlagen, wie man Snargaluff-Kokons korrekt entsaftet; Ron hingegen wirkte verlegen, aber auch recht zufrieden mit sich selbst.
„Gib das mir, Harry", sagte Mine eilig, „da steht, wir sollen mit einem spitzen Gegenstand ein Loch reinstechen..."
Harry reichte ihr die Schale mit dem Kokon und Harry, Ron und ich ließen uns die Schutzbrillen wieder über die Augen schnappen und warfen uns noch einmal auf den Stumpf.
Nach guten fünf Minuten, ziehen, schlagen und wehren, meldete sich Ron endlich.
„Hab ich dich!", rief Ron und zog einen zweiten Kokon aus dem Stumpf, gerade als es Mine geschafft hatte, den ersten aufzubrechen, weshalb die Schale nun voller Tubler war, die sich wie blassgrüne Würmer ringelten.
Die restliche Unterrichtszeit verging, ohne dass Slughorn's Party weiter erwähnt wurde.
Ich beobachtete meine beiden Freunde in den nächsten Tagen genauer, doch Ron und Mine schienen sich wie immer zu verhalten, außer dass sie ein wenig höflicher zueinander waren als üblich.
Ich nahm an, dass ich einfach abwarten musste, was am Abend der Party in Slughorn's spärlich beleuchtetem Zimmer unter dem Einfluss von Butterbier passieren würde.
Bis dahin dauerte es aber noch ein bisschen, denn zuerst kam das Quidditch-Spiel gegen Slytherin.