Kapitel 19

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Samantha

»Wollte Drake nicht mit reinkommen?« Meine Mom war so verflucht neugierig. Ich hatte bereits draußen mitbekommen, wie sie so getan hatte, als müsste sie dringend etwas im Schaufenster erledigen. Dabei war ihr einziges Ziel Drake und mich zu beobachten. Ich schüttelte den Kopf ungläubig über ihr Verhalten, obwohl es mich nicht verwundern sollte. Bei sämtlichen Dates, die Nate gehabt hatte, hatte sie sich ähnlich verhalten. Nicht, dass der Spaziergang von Drake und mir auch nur annähernd ein Date gewesen wäre.

»Er muss auch arbeiten.« Ein Grinsen schlich sich auf das Gesicht meiner Mutter. Das hat absolut nichts Gutes zu bedeuten.

»Er hat also einen Umweg für dich in Kauf genommen?« Oh ja, auf einem Verhör hatte ich jetzt so richtig Lust.

»Er ist halt nett. Du weißt doch wie er ist.«

»Ja, das war er schon immer und darüber hinaus auch hilfsbereit und nicht schlecht anzusehen.«

»Mom.« Mein eindringlicher Unterton hätte eigentlich Warnung genug sein sollen, doch sie ließ sich davon nicht beirren. Leider. »Hast du vor Drake zu verkaufen? Du preist ihn mir nämlich gerade wie auf einem Basar an.«

»Aber ich rede doch nur so.«

»Genau, das hat rein gar nichts zu bedeuten.« Ich machte mich daran ein Regal nach dem anderen aufzuräumen. Normalerweise hätten wir das erst gegen Abend getan. Der Laden sollte schließlich für den nächsten Tag immer hübsch aussehen. Heute gab es jedoch nicht viel zu tun, weswegen meine Mutter sich auch ganz ihrem Verhör widmete.

»Wie läuft es denn so zwischen euch?« Sie versuchte ihre Frage so beiläufig wie möglich in den Raum hineinzuwerfen. Leider kannte ich sie dafür allerdings viel zu gut. Ich wusste, was sie beabsichtigte und gleichzeitig fragte ich mich, ob Drakes Mom das gleiche bei ihm täte.

»Wir verstehen uns ganz gut.«

»Also seid ihr wieder Freunde?«

»Mom, warum fragst du nicht einfach das, was dich wirklich interessiert?« Ertappt guckte sie mich an. Natürlich war sie mittlerweile nicht mehr damit beschäftigt in den Schaufenstern irgendwas herumzurücken.

»Darf eine Mutter nicht mal Interesse am Leben ihrer Tochter haben?«

»Wenn das wirklich deine Intention war, wäre alles in Ordnung. Wir beide wissen aber, dass dem nicht so ist.« Ich nahm eine Holzlokomotive aus dem obersten Regal und stellte sie auf die aufgebauten schienen auf dem Tisch. Irgendein Kunde hatte die sich darauf befindenden Lok offenbar gekauft. Ich ging in den hinteren Teil unseres Geschäfts und sah nach der Ordnung. Alles schien an Ort und Stelle zu sein.

»Ich interessiere mich sehr wohl für dein Leben. Und dazu gehört doch Drake, oder etwa nicht?«

»Das ist ein klein wenig kompliziert.« Ich verspürte nicht das Bedürfnis mit meiner Mutter über vergangene Ereignisse zu plaudern. Ich liebte sie, sie hatte in der Vergangenheit so viel für Nate und mich getan und immer daran gearbeitet, dass unsere Familie nicht auseinanderbrach. Selbst in der schwierigsten Zeit, als sie unser Fels in der Brandung gewesen war. Dafür war ich ihr ziemlich dankbar, doch mit ihr über meine Gefühle zu sprechen und was ich tief im Inneren empfand fiel mir unglaublich schwer. Mir war bewusst, dass ich diese Gefahren bei meiner Mutter nicht lief. Trotzdem war es merkwürdig mit ihr über solche Sachen zu sprechen.

»Drake ist eine gute Seele.« Sie war mir gefolgt und setzte sich nun in die Spielecke. Die meisten der Spielzeuge, die für die Kleinkinder gedacht waren, lagen verstreut auf dem Fußboden herum.

»Ich habe nie etwas anderes behauptet.«

»Und dennoch machst du es dem armen Jungen so schwer.« Für mich war es auch schwer. Selbst vor Jahren, nachdem er mich einfach stehen gelassen hatte, hatte ich mit ein klein wenig Abstand seine Position verstehen können. Auch wenn Drake selbst meinte, er könne es nicht, war ich mir sicher gewesen, es genau zu erahnen. Er hatte einfach nicht diese Art von Gefühlen für mich. Aber was war dann mit dem Kuss? Unsere Lippen hatten sich berührt. Das war ein Fakt und diesmal kam es dank uns beiden dazu. Außerdem hatte es nicht so gewirkt, als sei es Drake unangenehm gewesen. Verdammt, dieses Gespräch mussten wir unbedingt führen, damit ein für alle Mal klar war, wo wir standen. Die Frage war nur, ob ich die Antwort tatsächlich hören wollte. Vermutlich war es einfacher, die Wahrheit aus seinem Mund zu hören, als diesen kleinen Hoffnungsschimmer auf ewig in sich zu tragen.

Die Türglocke läutete und rettete mich vor einer fortlaufenden Inquisition.

»Da sind ja meine zwei Lieblingsfrauen.« Gutgelaunt schlenderte mein Vater auf uns zu. Mit einem zarten Kuss begrüßte er meine Mom und umarmte mich anschließend.

»Du bist aber mächtig gut gelaunt.«

»Es ist ein schöner Tag und euch beide zu sehen, versüßt ihn noch mehr.« Ich schritt auf meinen Dad zu und legt ihm meine Hand an die Stirn.

»Fieber scheint er nicht zu haben.«

»Mir geht es gut. Darf man bei euch denn überhaupt keine gute Laune haben?«

»Doch sicher, Schatz. Es ist nur sehr überraschend, wie gut gelaunt du bist.«

»Okay ich sag's euch. Ich bin so gut drauf, weil es nicht mehr viele Tage dauert, bis mein Sohn endlich heiratet.« Wow, wenn Dad so drauf war, weil sein einziger Sohn heiratet, wollte ich gar nicht wissen, wie er reagieren würde, wenn plötzlich beide Kinder unter der Haube wären. »Die beiden sind wie füreinander geschaffen und ergänzen sich einfach perfekt. Da ist es so schön, dass sie sich bald das Ja-Wort geben. Und dann hat auch noch meine wundervolle Tochter bald Geburtstag. Hinzu kommt noch Weihnachten, also warum sollte ich da schlecht gelaunt sein?« Leise fing ich an zu kichern. Mein Dad wirkte gerade wortwörtlich, wie ein Kind im Spielzeugladen.

»Es ist schön, dass du dich so freust, Dad.« Erneut ertönte die Türglocke. Falls jetzt mein Bruder hereinschneien sollte, müsste ich mich fragen, ob ein Familientreffen geplant war.

Es war nicht mein Bruder. Dafür jedoch Mrs Owens. Sie und ihr kleiner Sohn Patrick hatten sich in unserem Laden verirrt. Zielstrebig kam Patrick in den hinteren Teil gelaufen und wollte sich einige der Spielsachen schnappen.

»Patrick, du weißt ganz genau, dass wir nicht zum Spielen hergekommen sind.«

»Hallo Lydia«, begrüßte sie meine Mom.

»Wie läuft die Bäckerei?«

»Ach, es ist immer dasselbe, Henry steht in der Küche und backt und ich gebe mein Bestes entweder auf unseren Sohn aufzupassen oder hinter der Theke zu stehen und alles zu verkaufen. Du kennst das selbst am besten.« Patrick hatte nicht auf seine Mutter gehört. Er war eines dieser Kinder, die ihre Grenzen manchmal nicht kannten und meine Nerven strapazierten. »Komm Patrick, du wolltest dir ein Spielzeug für Weihnachten aussuchen. Außer der Weihnachtsmann soll dieses Jahr nichts bringen.« Wie eine Rakete stürmte er durch den Laden und sah sich alles ganz genau an. Alles, was Mom und ich gerade ordentlich hingestellt hatten, wurde nun im Handumdrehen wieder verrückt. Der typische Alltag im Spielzeugladen eben.

Knocking on Christmas' DoorDonde viven las historias. Descúbrelo ahora