Kapitel 21

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Samantha

Nur schwer hatten wir uns voneinander lösen und auf den Weg machen können. Jetzt waren wir das Schlusslicht bei der weihnachtlichen Nachtwanderung. Jedes Jahr in der Woche nach dem ersten Advent fand diese statt. Vorneweg ging natürlich die Bürgermeisterin. Bereits im Vorfeld hatte sie uns mitgeteilt, wie sehr sie sich auf die Aufnahmen freute. Den ganzen Weg hierher hatte ich über unseren zweiten Kuss nachgedacht. So langsam dachte ich, dass ich mir diese Spannung zwischen uns nicht nur einbildete. Selbst Drake hatte vorhin gemeint, dass er am liebsten mit unserer Knutscherei weitergemacht hätte. Irgendetwas musste das doch bedeuten.

Die Teilnehmer der Nachtwanderung folgten dem besser beleuchteten Pfad und genossen die auf uns herab scheinenden Sterne. Ein klein wenig Romantik lag in der Luft neben der Kälte, die bereits die letzten Tage Einzug in Queens City gehalten hatte. Die kahlen Bäume, die im Wechsel mit wunderschönen Tannenbäumen standen, sorgten für ein unglaubliches Ambiente. Vor uns liefen sowohl jüngere als auch ältere Bewohner unserer kleinen wundervollen Stadt. Der ein oder andere hatte mich überrascht angesehen, dass ich zusammen mit Drake aufgetaucht war. Die Bürgermeisterin hingegen wirkte ziemlich entzückt davon, dass Drake und ich wieder unsere Späße miteinander machten. Von außen musste alles relativ normal wirken, während in mir drinnen ein Sturm in Form eines Hurricanes tobte. Hin und wieder lieb unsere Bürgermeisterin stehen und erzählte Anekdoten aus der Vergangenheit. Meistens handelte es sich um welche aus ihrer Kindheit. Vermutlich konnte jeder der Anwesenden, außer der jüngeren Generation und der Touristen die Geschichten auswendig mitsprechen. Sie unterschieden sich nur minimal von den vergangenen Jahren. Meistens hatten sich nur ein oder zwei Wörter verändert. Der Sinn und die Handlung blieben jedoch dieselbe.

»Wie sie vermutlich alle wissen, hatte mein Vater die Idee zu dieser wundervollen weihnachtlichen Nachtwanderung. Warum auch nicht. Man kann genauso gut im Winter nachts wandern gehen wie im Sommer. Vermutlich sogar noch besser.« Im Grunde hatte sie recht. Die Jahreszeit spielte keine wesentliche Rolle bei dieser Aktivität. Ich fand sogar, dass im Winter die Nachtwanderung um einiges interessanter war. Der Wald wirkte dunkler und ein klein wenig mysteriöser. Allein Lichterketten, welche die Helfer angebracht hatten, säumten den Weg und holten die Teilnehmer ein wenig aus der bedrohlichen Stimmung heraus.

Im selben Augenblick verringerten Drake und ich den Abstand zueinander. Wie selbstverständlich nahm er meine Hand in seine und verflocht unsere Finger miteinander. Mein Blick glitt zu ihm hinauf und ich entdeckte, dass er mich ebenfalls ansah. Seine sonst so hellen braunen Augen bildeten einen sehr dunklen Kontrast zu sonst. Er wirkte fast ein wenig hungrig. Ich musste schwer schlucken und bemerkte nicht, dass ich angehalten hatte. Erst als Drake leicht an meiner Hand zog, fiel es mehr auf.

»Alles okay bei dir?« Wie sollte ich diese Frage bloß beantworten? Ich kannte die Antwort selbst nicht. Naja, so wirklich stimmte das nicht. Ich kannte die Antwort sehr gut, nur war ich mir nicht sicher, ob ich sie mit Drake teilen wollte.

»Wir müssen noch filmen«, platzt es aus mir heraus, als ob ich wirklich darüber nachgedacht hatte. Drake griff sich die Kamera und fing erst unsere verbogenen Finger ein, bevor er meinen Arm hinauffuhr und mein Gesicht abfilmte. Erst dann schwenkte er das Gerät auf die Gruppe vor uns. In keiner Sekunde ließ er meine Hand los. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, wurde jedoch sehr schnell von meinen irrationalen Ängsten aus dem Weg geräumt.

»Drake?« Er senkte die Kamera und schaute mich unverwandt an. »Ich denke, wir sollten reden.«

»Auf jeden Fall.« Drake wirkte sehr entspannt und recht begeistert, dass ich endlich bereit war mich diesem Gespräch zu stellen. Mir hingegen wurde ein klein wenig schlecht. Sehr wahrscheinlich lag das da dran, weil unsere gemeinsame Zeit ein Ablaufdatum hatte und ich diese so weit wie möglich in die Zukunft schieben wollte. Noch immer standen wir einfach so da, ohne darauf zu achten, wie weit der Rest der Gruppe sich entfernte. Drake verringerte den Abstand zu mir und zupfte leicht an meiner Hand. Wie auf ein Kommando kam ich ihm entgegen. »Ich freue mich, dass wir dieses Gespräch führen werden.« Dann lagen seine Lippen wieder auf meinen. Sie gaben mir ein Versprechen, dass ich zu dieser Sekunde nur allzu gewählt war anzunehmen und zu glauben. »Egal, was bei dem Gespräch rauskommt, ich werde nicht zulassen, dass du danach aus meinem Leben verschwindest. So oder so. Es sei denn, du sagst mir ich soll.«

»Das würde ich nie tun.« Egal, welche Scheiße er in der Vergangenheit auch getan hatte, ihn vollkommen aus meinem Leben zu verdammen, kam absolut nicht in Frage. Hätte mein Bruder sich nicht so gut mit ihm angefreundet, hätten wir beide trotzdem die Nähe zueinander gesucht. Jetzt war hingegen Nate unser Verbindungspunkt gewesen. Ich machte mir keine Sorgen darüber, dass er an meinen Gefühlen Drake gegenüber etwas Schlimmes finden könnte. Sein Verhalten bei der Anprobe hatte mir deutlich gezeigt, er war in unserem Team. Nicht nur er, ganz offensichtlich auch meine Eltern. Wir schlossen zu den anderen auf und Drake filmte über die Köpfe der Leute hinweg. Ich hoffe sehr, dass diese Nachtaufnahmen etwas werden würden. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht würde einen großartigen Kontrast im fertigen Werbespot bilden und die vollkommene Schönheit unserer Stadt perfekt einfangen.

»So selbstverständlich ist das gar nicht, Sam.« Ihn meinen anderen Spitznamen benutzen zu hören, war absolut nicht dasselbe wie sonst. Bereits die letzten Tage war es mir immer mehr auf den Keks gegangen.

»Kannst du das mit Sam bitte lassen und mich wieder Sammy nennen?« Eine Antwort blieb er mir darauf schuldig, stattdessen küsste er mich erneut und das war definitiv Antwort genug. Die nächsten Minuten verbrachten wir damit uns mit der Kamera abzuwechseln und sowohl den Weg als auch uns selbst zu filmen und zu zeigen wie schön so eine weihnachtliche Nachtwanderung im Schnee war. Queen City lebte für seine Weihnachtsaktivitäten und ich hatte das Gefühl, dass Drake und ich das in dem Werbespot auch sehr gut transportieren konnten. Jedenfalls hoffe ich das. Wie das Endergebnis schließlich aussehen würde, davon hatte ich keine Ahnung. Zwischen unserer ersten Begegnung nach meiner Rückkehr und jetzt lagen nur wenige Tage und doch schien sich alles verändert zu haben. Aber bedeuteten seine Küsse wirklich mehr oder interpretierte ich schon wieder zu viel hinein? Ich wollte nicht erneut an den Rand meiner negativen Gefühle gebracht werden. Das letzte Mal war alles andere als schön gewesen.

Der Unterschied würde sein, dass ich dieses Mal nicht meine beste Freundin direkt an meiner Seite hätte. Camy lebte immer noch in New York. Sie liebte diese Stadt viel zu sehr, um dort wegzuziehen und auch Chandler war bisher noch nicht aus Boston eingetrudelt. Einerseits machte mich das traurig, weil ich beide wirklich gerne bei mir gehabt hätte, andererseits waren wir drei Individuen, die ihre eigenen Leben leben mussten. Unsere Freundschaften waren wichtig und ich würde nichts zwischen sie kommen lassen auch keine mehrere tausend Meilen.

Unsere Gruppe hatte sich um die Bürgermeisterin versammelt.

»Schön, dass ihr beide auch ins Ziel gekommen seid.« Sie verteilte gerade einige Blätter an einiger Teilnehmer der Nachtwanderung. »Ich habe mir gedacht, um ein bisschen mehr Pepp reinzubringen, veranstalten wir heute noch eine kleine Schnitzeljagd im Lichterschein. Hier, wenn ihr das Lösungswort habt, kommt ihr einfach zum Rathausplatz. Dort warten dann heiße Getränke auf euch. Neben dem Zettel verteilte unsere Bürgermeisterin auch jeweils einen Stift pro Team. Drake stupste mich leicht an.

»Wir sind doch ein Team, oder?« Mein Nicken folgte viel zu enthusiastisch.

»Natürlich.« Wieder standen wir beide nah beieinander. Unsere Arme berührten sich und unsere Finger hatten sich immer noch nicht losgelassen. Die Wärme, die von Drake ausging, übertrug sich vollständig auf mich. Ich nahm Bürgermeisterin Knight den Zettel und den Stift ab. Die Frage waren nicht allzu schwer gestaltet.

»Ist das nicht eine schöne Idee, dies verleiht dem Werbespot bestimmt noch eine richtig gute extra Note.« Sie war vollkommen von ihrem Plan überzeugt und nun sollten Drake und ich alles geben, damit die Umsetzung auch perfekt in Szene gesetzt wurde.

Knocking on Christmas' DoorTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang