Kapitel 2

109 34 52
                                    

Aus riesigen Lautsprechern dröhnt laute Rockmusik, es stinkt höllisch nach billigem Bier und der Raum wird von einer Discokugel beleuchtet. Kurz: Die Party ist schon im vollen Gange und ich bin mal wieder zu spät. Pünktlichkeit war noch nie meine Stärke, was wahrscheinlich dazu geführt hat, dass ich in der Schule immer mehr Fehlstunden habe.

Ich halte Ausschau nach meinen Freunden und entdecke Kalle, Merlin, Artemis und ein fremdes Mädchen auf einem Ledersofa etwas weiter hinten im Raum. Eilig laufe ich in ihre Richtung, was sich schwieriger herausstellt, als erwartet. Ziemlich viele wirken so, als hätten sie das ein oder andere Bier zu viel getrunken und mich würde es nicht wundern, wenn ich mit Bier überschüttet beim Sofa ankommen würde.

Doch ich schaffe es, wenn auch ganz außer Atem. Es sind hier einfach zu viele Menschen. „Wie viele Menschen kennt dein Kumpel?", frage ich Merlin etwas gereizt. „Es freut mich auch, dich zu sehen", sagt er aber ganz locker und grinst mich an. Ich lasse mich neben Artemis auf das Sofa fallen, das mit Sicherheit schon bessere Zeiten erlebt hat, und nippe an der Bierflasche, die Merlin mir reicht. Ich hab echt schon besseres Bier getrunken, aber was kann ich hier schon erwarten?

„Ach und Elena, das ist Freya. Meine Freundin", stellt Merlin mit schließlich die Fremde vor. Freya schenkt mir ein schüchternes Lächeln und schaut dann wieder auf den Boden, doch als Merlin ihr den Arm um die Schulter legt und ihr etwas ins Ohr raunt, wirkt sie deutlich entspannter.

„Hi." Auch ich lächele sie jetzt an, um ihr zu zeigen, dass ich definitiv harmlos bin.
Merlins Grinsen verstärkt sich; manchmal habe ich das Gefühl, er kann meine Gedanken lesen, und zündet sich eine Zigarette an.

„Will wer eine?", fragt er in die Runde, doch wir alle verneinen. Ich habe bisher nur ein einziges Mal geraucht und hatte mich dabei so sehr verschluckt, dass ich das Gefühl hatte, gleich zu sterben. Das wäre ein ziemlich würdeloser Tod gewesen und seitdem habe ich nie wieder auch nur eine Zigarette angefasst.
Merlin zuckt kurz mit den Schultern und stößt eine Rauchwolke aus. „Dann halt nicht."

Von Minute zu Minute werde ich nervöser. Ich habe Kalle und auch mir selbst versprochen auch den anderen zu sagen, dass ich lesbisch bin. Ich atme einmal tief ein und wieder aus und wiederhole dann die Worte, die ich heute auch schon zu Kalle gesagt habe.

„Geil", sagt Artemis und umarmt mich, was sie echt selten macht. „Ich hab's gewusst. Ey Merlin, du schuldest mir ne Flasche Whisky." Sie grinst siegessicher. Die Chance eine Wette gegen Artemis zu gewinnen ist in etwa so hoch wie eine gute Note in Mathe zu erzielen. Also gleich Null.

Auch Merlin beugt sich jetzt zu mir rüber und drückt mich kurz an sich. „Ich hab mir schon immer 'ne lesbische Freundin gewünscht." Ich grinse gequält, doch eigentlich bin ich sehr erleichtert, dass er damit kein Problem hat.

Freya nickt mir ebenfalls kurz zu, sagt jedoch nichts. Sie ist Merlins erste Freundin, die schüchtern ist. Die anderen waren meistens selbstbewusster, als es einen gut tut und wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich sympathisch. Freya hingegen wirkt so, als würde sie in ihrer eigenen Welt leben und als wäre sie nicht wirklich von sich selbst überzeugt. Auch kann ich ihr Alter nicht wirklich einschätzen. Merlin ist mit seinen 21 Jahren der älteste von uns und wäre er nicht mit Artemis verwandt, hätten wir uns wahrscheinlich nie mit ihm angefreundet. Freya hingegen wirkt nicht älter sechzehn.

„Siehst du, es macht ihnen nichts aus." Kalle hockt plötzlich neben mir. „Ich weiß, dass du immer recht hast", erwidere ich und umarme auch ihn. Lachend legt auch er die Hände auf meinen Rücken und drück mich. „Den Satz werde ich mir merken!"

Eine Weile hocken wir einfach nur da, trinken Bier und lachen über Dinge, die eigentlich total unlustig sind. Ich meine, was ist an dem Namen Luna Lovegood so lustig, dass man sich vor lachen gar nicht mehr einkriegt?

„Also, Leute, wer spielt mit mir 'ne Runde Bierpong?", fragt Merlin schließlich in die Runde. Ich schaue auf den Haufen leerer Bierflaschen und bin mir ziemlich sicher, dass ich, wenn ich noch mehr trinke, eine Alkoholvergiftung bekomme. Aber was soll's? Man lebt ja nur einmal. Auch Kalle und Artemis spielen mit, nur Freya nicht. Merlin schaut sie etwas verwundert an und versucht sie doch zum mitspielen zu überreden, lässt es dann aber sein.

„Zu viert kann man eh besser spielen", meint Artemis mit einem abschätzigen Blick Richtung Freya, als wir uns aufstellen. Merlin wirft ihr einen bösen Blick zu, sagt jedoch nichts.

Kalle und ich bilden ein Team, was gut ist, denn im Gegensatz zu Artemis können wir beide werfen. Dafür hat Merlin früher Basketball gespielt, was ihn zu einem potentiellen Gegner macht. Kalle fängt an und wie erhofft landet der kleine Plastikball in einem Becher. „Yes!" Kalle und ich klatschen uns ab.

Das Spiel zieht sich etwas in die Länge doch am Ende haben Kalle und ich erfolgreich gewonnen, wenn auch nur knapp. Voller Freude wuschelt er mir wieder durch die Haare, doch bei dem vielen Alkohol, den ich getrunken habe, macht es mir diesmal nichts aus.

Grölend und springend gehen wir wieder zurück zu dem alten Sofa, wo Freya auf uns wartet und liest. „Sie hat doch da nicht wirklich ein Buch in der Hand?" Artemis schüttelt entgeistert den Kopf. „Merlin, ich hab dir gleich gesagt, dass sie nichts für dich ist. Mach Schluss mit ihr."

Doch Merlin ist bereits bei Freya, streichelt ihre Wange und redet leise mit ihr. Und so sehr ich Merlin manchmal auch hasse, kann ich nicht leugnen, dass er kein schlechter Mensch ist. „Ich glaube, wir sollten die beide mal alleine lassen", sage ich daher zu Kalle und Artemis und schiebe sie auf die Tanzfläche. Kalle ist ganz meiner Meinung und tanzt bereits los, doch Artemis ist weniger begeistert davon. Ich nehme ihre kleine Hand in meine und schwinge sie ein bisschen hin und her. „Gönne es ihm halt einfach", schreie ich ihr ins Ohr, um die Musik zu übertönen. Artemis grummelt jedoch nur.

und mittendrin sind wirWhere stories live. Discover now