Kapitel 18

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Stunden später fragte Regina sich, wie sie überhaupt hier gelandet war. An ihrer Kücheninsel sitzend mit ihrer Halbschwester, die sie vor einigen Monaten noch töten wollte.

Sie saßen sich gegenüber und tranken schweigend den Wein, den beide gerade wirklich gut gebrauchen konnten. Regina konnte an nichts anderes denken als an Emma. Sie spürte die Eifersucht in sich brodeln, was ziemlich lächerlich war, denn auf wen war sie eifersüchtig? Auf sich selbst? Offenbar schon und das war es, was Regina am meisten ärgerte. Dass es ihr überhaupt so nahe ging, was geschehen war. Hätte sie ihren dunklen Teil nicht von sich getrennt, würde sie diese Gefühle sicherlich unterdrücken können, sie in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins schieben.

Jedenfalls würde sie ganz sicher nicht von diesem einen Gefühl geplagt werden, von dem Regina lange Zeit gedacht hatte, sie wäre unfähig, es zu verspüren. Reue. Sie bereute in diesem Augenblick so viele Dinge so sehr, wie noch nie in ihrem Leben. Dass sie Emma nicht vor der Königin beschützen konnte, dass sie Emma ihre Gefühle nie gestanden hat, dass sie ihre böse Hälfte überhaupt von sich getrennt hatte. Regina würde lieber mit dem immer wiederkehrenden Impuls jemandem die Kehle zu zerfetzen und mit ihren düsteren Gedanken leben, aber dafür Emma für sich alleine haben.

Als Emma noch mit dem armseligen Piraten zusammen war, hatte Regina weniger Probleme damit gehabt. Hook hatte für sie nie wirklich eine Bedrohung dargestellt, da sie wusste, dass sie besser für Emma war als er. Und sie ihn ganz einfach aus dem Weg räumen könnte, wenn sie wollte. Aber wie sollte Regina nur gegen sich selbst ankommen? Und dann auch noch gegen eine Version von sich selbst, die alles bekam, was sie wollte und so viel stärker war als Regina.

Außerdem hatte Regina zu der Zeit keine Ahnung gehabt, dass Emma ihre Gefühle teilte, und ihre Emotionen einfach zu verdrängen, war leichter, als die Wahrheit zu kennen und trotzdem machtlos zu sein. Jetzt wusste sie, was sie alles mit Emma hätte haben können, wenn es nicht zu spät wäre.

„Wie geht es dir damit?", fragte Zelena nach einer Weile und riss ihre Schwester aus ihren deprimierenden Gedanken.

Regina starrte die Flüssigkeit in ihrem Glas an. „Ich bin nicht glücklich, so viel ist sicher."

Sie konnte sich selbst nicht erklären, wie sie sich noch elender fühlen konnte als zu der Zeit, in der Robin sich für Marian und nicht für sie entschieden hatte.

„Ich weiß, ich war nicht für dich da, als Robin gestorben ist und das tut mir wirklich leid. Du kannst aber jetzt mit mir über alles reden", erwiderte Zelena und fuhr sich mit der Hand durch ihr rot gelocktes Haar.

Regina quälte sich zu einem Lächeln. „Ich war auch nicht für dich da, als Hades gestorben ist. Ich glaube, wir sind quitt." Regina war noch nie ein Mensch gewesen, der gerne über seine Probleme oder Gefühle redete, und sie würde auch jetzt nicht damit anfangen.

„Ich meine es ernst, Gina."

Gina. Normalerweise würde Regina ihre Schwester zum hundertsten Mal darüber zurechtweisen, dass sie diesen Spitznamen hasste, aber sie war nicht in der Stimmung für einen Streit. Sie konnte es sich allerdings nicht verkneifen, eine Augenbraue für einen Moment nach oben zu ziehen, ehe sie antwortete. „Was soll ich sagen? Ich hätte damit rechnen müssen. Ich bin selbst schuld."

Zelena stöhnte genervt und verdrehte die Augen. „Das ist so typisch. Wenn du gerade einmal nicht die Schuld auf andere schiebst, machst du dir selbst unnötige Vorwürfe. Wie wäre es, wenn du die Schuld den wirklich Schuldigen gibst? Und hör auf mit diesem lächerlichen Selbstmitleid. Unsere Mutter war vielleicht nicht gerade die Mutter des Jahres, aber das hat sie dir sicherlich nicht beigebracht."

Regina hasste es, wenn ihre Schwester recht hatte. „Muss ich dich daran erinnern, dass du mir vor ein paar Monaten noch meine Geburt vorgeworfen hast?"

„Wie man unschwer erkennen kann, habe ich mich weiterentwickelt. Mutter zu sein, verändert einen Menschen." Sie lächelte selbstgefällig und warf ihr Haar über die Schulter.

Sofort fielen Regina mehrere sarkastische Antworten ein, aber sie wollte nicht wieder den Frieden mit ihrer Schwester zerstören. „Können wir das Thema jetzt bitte abschließen und einfach trinken?"

Am nächsten Morgen betrat Regina das Zimmer ihres Sohnes, der schon seit Stunden wach war und an seinem Schreibtisch saß und schrieb.

„Hey", sagte Regina mit einem entschuldigenden Lächeln auf den Lippen. „Die Tür stand offen und ich wollte wissen, wie es dir geht."

Henry drehte sich zu seiner Mutter um. „Ganz gut", erwiderte er ebenfalls mit einem Lächeln.

Regina setzte sich auf sein Bett und Henry tat es ihr gleich. „Hast du einen Plan wegen Emma?", fragte sie und versuchte so beiläufig wie möglich zu klingen, doch das leichte Zittern in ihrer Stimme verriet, wie besorgt sie war.

„Ich gehe zu ihr und spreche mit ihr." Henry zuckte mit den Schultern.

„Und wenn", Regina schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter, „die böse Königin bei ihr ist?"

„Mom, mach dir keine Sorgen. Die Königin hat mich zehn Jahre lang groß gezogen, sie würde mich nie verletzen."

„Stimmt. Absichtlich würde sie dich nicht verletzen." Aber bevor Emma den Fluch gebrochen hatte, war sie nicht gerade die Mutter gewesen, die Henry verdient hätte.

Es war nicht schwierig für sie so zu tun, als hätte sie den Abend zuvor nicht mit ihrer Eifersucht und Reue kämpfen müssen. Im Verdrängen war Regina schon immer gut gewesen. Immerhin hatte sie mehrere Jahre lang erfolgreich ihre Gefühle für Emma ignorieren können.

Henry schüttelte den Kopf. „Ich kann sehen, dass du mir nicht glaubst. Du vertraust der Königin nicht, aber ich schon. Du hast schon einmal geschafft, dich zu ändern. Und ich weiß, die Königin ist nicht so böse, wie alle denken. Das müsstest du doch am besten wissen, Mom."

Regina zog ihren Sohn in eine liebevolle Umarmung. Wann war Henry nur so erwachsen geworden? Sie sollte ihm wirklich mehr vertrauen, er hatte schließlich in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass er auch alleine zurechtkam.

„Willst du wirklich heute schon zu ihr gehen?", fragte Regina leise.

„Ja, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren."

Regina seufzte und küsste Henrys braunes Haar. Sie wusste, dass er recht hatte.

The Beauty of DarknessWhere stories live. Discover now