Wer ist sie?

392 13 9
                                    

Und dann war der Moment mit dem letzten Klavieranschlag vorbei. Der Direktor ging auf das Klavier zu und bat um Unterbrechung, während Leichter und ich ihm in gebührenden Abstand folgten. Die Sängerin war nach ihrem Auftritt zurück in der Gruppe verschwunden. Und da fiel mir auf, dass der gesamte Chor Hosen trug. Anscheinend nahm man es doch nicht so genau mit der Uniform wie ich dachte.

Der Musiklehrer, ein junger Mann, kaum Mitte zwanzig aber mit schwarzen Haaren und einer Statur nicht unähnlich der meinen, stand nun auf und rief seine Truppe zur Ordnung. Die anhalten Gespräche erstarben sofort und nun hatte der Direktor die volle Aufmerksamkeit. „Meine Damen und mein Herr, ja, damit mein ich Sie Mr. Michaels, wir haben heute hohen Besuch und ich bitte Sie darum, weiterhin ihr bestes zu geben. Denn niemand anderes als der Sohn unseres Gönners ist heute zu Gast. Mister Seto Kaiba.", stellte er mich vor und ich nickte kurz in die Runde. Bei den zwanzig Mädchen war es unmöglich auf der Stelle die Sängerin auszumachen. Allerdings kicherten viele wie immer total verlegen, sodass ich schnell meinen Blick abwendete. War sie doch eine von denen und hatte sich mein Bauchgefühl geirrt?
„Haben Sie noch ein paar Worte für die Studenten, bevor wir anfangen?", fragte der Musiklehrer mich direkt. „Nur das ich gespannt auf das Ergebnis bin.", gab ich als knappe Antwort und setzte mich dann demonstrativ in die erste Reihe. Der Rektor und Leichter nahmen hinter mir Platz und die Probe begann. Allerdings schien etwas nicht nach Plan zu laufen. „Wo zum Henker ist Tiffany?", rief der Musiklehrer nachdem die Einsingrunde vorbei und die gesuchte Hauptsängerin nicht anwesend war. „Keine Ahnung.", meldete sich jemand aus der Gruppe. Doch dann sagte jemand anders: „ Wir wissen doch alle, dass Tiffany keinen Bock hat zu Proben. Sie wird wie die letzten Jahre wieder zur Generalprobe auftauchen und dann eine super Show abliefern.", erklärte der einzige Junge der in einer Mädchengruppe saß. Die restlichen Jungs des Chores saßen etwas Abseits. Jedoch stiess die Aussage des Jungen dem Musiklehrer sauer auf. „Dieses Jahr mache ich diese Faxen nicht mit. Wer auch immer ihre Nummer hat, teilt ihr mit dass sie bis zur nächsten Probe in einer Stunde Zeit hat ansonsten fliegt sie aus der Aufführung. Und sagt ihr gleich, dass es mir egal ist, wieviel ihr Vater hierfür zahlt. Alle müssen ihren Teil dazu beitragen und damit meine ich Können und nicht Geld!", erklärte er gereizt. Dann seufzte der Musiklehrer und sah in die Runde. „Tja, da muss die Zweitbesetzung wohl herhalten. Lisa, würdest du bitte?", fragte er und sah etwas abseits der Gruppe. „Die Frage ist doch wohl rhetorisch gemeint. Ich hab doch gar keine andere Wahl als ja zu sagen.", kam die pampige Antwort von jener Lisa. Der Musiklehrer, der mir vom Rektor als Arron bekannt gemacht wurde, nickte sie lächelnd an und nahm, ohne auf ihren Protest einzugehen, seinen Platz am Klavier ein.
Jene Lisa stand auf und da sah ich sie. Sie war die Sängerin von eben. Die, die so befreit sang, dass es selbst mir Spaß machen würde, mit zu singen. „Und was darf ich singen?", hakte sie genervt und mit hochgezogener Augenbraue nach. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust. Sie hatte definitiv keinen Bock auf diese Situation. Fügte sich aber ihrem Schicksal. Ganz so wie ich es mit meinem Stiefvater handhabte.
„Das wirst du gleich sehen.", antwortete Arron grinsend und begann zu spielen. Perfekt und mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich zeigte, was sie davon hielt, jetzt die Diva der Klasse zu vertreten begann sie zu singen.

Ich lehnte mich zurück und begann diese verhasste Chorprobe zu genießen. Wenn mir jemand vorher gesagt hätte, dass ich solch einem Talent zuhören dürfte, dann wäre ich mit etwas mehr Begeisterung hierher gekommen.

Nach kurzen anderthalb Stunden war die Probe leider schon vorbei, doch ich war in den Genuss gekommen, Lisa singen zu hören und auch am Klavier lieferte sie ab. Und das sogar sehr gut. Ich war erstaunt, wie perfekt sie die Tastenkombinationen beherrschte und dabei noch singen konnte. Ich war ja schon bei einfachen Tonleitern überfordert gewesen.
Ich sprach in einer kurzen Pause den Rektor darauf an und er sagte nur: „Sie ist nicht umsonst unser Juwel.". „Juwel?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. Doch der Rektor ging nicht weiter auf meine Frage ein, denn die Aulatür würde geöffnet und ein Mädchen mit pinken Haaren kam zur Tür rein stolziert.

Das Herz des Seto KaibasWhere stories live. Discover now