s p e c i a l | n o. 3 B

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Shawns Sicht

Es geht alles ganz schnell und fühlt sich doch so an, als würde alles wie in Zeitlupe passieren. Die Sanitäter werden von Liam ins Haus gelassen und zu uns gebracht, während ich Emma immer noch an meine Brust drücke und immer wieder ihren Namen murmle, als würde sie davon wieder wachwerden.

Einer der Sanitäter übernimmt die Behandlung, so gut es geht und der andere versucht, beruhigend auf mich einzureden, doch seine Worte prallen einfach an mir ab.

Es dauert mir viel zu lange, bis das Durchchecken fertig ist und sie Emma transportfertig gemacht haben, doch als sie dann schließlich auf der Trage liegt und nach draußen zum Krankenwagen geschoben wird, merke ich erst, wie taub sich mein Körper anfühlt.

"Hey Shawn, komm. Du kannst im Wagen mitfahren, Zoey und ich kommen nach und sagen euren Eltern Bescheid." meint Liam und hilft mir auf die Beine, äußerlich ruhig aber innerlich sicher genauso aufgelöst wie ich. Es geht immerhin um Emma, seine beste Freundin.

Er führt mich nach draußen und hilft mir auch in den Wagen, wo ich sofort neben Emma Platz nehme und nach ihrer Hand greife, die sich ein wenig kalt anfühlt, selbst wenn sie an sich schon immer kühle Hände hatte.

Die gesamte Fahrt über beobachte ich entweder den Sanitäter, der mit uns hier hinten sitzt, oder aber Emmas Gesicht, in dem ich keinerlei Regung erkennen kann, als würde sie hier einfach sanft schlafen und nicht womöglich in Lebensgefahr schweben.

Wir erreichen das nächstgelegene Krankenhaus irgendwann, obwohl sich die Fahrt für mich wie Stunden angefühlt hat und Emma wird schnellstens übergeben. Ich laufe so lange wie möglich neben ihr und der Trage her, bis mich irgendwann einer der Ärzte aufhält und mir sagt, dass ich nicht weiterkann.

Er zeigt mir einen Stuhl, auf dem ich Platz nehmen kann und verspricht mir dann, mich zu informieren, sobald dies möglich ist. So sitze ich nun hier, in Unwissen um die Gesundheit meiner Verlobten und meines kleinen Mädchens, weshalb ich mir die Haare raufe und versuche, die Tränen zurückzuhalten, die mir in die Augen steigen.

Keine Ahnung, wie lange ich dasitze und bete, dass es meinen beiden Mädchen gut geht, aber irgendwann werden meine stillen Stoßgebete von jemandem unterbrochen, der die Notaufnahme betritt und meinen Namen ruft.

Ich schaue auf und erkenne Liam in Begleitung von Aaliyah, weshalb ich aufstehe und es zulasse, dass meine Schwester mir in die Arme fällt, sobald sie mich entdeckt hat. Liam kommt ebenfalls zu uns und fragt sofort, ob es etwas Neues gibt, doch ich schüttle nur meinen Kopf.

"Wo ist Zoey?" frage ich stattdessen, meine Schwester noch immer fest im Arm.

"Sie musste zu ihren Eltern und Luka abholen, aber sie wollte, dass ich herkomme, um sie auf dem Laufenden zu halten."

Ich nicke und atme tief durch, um mein rasendes Herz irgendwie ein wenig beruhigen zu können. Im nächsten Moment betritt allerdings der Arzt, der mich vor einigen Stunden zurückgehalten hat, die Notaufnahme und schaut sich um, bevor er mich entdeckt.

"Sind sie Angehörige von Miss Hughes?" fragt er und nun lasse ich Aaliyah wieder los, in der Hoffnung, dass er Neuigkeiten hat.

"Ich bin ihr Verlobter, was ist mit mir?" frage ich sofort und beiße mir angespannt auf die Unterlippe, bevor der Mann mir dann ein Klemmbrett hinhält.

"Ich brauche ihre Unterschrift für diese Not-Operation. Im Normalfall müsste ein direkter Verwandter dies unterschreiben, aber wir müssen schnell handeln um das Leben des Kindes retten zu können."

Ich verharre in meiner Bewegung, als ich diese Worte verarbeitet habe und schaue den Arzt mit geweiteten Augen an.

"Was ist mit Emmas Leben? Was, Sie können doch nicht..." stottere ich und merke, wie mein Atem sich erneut verschnellert.

"Wir tun, was wir können. Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht versprechen." erwidert der Mann darauf nur und ich schaffe es irgendwie, meine Unterschrift auf dem Papier zu setzen, bevor der Arzt wieder verschwindet und mich damit alleine lässt.

Liam und Aaliyah kommen zu mir und führen mich zurück zu dem Platz, auf dem ich vorher saß und setzen sich jeweils rechts und links neben mich, um mich dann gespannt anzuschauen.

"Er... er meinte, dass sie schnell sein müssen, um u-unsere Kleine retten zu können. W-Was, wenn... wenn Emma es nicht schafft?" bringe ich irgendwie hervor und bemerke erneut die Tränen, die drohen, über meine Wangen zu fließen.

"Das wird nicht passieren, Shawn. Ich bin sicher, dass wir bald zu ihr können und du sowohl Emma, als auch euer kleines Mädchen wohlbehalten auffinden wirst." versucht Liam, mich zu beruhigen, doch im Moment könnte mich nur eines beruhigen: Ich will Emma sicher und wohlauf in den Armen halten können, gemeinsam mit unserer Kleinen und mit der Gewissheit, dass alles okay ist.

Ich balle meine Hände zu Fäusten und presse sie gegen meine Lippen, um das Zittern meines Körpers unter Kontrolle bringen zu können, während ich erneut anfange, in Gedanken um das Leben von meinen beiden Mädchen zu flehen.

Es vergehen weitere qualvolle Stunden voller Ungewissheit und Bangen, wobei ich mit jeder verstrichenen Minute panischer werde, dass eine der beiden oder sogar beide es nicht schaffen. Aaliyah hält inzwischen meine rechte Hand und auch Liam versucht sein Bestes, mich zu beruhigen.

"Shawn, ich bin sicher, dass jede Minute jemand herkommt und uns sagen wird, dass es den beiden gut geht und wir zu ihnen können. Du wirst Emma heiraten und ihr beide werdet eure Kleine großziehen können. Zusammen. Versprochen." meint Liam noch und ich versuche, ihn so dankbar es momentan geht anzuschauen.

Kurz darauf betritt tatsächlich der Arzt, dem ich die Unterschrift gegeben habe, den Wartebereich und steuert direkt auf uns zu, weshalb ich geradezu aufspringe und ihn erwartungsvoll anschaue, jede Faser meines Körpers angespannt.

"Mr. Mendes, richtig?" fragt der Arzt und ich nicke, gespannt darauf, was er nun zu sagen hat.

"Wir sollten da alleine drüber reden, würden Sie mir folgen?"

Seine Worte gefallen mir nicht, weshalb ich hart schlucken muss und nur ein kurzes Nicken zustande bekomme. Wir gehen ein paar Schritte von den anderen weg und ich warte darauf, dass er endlich anfängt.

"Also, es geht Ihrer Tochter gut, wir konnten sie per Kaiserschnitt zur Welt bringen und nach ein paar Tagen auf der Frühchen-Station können Sie sie auch in den Arm nehmen, sie ist vollständig gesund. Es geht eher um ihre Verlobte."

Mein Herz bleibt für einen Moment stehen, als er diese Worte sagt und für einen Moment spielt sich vor meinen Augen das Szenario ab, dass ich Emma verloren habe.

"Es gab Komplikationen bei der Operation und wir hätten Miss Hughes beinahe verloren. Durch ihren kritischen Zustand mussten wir sie notgedrungen in ein künstliches Koma versetzen, und wir wissen nicht, wann wir sie wieder rausholen können. Ob wir das jemals können."

ᴅɪғғᴇʀᴇɴᴛ ᴡᴏʀʟᴅs || sᴍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt