ᴅɪғғᴇʀᴇɴᴛ ᴡᴏʀʟᴅs || sᴍ

t h r e e.

-Mittwoch, 15. April 2020-

Da bei mir heute die ersten beiden Stunden ausfallen, treffe ich mich gemeinsam mit Lynn bei McDonalds und wir essen zu Frühstück. Während wir aber an unserem Tisch sitzen und sie glücklich ihren Burger verdrückt, versinke ich in Gedanken, wie so oft in letzter Zeit. Nach einiger Zeit scheint Lynn auch zu bemerken, dass ich mal wieder grüble, denn sie hält inne und mustert mich kurz. „Du vermisst ihn, nicht?" Ich seufze und zucke schlussendlich mit den Schultern. „Schon irgendwie, aber in letzter Zeit denke ich immer wieder daran, dass das zwischen uns vielleicht keinen Sinn mehr macht..." Überrascht und doch irgendwie verständnisvoll guckt meine beste Freundin mich an, bevor ich den Kopf leicht schüttle und mir ein paar Pommes in den Mund stecke. „Du hast wirklich Glück mit Philip. Er wohnt keine halbe Stunde von dir entfernt." Etwas verunsichert, was sie darauf antworten soll, beißt Lynn erneut von ihrem Burger ab und ich beschließe, mich mit meinen Schulsachen abzulenken. Ich hole mein Mathebuch hervor und schlage es auf der Seite auf, auf der wir gerade Aufgaben bearbeiten. Da Lynn Mathe als Leistungskurs gewählt hat, kann sie mir bei einigen Aufgaben helfen, da die Ansprüche bei ihr höher sind als bei mir, da ich Mathe nur als Prüfungsfach gewählt habe. Ich schaue mir noch einmal die Definition für die Potenzregel an, als Lynn mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herumfuchtelt und damit meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Was gibt's?" frage ich verwirrt nach, woraufhin sie ihre Augen verdreht. „Du kannst die Gedanken nicht ständig einfach nur verdrängen, Emma. Sprich dich einmal komplett aus, meistens fühlt man sich danach besser." Kurz mustere ich die Braunhaarige vor mir nur, ehe ich schlucke und tief durchatme. „Schön." setze ich dann an und spiele mit dem Strohhalm meines Eistees herum. „Mich plagen ziemlich viele Gedanken, nicht nur auf Shawn bezogen. Aber um hier nicht komplett in ein Drama zu versinken, beschränke ich mich mal auf ihn." Lynn nickt kurz und guckt mich aufmerksam an, während sie einen Schluck aus ihrem Becher nimmt.
„Also gut, Shawn hat mein Leben bereichert, er ist ein toller Mensch und der perfekte Freund, aber... ich weiß nicht, in letzter Zeit hat sich einiges geändert. Wir haben uns kaum gesehen, wir haben nur selten geredet und... Ich habe einfach das Gefühl, dass ich nicht in seine Welt passe. Wir leben zwei unterschiedliche Leben und es fühlt sich so an, als würden wir immer weiter auseinanderdriften. Ich bin zwar glücklich, wenn ich seine Stimme dann mal wieder höre oder ihn mal wiedersehen kann, aber was bringen mir diese zu kurzen, schönen Momente, wenn ich mich die restliche Zeit nur quäle?" Lynn bleibt still und senkt den Blick, ehe sie doch wieder hoch und mir fest in die Augen schaut. „Rede mit ihm, bevor du voreilige Schlüsse ziehst. Ich weiß, dass du dich schon lange mit diesen Gedanken quälst und Philip und ich machen es dir bestimmt nicht leichter... Aber ich weiß genauso gut, dass du Shawn liebst und er dich. Überleg dir gut, ob du diesen Strich ziehen willst und ob du die Zeit und die Gefühle, die du mit Shawn hattest, hinter dir lassen willst." Ich senke den Blick, doch Lynn redet weiter. „Es mag momentan schwer sein und du hast Recht, ich weiß nicht, wie sich die Liebe über Distanz anfühlt, weil Philip in meiner Nähe wohnt. Aber ich kann dir genug Beispiele nennen, in denen Paare eine noch größere Distanz über eine noch längere Zeit überstanden haben und am Ende dennoch glücklich geworden sind!" Ich seufze. „Mag sein, aber was, wenn ich nicht stark für so etwas bin?" murmle ich gerade laut genug, dass meine beste Freundin es verstehen konnte. „Ich kenne kaum stärkere Personen, die so viel durchgemacht und sich trotzdem über Wasser gehalten haben, also erzähl mir nicht, dass du nicht stark genug bist!" Trotz meiner momentanen Unsicherheit muss ich leicht lächeln, allerdings hält es nicht lange. „Du weißt, dass es für Shawn ein Leichtes sein könnte, jemand Neues zu finden. Damit will ich ihm nicht unterstellen, dass er mich einfach ersetzen würde, aber vielleicht würde er dann jemanden finden, mit der er zusammen um die Welt reisen könnte und mit der alles einfacher wäre..." Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie Lynn heftig mit dem Kopf schüttelt. „Er will niemand anderes als dich an seiner Seite! Du machst ihn glücklich und er fühlt sich gut, seit er dich hat, denn er erzählt in Interviews, dass seine Depressionen und Panikattacken fast schon verschwunden sind, seit er dich kennt. Wie gesagt Emma, ich kann dich zu nichts zwingen, aber bitte überdenk dein Vorhaben noch einmal, du könntest es sonst im Nachhinein bereuen." Ich nicke einfach nur, während ich mir ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen lasse.
„Wir sollten langsam los, sonst kommst du zu spät zu Spanisch und ich zu Chemie." Schnell esse ich noch die letzten Pommes auf und stehe dann auf, um meine Jacke anzuziehen und das Tablett in die dafür vorgesehene Ablage zu legen. Nachdem ich dann auch meinen Rucksack richtig geschultert habe, verlasse ich McDonalds gemeinsam mit Lynn und wir machen uns auf den Weg zurück zur Schule, die nicht allzu weit entfernt ist und so gut zu Fuß zu erreichen ist.

Als wir die Schule erreichen und betreten, schaue ich mich wie die letzten 9 Monate zuvor schon im Forum um, als könnte ich immer noch nicht glauben, wieder zurück in Deutschland zu sein. Bei der Treppe trennen sich Lynn's und meine Wege, da Lynn oben bei den Fachräumen Unterricht hat, während ich zu einem der Klassenräume unten gehen muss. Während ich gemeinsam mit Lou, einer guten Freundin von mir, auf unsere Lehrerin warte, versuche ich, nicht zu sehr an Shawn denken zu müssen und mich auf den bevorstehenden Vokabeltest zu konzentrieren.
„Ist alles okay?" fragt Lou da auch und insgeheim ärgere ich mich darüber, dass man mir scheinbar so deutlich ansieht, dass ich über etwas nachdenke. Schnell winke ich ab und fasle irgendetwas von wegen „In Gedanken nochmal die Vokabeln durchgegangen." und hätte beinahe laut ausgeatmet, als unsere Lehrerin um die Ecke biegt.