Kapitel 9

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Mit Herzrasen schreckte ich schon wieder aus einem Alptraum hoch und atmete hektisch ein und aus. Wenigstens war ich diesmal nicht wieder schweißgebadet, sodass ich mich gegen das Duschen entschied.

Langsam schwang ich meine Beine auf den Boden und stützte mich mit den Händen an der Kante meines Bettes ab. Draußen war es noch dunkel und ein einsamer Lichtstrahl der Straßenlaterne fiel auf meinen Teppich. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es aber dennoch schon halb sieben war.

Erschöpft stieß ich mich von meiner Matratze ab und knipste das Licht an. Es blendete mir grell entgegen, weshalb ich erst einmal meine Augen zusammen kniff. Dann schlurfte ich zu meinem Kleiderschrank, fischte eine blaue Jeans und einen schwarzen Strickpullover heraus und zog mich um.

**

Noch immer verschlafen, tapste ich die Treppe hinunter und ließ mich auf einen der Barhocker fallen, die in der Küche am Tresen standen. Müde stützte ich mich mit meinen Ellbogen auf der Platte ab, legte meinen Kopf zwischen meine Hände und schloss die Augen.

Als plötzlich ein lautes Poltern von oben ertönte, drehte ich mich überrascht zur Treppe und sah doch tatsächlich meinen großen Bruder nach unten kommen. Erstaunt zog ich die Augenbrauen hoch und war auf einmal viel wacher. Zu meiner Verwunderung, war er schon angezogen und schien sich komplett fertig gemacht zu haben. Seine Haare waren verwuschelt und noch etwas feucht.

„Warte, was ist das hier?" Mit meinen Händen tastete ich durch die Luft und schaute mich suchend um. „Träume ich noch? Ist das ein Paralleluniversum? Virtuell Reality?" Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht und ich bekam einen sanften Schlag auf den Oberarm.

„Haha, sehr witzig. Ich kullere schon auf dem Boden rum. Siehst du's?" Er warf mir einen extra gelangweilten Blick zu und ging dann um den Tresen herum und zum Herd.
Als er sich umdrehte, entging mir nicht das kleine Schmunzeln, das er versuchte zu verbergen.

„Ich mache mir Rührei. Willst du auch was?" Fragend sah er mich an und ich nickte nur. Bevor er das von mir wissen wollte, hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich überhaupt Hunger hatte. Aber jetzt schien sich mein Bauch wieder daran erinnert zu haben.

Als Luca die Eier aufschlug und mit etwas Milch und Salz vermischte, eilte ich kurz nach oben, krallte mir meine Büchertasche, die ich vorhin ganz vergessen hatte und stolperte wieder nach unten. Zwischendrin musste ich wirklich aufpassen, dass es mich nicht der Länge nach hinlegte, da ich eine Stufe übersehen hatte.

Wieder in der Küche, roch es bereits nach leckerem Essen und ich stellte mich neben meinen Bruder, der entspannt in der Pfanne rührte.

„Sag mal, wieso bist du eigentlich um diese Uhrzeit schon auf?", fragte ich ihn und beobachtete weiter das Ei in der Pfanne, das nun langsam fest wurde.

„Was soll das denn heißen?", lachte er und sah mich kurz an, ehe er mit den Schultern zuckte. „Ich wollte heute halt mal den früheren Bus nehmen."

Während er antwortete, holte er zwei Teller aus einer Schublade und verteilte das Essen ziemlich gleichmäßig auf beiden. Zusammen mit einer Gabel, die er noch schnell aus dem Besteckkasten fischte, stellte er mir eine der zwei Portionen auf den Platz, an dem ich vorhin gesessen hatte. Dankbar ließ ich mich wieder auf den Barhocker sinken und begann zu essen.

„Schläft Dad noch?", fragte ich ihn und schaute Richtung Treppe. Seit dem Tod meiner Mom, der jetzt ja auch schon über zwei Jahre her war, sah man ihn kaum noch. Entweder war er auf Arbeit oder im Bett.

„Sieht wohl so aus." Er ließ sich nicht durch das Reden vom Essen abhalten, was irgendwie typisch mein Bruder war. Innerhalb von kürzester Zeit hatte er sein Ei in sich geschaufelt und räumte sein Geschirr in die Spülmaschine.

twisted love - was it all fake?Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora