Tamaras schlimmster Albtraum (12)

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Tamara rannte ziellos durch das Krankenhaus. Was hatte Alice sich nur gedacht!? Einfach so Wilhelm zur Rede stellen! Das war wahnsinnig! Sie war seit der Grundschule in den Typen verschossen, auch wenn Alice ihn absolut nicht leiden konnte. Tamara stalk... beobachtete ihn jetzt schon eine halbe Ewigkeit, kannte jede seiner Gewohnheiten und seinen Stundenplan vermutlich besser als er selbst. Irgendwann hätte sie ihn schon angesprochen... irgendwann. Wenn sie vorbereitet war. Und jetzt hatte Alice das alles kaputt gemacht und Wilhelm einfach so angesprochen. Wie ein normaler Mensch! Das ging doch nicht! Tamara war nach heulen zu mute.

Keuchend huschte sie um eine Ecke. Wohin jetzt? "Tami! Taaaamiiiiiii! Bleib steeeehn!", rief Alice irgendwo hinter ihr. Ganz bestimmt nicht! Tamara rannte einen Gang entlang, stolperte fast über eine Oma im Rollstuhl, riss eine Tür auf und... erstarrte. Sie stand in mitten kleiner Kinder, die voller Erwartung zu ihr aufblickten. "Bift du der Clowni?", fragte ein Junge mit funkelnden Augen. "N-nein.", stammelte Alice. Die Kinder drängten enger auf sie ein. "Doch! Du bift der Clowni! Du mufft unf eine Gepfichte erfälen!", rief das Kind. Die anderen Kinder johlten fröhlich. "Nein! Ich bin nicht der Clowni! Und wer ist Gepfigte und warum soll ich den pfählen? Das ist total krank!"
"Clowni! Clowni! Clowni!", schrien die Kinder und schoben Tamara zu einem Sitzsack in der Mitte des Raumes.
"Neeeeiiiinnn!", schrie Tamara verzweifelt.
"Clowni! Geschichte!"
"Ich bin nicht der Clowni!"
"Clowni!"
"Nein!"
"Doch! Clowni!"
"Nein! HILFE!", rief Tamara.

Alice stand vor einer Weggabelung. Verdammt! Wo war Tamara nur hingrannt? Sie einfach mit dem blöden Wilhelm sitzen lassen. Wie konnte sie nur? Die beiden waren doch beste Freundinen! Sie hatte ihr mit Wilhelm doch nur einen Gefallen tun wollen... und sie davon abhalten wollen, ihr eine Moralpredigt über das zu-seinen-Eltern-nett-sein zu halten, aber das war ja nicht so wichtig...
"Tamara!", schrie Alice, "Tamiii, wo bist du?"
"Sei gefälligst leise, das ist ein Krankenhaus! Das schreit man nicht rum, du ungehobeltes Gör! Früher hättest du dafür den Hintern versohlt bekommen! Hättest du verdient!", schrie ein alter Mann sie mindestens genauso laut an.
"Boar, fick dich doch."
"Wie bitte?!"
"Entschuldigung: ficken Sie sich doch!"
"Also... also wirklich! Die Jugend von heute! Was die sich erlauben! Rotzgören! Allesamt!"
"Es tut uns leid! Entschuldigung! Es tut uns furchtbar leid!", winselte Wilhelm, packte Alice am Arm und zog sie mit sich. Weichei! Dafür, dass Wilhelm seine linke Hand benutzen musste, weil sein rechter Arm in einer fetten Bandage steckte war er leider erstaunlich stark. Alice hatte keine Wahl als ihm zu folgen.
"Tut es nicht! Es tut mir kein bisschen Leid!", rief Alice über ihre Schulter. "Na warte!", brüllte der alte Mann, schwenkte seine Krücke wie ein Schwert und nahm die Verfolgung auf. "Verdammt.", murmelte Alice und rannte schneller. Wilhelm zischte irgendetwas, das Alice nicht verstehen konnte, aber es war sicherlich beleidigend. Trotzdem: Bloß weg da!

Tamara fühlte sich wie ein Gefanger im Verhör. Die Kinder starrten sie mit ihren riesigen Augen an und grinsten wie kleine Psychopathen. "Erzähl uns eine Gepfichte, Clowni!", rief der Junge der auch am Anfang beschlossen hatte, dass sie 'Clowni' war. Bestimmt hatte er ein Meerschweinchen. "Wenn ich euch eine Geschichte erzähle, darf ich dann gehen?", fragte sie völlig verzweifelt. "Vielleiiiiiiiicht.", meinte ein kleines Mädchen mit Zöpfen. "Was besseres bekomme ich nicht, oder?"
"Nein. Geschichte!"
"Okay..."
Tamara fischte ihr Handy aus der Tasche. "Was macht Clowni da?"
"Ei... eine Geschichte suchen."
"Yay!"
Tamara suchte keine Geschichte, sondern öffnete Whatsapp und setzte eine verzweifelte Nachricht an Alice ab: HILFIE!
Viel zu spät viel ihr ein, dass Alice' Handy sich ja momentan in den Klauen der Marianne befand. So ein Mist!

"Also... es war einmal eine Prinzessin..., die hieß Alice.", begann Tamara. "Uhhhhh", machten die Kinder. "Prinzessin Alice hatte eine total coole Superheldenfreundin namens Tamara. Tamara war mit dem absolut heißen Wilhelm verheiratet der war... Profifußballer. Eines Tages schickte der böse Meerschweinchenkönig seine Armeen des Todes in das Königreich. Alle Menschen hatten voll viel Angst und so, weil die Meerschweinchen so groß wie Autos waren und alle fressen wollten." An dieser Stelle begannen einige Kinder zu weinen. Trotz der absolute traumatischen Erfahrung von Kleinkindern für einen Clown gehalten zu werden, fühlte Tamara sich bestätigt: endlich nahm jemand das Meerschweinchenproblem ernst.
"Joa, und dann haben Tamara, Alice und Wilhelm einen riesigen Roboter mit flammenden Schwertern und einer gigantischen Spaghetti - Kanone gebaut und den Meerschweinchen richtig eingeheizt. Die Spaghetti - Kanone hat riesige, brennende Fleischbällchen geschossen. Da hatten die Meerschweinchen voll viel Angst und so! Und sie haben panisch den Rückzug angetreten und niemals jemandem mehr weh getan! Und dann waren alle im Königreich glücklich uuuund... Endööööööö!", verkündete Tamara, ziemlich stolz auf ihre Geschichte.

Dafür, dass sie sich den Mist spontan aus den Fingern hatte ziehen müssen, war die doch richtig gut gewesen. Bestimmt gab es irgendwelche Leute, die schlechtere Geschichten verfassten. Aber die kleinen Biester, die Tamara gefangen hielten, waren natürlich noch nicht zufrieden.

"Aber wie kann ein Fußballer einen Roboter bauen?", nörgelte ein Kind. "Ähm, also jaaaaa, sein Vater, der ist Mechaniker, und der hat die Riesenroboter erfunden... und Wilhelm hat alles von ihm gelernt, da habt ihrs", behauptete Tamara schnell und funkelte das Kind böse an. "Was sind Tamaras Superkräfte?", fragte ein kleines Mädchen aufgeregt. "Naja, ähhh sie kann... Spaghetti erschaffen... und Fleischbällchen,... mit ihren Gedanken und Magie und so was... und sie hat ein großes fliegendes Schiff namens Barbara!", plapperte Tamara.
"Wooooow!", raunten die kleinen Plagegeister.
"Wieso heißt das Schiff Barbara?"
"Weil Gudrun schon weg war und auf Arwen Copyright ist."
"Was ist Copyright?"
"Ein böser Zauberer, der kleine Kinder frisst, die zu viele Fragen stellen. Der ist mit Voldemort befreundet!"
"Wer ist Voldemort?"
"Der ist auch böse."
"Wieso sind die Meerschweinchen böse?"
"Weil sie sadistische, kleine Biester sind, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen!"
"Wieso?"
"Weil sie ihre Feinde leiden sehen wollen."
"Wieso?"
"Weil die Feinde ihnen massiv auf die Nerven gehen."
"Wieso?"
"Weil sie immer WiEsO sagen!"

Die Kinder schwiegen bestürzt. Tamara nutzte die Ablenkung um aufzustehen und sich langsam in Richtung der Tür zu bewegen. Gleich hatte sie es geschafft. Nur noch ein paar Schritte! Ein Kind brach in Tränen aus, dann noch eines. "Verdammt.", zischte Tamara.
"Cloooowniii!"
Dann schrien die Kinder alle durcheinander.
"W-werden die Meerschweinchen uns töten?"
"Wird der Copyright uns fressen?"
"Ich muss Pipi!"
"Ich auch!"
"Wird Voldemort uns fressen?"
"Darf ich auch ein fliegendes Schiff namens Barbara haben?"
"HILFE! HOLT MICH HIER RAUS!", kreischte Tamara und hämmerte gegen die Türe, während die Kinder immer näher auf sie eindrängten, und versuchten sie zum Sitzsack zurück zu schleifen. Sie musste einen Schritt von der rettenden Tür zurücktreten, noch einen. Ihre Hoffnung begann am Horizont zu verglühen. Noch einen Schritt.

Die Tür flog mit einem Krachen auf und Marianne und ihre Monsterfreunde purzelten in das Zimmer. "Marianne!", schrie Tamara entsetzt.
"Tamiiiii!", schrie die riesige Erdlady erleichtert.
"Der Copyright!", schrien die Kinder panisch und deuteten auf den Metalltypen.
"Meerschweinchen!", schrie Marianne verstört und deutete auf die Kinder.
"Großkönig Schwefel!", schrie der Metalltyp ängstlich und deutete auf den als König verkleideten echten Clown, der nun wirklich das Zimmer betrat.
"FUUUCK!", schrie Alice, die mit Wilhelm im Schlepptau vor einer wütenden Horde Rentner fliehend durch den Gang rannte.
"Was zum...", murmelten der Clown und Herr Grün, der losgezogen war, um die Kinder zu suchen, gleichzeitig.

Dämonen im Chat Where stories live. Discover now