Entschuldigung, wie können Sie es wagen? (20)

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Herr Grün hatte unterwegs, die Treppe hinunter, plötzlich einen Notfall gehabt.
Einen Darm-Notfall.
Er hatte aufs Kol gemusst.
Und zwar verdammt dringend.

Aber jetzt hatte er die Jagd wieder aufgenommen.
Gleich hätte er Alice wieder!
Selbst wenn er dafür rennen musste.
Er stolperte keuchend aus dem Treppenhaus und kollidierte sogleich mit einem gigantischen, blauen Mann mit hässlichen Zöpfen in der Farbe von geschmolzenem Minzeis. Herr Grün hasste Minzeis!
Und dann roch der Kerl auch noch nach Nelken... oder etwas ähnlichem.
Grässlich!
Noch während der Tatortreiniger damit beschäftigt war, die schiere Scheußlichkeit des Kerls zu verarbeiten, wirbelte der zu ihm herum und funkelte ihn aus gleich vier Minzeis-farbenen Augen wütend an.
Na ganz super!

"Äm, entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht rempeln, aber sie stehen genau vor der Tür. Ich habe Sie nicht gleich entdeckt.", stammelte Herr Grün.
"Gehen Sie. Das ist eine Operation von höchster Diskretion. Das geht Sie nichts an. Wenn Sie Beschwerden haben, dann wenden sie sich wahlweise an das Innenministerium oder das Außenministerium.", schnappte der große Mann und schaffte es irgendwie einen nervtötenden Singsang in seine Worte zu legen.
Fassungslos starrte Herr Grün den Kerl an.

Einer seiner Zöpfe war ausgefranzt, mehrere Knöpfe seiner Robe fehlten und er war teilweise mit Schimmel bedeckt. Seine uglaublich langen Ohren waren geschwollen, als hätte etwas daran gezogen. Das Klemmbrett, in seinem Arm, wies einen bemitleideswerten Knick auf.
"Sind sie sicher, dass sie etwas zu melden haben? Ich bin bei der Polizei.", hielt Herr Grün trotzig dagegen.

Seine Alice war hier vorbei gekommen. Er würde nicht einfach gehen, nur weil es so ein Monster-Hansel befohlen hatte!
"Ich bin der Abgeordnete Penbel von Nebel, teil des Kontinentaltags und Beamter für Kommunikation mit den europäischen Dämonenjäger-Gilden! Ich habe sehr wohl das Recht, Sie hier weg zu schicken! Das ist streng vertraulich. Nur enge Familienmitglieder der Betroffenen und Dämonenjäger zugelassen!", wütete dieser Penbel.

"Dann bleibt er! Das ist mein Papa!", brüllte Alice Stimme hinter dem Abgeordneten hervor.
"Genau! Und wenn ich einen Namen hätte, der so sehr nach Pimmel klingt, würde ich sowieso die Klappe halten!", pflichtete Tamara ihr bei.
Herr Grün hastete an dem blauen Jammerlappen vorbei zu seiner Tochter.

Alice saß auf dem Bürgersteig und war mit Schimmel bedeckt.
Ihre Haare waren völlig zerzaust und sie hatte eine kleine Schürfwunde an der Stirn.
Tamara hockte neben ihr.
Ihre Brille hing schief auf ihrem Gesicht und ihre Hand blutete ein bisschen.
"Oh Gott, was ist denn mit euch passiert?", rief Herr Grün schockiert und eilte auf seine Tochter zu.
"Da war ein schimmliges Tablett auf der Treppe. Alice ist hinein gefallen.", bot ein kleiner Junge mit schillernden Flügeln sachlich an.

"Und dabei hast du dich verletzt?", fragte der Tatortreiniger besorgt.
"Nein, der Abgeordnete Pimmel hat uns geschlagen. Mit seinem Klemmbrett voller ätzender Vorschriften!", giftete sein kleines Mädchen und funkelte den Blauen wütend über Herr Grün hinweg an.
"Was?", fragte dieser völlig entsetzt, "Dieser Erwachsene Mann hat euch geschlagen? Das bringe ich zur Anzeige!"

"Also wirklich diese wahnsinnigen Kinder haben mich zuerst angegriffen!
Ich bin sicher, sie haben Tollwut!
Dabei halte ich mich doch nur ans Protokoll. Und nein, werte Professorin und Kriegsheldin Luri, ich werde mir das Protokoll mit Sicherheit nicht 'dahin schieben wo die Sonne nicht hinscheint'. Ich habe mich nur verteidigt! Irgendwie musste ich schließlich die Zähne dieses rasenden Geschöpfes von meinem Ohr lösen. Und die Griffel des anderen, mit der Brille, aus meinem wunderschönen Haar! Das war Notwehr!", singsangte Penbel und legte sich dramatisch die Hand auf die Brust.

"Entschuldigung, aber wie können Sie es wagen?", brüllte Herr Grün zurück, "Das sind Kinder! Alice und Tamara sind zwölf! Sie können doch nicht einfach zwölfjährige Kinder mit Klemmbrettern schlagen!
Ich weiß zwar nicht aus welcher unzivilisierten Welt Sie und diese anderen Monster kommen, aber das kann doch nicht ihr ernst sein! Und jetzt geben Sie meiner Tochter ihr Handy zurück und dann gehen wir!
Wir sehen uns vor Gericht, Penibel oder Pimmel, oder wie sie heißen!"
"Penbel. Ich bin Abgeordneter Penbel von Nebel und ich werde ihrem Sprössling das Gerät nicht zurückgeben. Das ist Beweismaterial!"

"Wollt Ihr wirklich wegen Körperverletzung in den Knast gehen, Abgeordneter Penbel. Ich habe nämlich auch gesehen, wie Ihr die Kinder geschlagen habt. Ein Umstand, den ich, und Luri und mein Sohn bestimmt auch, vergessen könnten, wenn Ihr mal ganz kurz den Stock aus Eurem Hintern ziehen könntet und dem Menschen ihr Spielzeug aushändigen würdet.", warf Ellelibs Mutter mit fast schon gelangweilter Stimme ein und tappte mit den Fingern auf dem Griff ihres Gewehrs herum.
"Na gut. Ich werde das mit den Dämonenjägern besprechen.", winselte Penbel geschlagen.
Angst füllte alle vier seiner Augen.

"JAAAAAAAAA!", brüllte Alice in einer Frequenz, die vermutlich mehreren Fledermäusen und Hunden Kopfschmerzen bereitete und schüttelte Tamara durch, "HAAAAANNNNNDYYYYYY!"
Tamara schloss sich dem gekreische an.
Wilhelm schüttelte wenig begeistert den Kopf und versuchte sich unbemerkt zu verkrümeln.

Genau in dem Moment fuhren die schwarzen Wägen vor.
Der Vorderste öffnete seine Türen und Marianne kam heraus geschossen, wie eine Gefangene, die seit Jahren keine Freiheit mehr geschnuppert hatte.
"Oh Himmel, wie ich dich vermisst habe! Oh Bäume und Gras und Wind! Oh Boden!"
Sie warf sich auf den Asphalt des Parkplatzes.
Ein metallisch schimmernder Jugendlicher schüttelte verurteilend mit den Kopf.
Ein erdiges Mädchen kletterte aus einem anderen Auto.
"Marianneeeeee, lass den Boden in Ruhe.", quengelte sie, während sie panisch von den anderen Monstern zu den Menschen in orangenen Mänteln, die gerade aus den Autos stiegen, und wieder zurück linste.

Der Mann, der sich mit Marianne und dem Kupfer-Jungen im gleichen Wagen aufgehalten hatte, baute sich nun mit ernster Miene vor Penbel auf.
"Ich bin Markus Eichenfäller von der Deutschen Dämonenjäger-Gilde, ich leite diese Operation. Sie sind der Abgeordnete Penbel von Nebel, vermute ich einmal?"
Der blaue Depp nickte hochnäsig und hielt Eichenfäller eine Hand hin, die prompt ignoriert wurde.
"Gut, wickeln wir das schnell ab, damit ihr ohne Komplikationen mit dem Fluch der Malitia nach Hause kommt. Hier ist das Handy, ich gebe..., wem von den Kindern gehört es?", fragte der Dämonenjäger seufzend.

"Dem blonden Mädchen. Ihr Name ist wohl Alice Grün."
"Gab es Verletzte?"
"Mein Stolz."
"Also nichts Wichtiges. Welch Dämonen waren involviert?"
Penbel sah aus als würde er gleich weinen, als er das hörte. Trotzdem antwortete er verkniffen:

"Marianne von Nebel, Geist, minderjährig,
Edres von Muds, Erddämonin, minderjährig,
Copper von Nickel, Metalldämon, minderjährig,
Ellelib von Umbrae, Fee, minderjährig.
Professor Luri von Nebel, Generalleutnant Lohe-Kärbes von Umbrae und meine Wenigkeit wurden zur Unterstützung gerufen. Wir sind der Gilde alle bekannt."

Eichenfäller nickte.
"Gut. Welche Menschen waren involviert?"
"Diese drei jungen Menschenkinder und der Mann hier, wohl Alice Vater. Sonst weiß ich von niemandem."
Markus drehte sich militärisch zu Edres, Copper und Marianne, die sich immer noch nicht vom Boden gelöst hatte, um.
"Sonst noch irgendwelche Menschen involviert, die nicht davon überzeugt sind, ihr wärt Cosplayer?"
"Neeeeeiiiiin!", antworteten die jungen Dämonen eilig.

Offensichtlich genervt rieb Markus Eichenfäller sich die Schläfen.
"Kommt schon Dämonlinge, wenn ihr mir die Wahrheit sagt, dann streiche ich die Sachen, die auf Jobsuche blöd aussehen würden, aus euren Akten."
"Das kommt gar nicht in Frage! Das ist gegen die Vorschriften!", kreischte Penbel, offensichtlich angefressen darüber von den Dämonenjägern keine Unterstützung zu erhalten.
"Ach, schieben Sie sich ihre Vorschriften doch in den Hintern! Das sind Dämonlinge, die sich einen Scherz erlaubt haben, dafür wollen Sie ihnen doch wohl nicht die Zukunft ruinieren!"
"Wieso wollt ihr alle, dass ich sie mir da hin schiebe?", jammerte Penbel in den Saum seiner Robe.
Herr Grün verdrehte die Augen.

"Also?", haakte der Dämonenjäger nach und warf Penbel einen Todesblick zu, der dem Abgeordneten Tränen in die Augen trieb.
"Naja.", setzte Marianne an, "Da war dieser Typ mit den Waffeln, der unser Geld nicht wollte..."

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