Kapitel 18 I Zuhause

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Elisabeth trat durch die Haustür. Ihr Haus bot ein einziges Schreckensbild, wie schon zuvor. Doch im Sonnenlicht, das nun durch die Tür hereinkam und minutenlang alles erleuchtete sah es noch grausamer aus als zuvor.

Zuhause. Ja, sie war zuhause. Doch es fühlte sich nicht so an. Die zerbrochenen Scherben, zerfetzten Gegenstände auf dem Boden, abgerissen Tapeten und der riesige Magnet boten ein völlig anderes Bild. Würde es jemals wieder ein Haus werden, in dem sie problemlos und glücklich leben konnte? Würde jemals wieder Fröhlichkeit diese tristen Räume erfüllen? Sie wusste es nicht.

Sie lief ins Schlafzimmer hoch. Sie zog die Jalousie hoch und öffnete das Fenster. Kaum etwas war mehr übrig, es würde Stunden dauern, die Ordnung wieder halbwegs herzustellen.

Elisabeth seufzte. Lohnte sich all die Arbeit auch wirklich? Lohnte sich die Mühe, um alles aufzubauen? Es war frustrierend. Trotz allem würde nichts so werden, wie es war.

Sie sank auf das halb zerstörte Bett und begann zu weinen. Wie konnte alles nur jemals so weit kommen? Wieso konnte nicht alles wunderbar sein? Wieso musste sie sich so sehr ändern, wie auch all ihre Freundinnen?

Weinend ließ sie sich fallen und hämmerte vergeblich gegen die Wand vor ihr. Wie musste alles bloß so kommen? Wieso? Sie hatte doch immer n all das Gute in den Menschen geglaubt! Wieso wünschten ihr dann alle nur das schlechteste? Den Tränen folgten weitere Wutausbrüche. All dieser Ärger, der sich in ihr aufgestaut hatte quoll aus ihr heraus. Ihr immerwährendes Lächeln musste für diese Zeit einfach aussetzen.

Sie. Sie selbst erkannte sich nicht wieder. Ernst war sie geworden, keine junge Studentin, das halbe Kind, das jeder mochte. Sie war eine Bedrohung gewesen, dann nur noch jemand, den man möglichst übersah, um die eigenen Fehler nicht erkenne zu müssen.

Kira. Kira war doch immer so toll. Wenn sie nicht gerade in ihrer Wut jemandem die Haare ausriss und zusammentrat. Aber das kam als Kind nur alle paar Tage vor. Doch nun war sie nur voller Wut. Wieso eigentlich? Sie hatte doch ein tolles Leben! Trotz der vielen Rückschläge ihr Leben lang.

Melanie. Melanie, die kleine Puppe. Die erst nervige Klette, die nur Kleidchen, Schuhe und Blumen kannte und deren Mutter eine genauso schöne wie auch manchmal dämliche Barbie war wie sie. Doch nun blieb außer den Kleidchen und den Spiegeln nichts mehr von den Puppe übrig. Sie war erwachsen geworden, so wie sie alle. Sie konnte nur noch Zuhause in den Spiegel schauen und sich bewundern. Ansonsten blickte ihr, wie allen anderen, die harte Realität des Lebens entgegen.

Wenn Elisabeth richtig überlegte, war sie noch diejenige, die bis vor kurzem alles hatte. Ein kindliches Gemüt, ein wunderbares Lächeln, ein schönes Haus, das sie für wenig Geld von Melanie gekauft hatte. Sie hatte sehr viel Geld von ihren Eltern, konnte ruhig studieren, ohne den Drang der Arbeitssuche zu spüren und konnte tun und lassen, was sie wollte. Kira war immer auf der Arbeit, ohne jedoch viel zu verdienen, was sie machte, wusste Elisabeth nicht, da sie sich für so komplizierte Belange nicht interessierte. Melanie hatte nie eine Arbeit, auch wenn sie auf der Suche war. Ihr Vater dachte nie daran, das Püppchen studieren zu lassen.

Was hatte sich wohl noch alles geändert? Würde sie jemals wieder die kleine Elisabeth im Spiegel sehen, die sich nur um die heutigen Hausaufgaben kümmern musste? Würde sie jemals die kleine Elisabeth wiedersehen, die sich niemals echte Sorgen machen musste? Vermutlich nicht.

Ermattet ließ sie ihre Fäuste sinken. Ihre traurigen Gedanken hatten gewonnen. Was sollte sie nun tun? In ihrem zerstörten Haus sitzen und sich weiter bemitleiden? Die Kraft zu etwas anderem fehlte ihr. Müde griff sie zu ihrem Telefon und tippte eine Nummer ein. Hoffentlich würde diese Person auch abheben ... 

Zum Mord bestimmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt