Kapitel 20 I Flucht

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Kira blickte hinter sich. Niemand war dort. Wie dumm waren die Polizisten aber, dass sie keine Wache hingestellt haben? Niemand konnte so dumm sein!

Jemand ging über die Straße und sie drückte sich gegen die Wand. Die kalten Steine neben ihrem Gesicht fühlten sich an, als würde sie noch im Gefängnis sitzen. Aber sie durfte nicht entdeckt werden. Nicht bevor sie ihre Aufgabe erledigt hatte.

Elisabeth ... dieses dumme Biest! Hatte sie an die Polizei verraten, wie auch ihre schöne, ach so tolle, Freundin Melanie! Jahrelang musste sie sich beiden abplagen. Dieser dämlichen Elisabeth, den naiven Ding, das immer nur das Gute sah und diesem Modepüppchen Melanie, das nur Kleider, Schuhe und Spiegel im Kopf hatte. Keiner war es auch nur wert gewesen, ihre Stiefel zu lecken, geschweige denn, sich ihre Freundin nenn zu dürfen. Wie konnten sie nur? Verächtlich schnaubte sie.

Was würde sie tun? Sie wusste es nicht. Doch in ihrem Kopf liefen die schlimmsten Dinge ab. Sie schwankte nur noch zwischen den einzelnen Arten, der Tod stand beiden schon sicher. Einzig allein ihre Vorstellungen konnten ihr ein Leben lang ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, das sowohl echt war als auch strahlend schön.

All die Brutalität in ihrem Leben würde ein Ende nehmen. Elisabeths Ende. Schallend lachte sie und ein Mann sah herüber.

Wieder lief sie schneller und drückte sich dabei ganz eng an den Wand vorbei, auf wenn die blutigen Kratzer mehr schmerzten als die Handflächen, die sie sich zerschnitt. Sie durfte nicht entdeckt werden! Nicht jetzt, nicht später.

Ihr wunderschönes Lächeln in diesem Moment hätte jedes in den Schatten stellen können. Doch sie konnte es niemals öffentlich zeigen, da es eine gewisse Reaktion voraussetzte. Dieser Sommer würde für sie und ihre 'Freundin' zur absoluten Hölle. Auf keinen Fall wollte sie allein in den Abgrund verschwinden.

Im Licht der Straßenlaternen sah sie Elisabeths Haus. Rosafarbene Wände ... als sie da war, war wenigstens noch alles schön! Nun konnte man die Zerstörung ihrer Kunst allein durch das kleine Fenster sehen. Alles war hübsch hergerichtet. Die beiden Zicken hatten sich also schon wieder vertragen. Kira schnaubte verächtlich.

Als sie über die Holztür strich, dachte sie mit Freuden daran, wie schön eine zweite Zerstörung sein würde. Wenn das zarte Holz unter ihrer Axt splittern würde, welch ein wunderbares Gefühl! Wieso hatte sie auch die Tür von ihrem Angriff verschont? Diese Macht, den Eingang zu dem einzigen Zuhause einer Verräterin zerstören zu können ließ ihre Augen aufleuchten. Doch sie musste sich zusammenreißen.

Sie ging weiter, um nicht die Schmach ertragen zu müssen, dass Elisabeth einen kleinen Triumpf hatte. Einen Triumph, der ihr niemals hätte vergönnt sein sollen. Kira war von klein an für ihre Brutalität bekannt wie auch ihre Familie. Wenn sie schon für eine Wahnsinnige gehalten wurde, wieso nicht eine werden? Wieder erklang ihr schallendes Lachen, das diesmal mehrere Lichter in den Fenstern nach sich zog.

Ihre Flucht war jedoch nach wie vor unbemerkt. Die kleine Kira hatte das geschafft, was alle ihr verbieten wollten. Sie kleine Kira war wieder sie selbst. Wenn man sie nicht schon für eine Mörderin hielt, wieso sich dann zusammenreißen?

"Lass Blut fließen, doch lass es nicht meines sein ...", das kleine Lied ihrer Eltern kannte sie immer noch. Das kleine Lied, das nun auf sie bezogen wurde ... 

Zum Mord bestimmtWhere stories live. Discover now