[ Blind ]

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Die Liebe hat immer was zerbrechliches und zartes an sich.
Und so saß Shisui im Zug.
Vor Kummer und Schmerz zerbrochen.

Seine Hündin hielt ihm Beistand.
Er brauchte sie.
Nicht nur seelisch, denn über Itachi hinweg, hatte er ebenfalls sein Augenlicht verloren.
Dies war ebenfalls einige Zeit her.
Doch die Wunde, die ihm die Liebe bereitete, saß tiefer in seiner Brust.

Giulietta, so hieß seine Hündin, war schon seit Jahren an seiner Seite. Er hatte sein Augenlicht in jungen Jahren verloren, kaum war er erwachsen, wurde es ihm genommen.
Und Itachi stand ihm bei.

Der Zug stoppte. Das spürte Shisui.

Die Türen öffneten sich laut, und Menschenmassen stiegen ein und aus.
Shisui jedoch hörte Musik.
Er liebte Musik.

Über seine altmodisch, weißen Kabelkopfhörer saß er in der Bahn, eine verdunkelte Sonnenbrille auf der Nase, und Guilietta an der Leine.

Der Zug fuhr weiter.
Shisui dachte an die gemeinsame Zeit mit Itachi.
Die Sonnenuntergänge die sie einst gemeinsam beobachteten, und selbstgemachten Kakao tranken.
Bis zu Shisuis Unfall.
Das war die Zeit, wo es die beiden noch enger aneinander schwieß.
Tagtäglich fanden sie Zeit füreinander, teilten ihre Erlebnisse, und gründeten viele unvergessliche zusammen.
Itachi war das beste was Shisui passieren konnte.

Bis zu dem Streit.
Und nun saß er hier, in der Bahn, die Augen geschlossen, und die Leine seiner Hündin fest umklammert.

Shisui spürte, wie sich unter seinem Shirt die feinen Härchen auf dem Oberarm aufrichteten.
Jedoch bekam er den Grund seiner Reaktion nicht zu fassen, weil seine Sinne mit einem Mal einer viel intensiveren Ablenkung ausgesetzt waren.

Giulietta hatte zu knurren begonnen, gerade als der Zug mal wieder in einen Bahnhof einfuhr.
Und dann, legte plötzlich jemand fremdes seine Hand auf Shisuis Knie, während er das ungute Gefühl hatte, nach einem Sommergewitter in einem dichten Wald zu stehen.
Dies lag an dem schweren parfum welches die Person trug.
Kardamom, etwas Pfeffer und Rosenholz. Danach roch es nun.

Shisui hatte das Parfum des bedrohlich zudringlichen Sitznachbars, welcher eine Spur zu viel davon aufgetragen hatte, nie gerochen.

Da spürte Shisui einen Ruck, sein Handgelenk schmerzte, und seine Kopfhörer wurden ebenso harsch aus den Ohren gerissen. "Hey!" beschwerte er sich sofort Lautstark.

Als er merkte, daß die Person ihm das Armband, welches Itachi für ihn damals gemacht hatte, entwendete, war es genug. Giulietta begann zu bellen.

Der Druck auf seinem Knie war verschwunden, und der Schatten, der bis eben noch neben ihm gesessen hat, war ebenso weg.

Shisui fasste sich an sein leeres Handgelenk.

"Ey du Arschloch!" schimpfend rief Shisui dem Mann hinterher.
Naja, so sicher war sich Shisui bei dem Geschlecht des Diebs nun nicht.
Er ahnte es, wegen dem Parfum.

Somit sprang er ebenfalls auf, und bahnte sich blindlings den Weg vorbei an den Einsteigenden Fahrgästen, mit Giulietta an seiner Seite, aus der Bahn.
"Stehen bleiben!" Rief er aufgebracht.

Voller Wut, und gleichzeitig hilflos stieg er aus, und wurde von lauter Lichtfetzen und eilenden Schatten konfrontiert.

Kurz überlegte er sich das Risiko, jetzt dem Parfum hinterherzurennen, doch alles was ihm von Itachi blieb, war das nun verlorene Armband.

Anstatt eines Führhunds, wäre ihm wohl nun ein Jagdhund gelegen gewesen. Er konnte Giulietta also nicht von der Leine lassen.

Doch sie gab Shisui den Weg vor.
An Hindernissen vorbei, dem Dieb hinterher.
Denn zusammen waren sie ein Team.

Ein Team, das nicht weit kam.

Etwa an einem Getränkeautomaten hielten sie inne. Dieser stand auf der mitte des Bahnsteigs. Hinter diesem war der Dieb.

Doch Shisui schloss nicht auf, und prallte stattdessen gegen einen Metallmülleimer.
Vor Schreck ließ er Giuliettas Leine los, und zischte schmerzerfüllt auf.

Das nächste was Shisui hörte, war Giuliettas Jaulen.
Dies, gefolgt von einem empörten aufschrei einer Dame.
Plötzlich drangen von allen Seiten stimmen an Shisuis Ohr.
Lauter Passanten, die wild durcheinanderriefen.

"Alter! Sieh mal da!"
"Jemand muss den Hund holen!"
"Der arme Hund"
"Hast du gesehen was der getan hat?! Jemand muss helfen!"

Shisui verlor sich in den Stimmen.
Er verlor die Orientierung.

Mit Schmerzen erhob er sich, und drehte sich im Kreis.
"Giulietta?!" rief er, und hielt inne als er eine Hand auf seiner Schulter spürte.

Erschrocken zuckte er auf.

"Ist das ihr Hund auf den Gleisen?" fragte eine Stimme.

In Shisuis Hals bildete sich ein Kloß.

Gleise?

Nein, bitte nicht.

Langsam Begriff er die Aufregung um sich herum, setzte die visuellen Fragmente, Stimmen und Töne zu einem entsetzlichen Realitätsbild zusammen.

Giulietta!

Der Dieb muss sie auf die Gleise getreten haben.
Runter auf die Gleise.

"Der Hund schafft es nicht allein!" kommentierte jemand die offensichtlich fehlgeschlagenen Befreiungsversuche seines Hundes.

"Ist der Typ da blind?"
"Der Bahnsteig ist zu hoch"
"Es ist zu gefährlich runterzusteigen"

"Giulietta!" verzweifelte wankte Shisui nun selbst an den Rand des Bahnsteigs, kniete nieder, und wurde sofort von mehreren Händen zurückgehalten.

"Achtung!" Schrie Jemand.

Da hörte Shisui, wie seine Hündin unter ihm ein letztes Mal zur Bahnsteigkante hochsprang.
Hörte, wie ihre Leine gegen etwas metallisches klirrte.
Wie Ihre Pfoten vom dreckigen Beton abrutschten.
Hörte, wie jemand ganz dicht an seinem Ohr war und Atmete.

Ein Mann, der nach Herrenparfum roch.
Eine Note zu viel aufgetragen.
Kardamom, etwas Pfeffer und Rosenholz.

Hörte, wie er etwas in sein Ohr flüsterte, was er ebenso wenig verstand, wie die Tatsache, daß sich das selbstgemachte Armband von Itachi, nun in seinen schweißnassen, zittrigen Händen lag.

Er hatte doch bereits alles verloren was ihm lieb und wert war.

Dann hörte er Giulietta ein letztes Mal hysterisch bellen.

Hörte, wie Menschen panisch schrien.

Hörte, wie der Zug einfuhr.

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Ende ⭐️

Düster, nicht? Nunja, mal etwas neues 🦋 Ich hoffe dennoch, daß es euch gefallen hat! :) ❤️

Herzliche Grüße, eure Tori 😘

🍋 Shiita OneShots 🍋Where stories live. Discover now